Jan Delay, die EU-Kommission und der Haß auf das Urheberrecht

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 27.11.2011

In deutlichen Worten hat der Hamburger Musiker Jan Delay über seine Facebook-Seite die derzeitige Abmahnpraxis der Musikindustrie kritisiert: 

im letzten jahr hat es 800.000 (!) abmahnungsverfahren wg. illegalen downloads gegeben. heißt: windige anwälte beschäftigen billiglöhner, die den ganzen tag nix anderes tun als ip-adressen von illegalen saugern aufzuschreiben um diese mit einem bußgeldbescheid von durchschnittlich 1500 euro abzumahnen und mit Gerichtsverfahren zu drohen falls nicht gezahlt wird. heraus kommt das stolze sümmchen von 1,2 Milliarden (!!), welches unter den anwälten und den plattenfirmen gesplittet wird. die künstler sehen davon nix! das sind alles miese schweine!! saugt bitte alle ruhig weiter, und lasst euch nicht erwischen! kein peer 2 peer!! und wenn es Künstler gibt, die ihr schätzt und die sich den arsch aufreißen um gute platten zu machen: bitte supported sie!!"

 

Keine 48 Stunden später rudert Delay zurück - auf Intervention seiner Produktionsgesellschaft: "

universal mich darauf hingewiesen, daß bei meiner letzten abrechnung auch ein nicht gerad geringer betrag aus solcherlei erlösen stammte.. peinlich"

Aber er bleibt hart:

dieses ekelige kriegsgewinnler geld will ich aber gar nicht haben! ich werde das komplett spenden, auch in zukunft! und es ändert nichts daran, daß ich diese art von geschäftemacherei um die einbrechenden umsätze zu kompensieren ein unding finde! anwälte, die ihr komplettes geschäft darauf basieren lassen kids, studenten oder sonst wen mit abstrusen summen abzuzocken, sind miese schweine!

 

Quelle: http://www.facebook.com/jandelay/posts/10150420694576602

 

Ähnlich scharf kritisiert jetzt Neelie Kroes, EU-Kommissionsvizechefin und zuständig für die Digitale Agenda, die derzeitigen Hypertrophien im Urheberecht. In ihrer Avignon-Rede vom 19. November 2011 erklärte sie, dass die Bürger zunehmend das Wort "Urheberrecht und alles, was dahintersteckt" hassen würden. Die Masse der Einnahmen der Medien- und Kulturindustrie komme nicht bei den Kreativen an. Junge Künstler müssten oft von 1.000 Euro im Monat leben. 97,5 Prozent der Mitglieder einer großen Verwertungsgesellschaft in Europa erhielten unter 1.000 Euro im Monat für ihre urheberrechtlich geschützten Werke. Und nur wenige Künstler verdienten wirklich viel Geld.

http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/11/777&fo...

 

 

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4 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Thomas Hoeren,

 

mich würde 'mal ihre Meinung zu diesem Thema interessieren und würde mich sehr freuen, wenn sie evtl. Lust und Zeit haben uns kurz ihre Sicht zum Thema mitzuteilen. Und zwar geht es um (filesharing-)Abmahnungen, die nun von Anwälten an Inkassos versteigert werden. Siehe dazu zum Beispiel folgende Quellen:

 

1. heise-online: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Abmahnkanzlei-versteigert-90-Mill...

2. lawblog, Udo Vetter: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/12/06/90-millionen-suchen-...

3. internet-law, Thomas Stadler: http://www.internet-law.de/2011/12/zweifelhafte-versteigerung-von-forder...

 

Wenn man allein bedenkt, daß zumindest meiner Meinung nach die (Anwalt-)Kosten im Innenverhältnis nicht abgerechnet wurden dann stellt sich mir sowieso die Frage, ob es sich nicht evtl. sogar um Betrug handeln könnte? Bin aber nur ein interessierter Laie.

 

Wie gesagt: Wäre schön, wenn sie sich evtl. äußerten.

 

Vielen Dank und Gruß aus Kölle, Baxter

5

Irgendwann kam die Rechtssprechung auf den Trichter, dass wer an Filesharing teilnimmt, sich ja eigentlich das Verbreitungsrecht für den Künstler (wie etwa ein Plattenvertrieb) aneignet. Die Bedenken um die vergleichsweise begrenzten technischen Uploadmöglichkeiten eines Privathaushalts wichen bald der richterlichen Erkenntnis, dass das Musikstück jedenfalls theoretisch überall in der Welt abrufbar sei. Dieser geistige Hürdenlauf hinterlässt einen Nachhall von Unstimmigkeit.

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