BAG zur pauschalen Überstundenabgeltung bei angestellten Rechtsanwälten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.11.2011

 

Eine aufsehenerregende (vgl. hierzu schon den BlogBeitrag vom 20.6.2011) Auseinandersetzung um die Vergütung von Überstunden hat nunmehr mit der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe durch das BAG (Urteil vom 17.08.2011 - 5 AZR 406/10, BeckRS 2011, 77781)sein juristisches Ende gefunden. Geklagt hat ein angestellter Rechtsanwalt, der zuletzt eine Bruttojahresvergütung von 80.000 Euro bezog und sich Hoffnungen auf die Aufnahme in den Kreis der Partner machte. Nachdem sich diese Hoffnung nicht erfüllt und das Arbeitsverhältnis sein Ende gefunden hatte, machte der Kläger die Abgeltung von Überstunden (930 Stunden) für die Zeit der letzten zwei Jahre in Höhe von knapp 40.000 Euro geltend. Allerdings fand sich in seinem Arbeitsvertrag der Passus: „Durch die zu zahlende Bruttovergütung ist eine etwaig notwendig werdende Über- oder Mehrarbeit abgegolten.“ Das BAG bestätigt zunächst in seiner Entscheidung die bereits im Schrifttum gegen eine solche pauschale Abgeltung erhobenen Bedenken. Die Klausel sei, so das BAG, nicht klar und verständlich. Die Überstunden seien im Arbeitsvertrag ebenso wenig bestimmt wie die Voraussetzungen, unter denen Überstunden „etwaig notwendig“ sein sollen. Insbesondere ließen sich weder der Klausel selbst noch den arbeitsvertraglichen Bestimmungen im Übrigen eine Begrenzung auf die nach § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeit entnehmen. Darin liegt eine für die Praxis wichtige Klarstellung, von der viele Arbeitsverträge betroffen sein dürften. Eine Ausnahme wird man übrigens bei leitenden Angestellten erwägen können, da von diesen ohnehin ein überobligationsmäßiger Einsatz erwartet wird und dieser Personenkreis auch nicht vom Arbeitszeitgesetz erfasst wird.

Trotz dieser für den Kläger günstigen AGB-rechtlichen Weichenstellung war seiner Klage im Ergebnis kein Erfolg beschieden. Denn das BAG sah die Voraussetzungen des § 612 Abs. 1 BGB als nicht erfüllt an. Der Senat konnte nicht erkennen, dass die Leistung der streitgegenständlichen Überstunden den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war. Die nach § 612 Abs. 1 BGB erforderliche - objektive - Vergütungserwartung werde zwar in weiten Teilen des Arbeitslebens gegeben sein. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten sei, gäbe es jedoch gerade bei Diensten höherer Art nicht. Der Kläger habe – so das BAG - nicht einmal ansatzweise Tatsachen dafür vorgetragen, angestellte Rechtsanwälte in vergleichbarer Stellung als potentielle Partner der Arbeitgeberin und mit einem vergleichbaren, deutlich herausgehobenen Gehalt würden Überstunden nur gegen zusätzliche Vergütung leisten oder Überstunden stets vergütet erhalten. Ebenso wenig hat der Senat Anhaltspunkte für eine entsprechende Verkehrssitte. Auch die enttäuschte Erwartung, bald Partner werden zu können, rechtfertige nicht die Zuerkennung eines Vergütungsanspruchs. 

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2 Kommentare

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Eine traurige Entscheidung.

Zwar sah der Arbeitgeber eindeutig die Notwendigkeit, die gesonderte Vergütung der Überstunden auszuschließen, erkannte dies also ansonsten als logische Folge bei Fehlen einer solchen Klausel, aber wundersamerweise wurde er vom BAG gerettet.

Man hätte sich mal für die Arbeitsbedingungen angestellter Rechtsanwälte einsetzen können, stattdessen lässt man der Ausbeutung weiter freien Lauf. Die Partner-Karotte vor der Nase.

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Etwas kurios finde ich dies (hab die ganze Entscheidung nicht gelesen, zitiere nur aus dem Ausgangsbeitrag):

"nicht einmal ansatzweise Tatsachen dafür vorgetragen, angestellte Rechtsanwälte in vergleichbarer Stellung als potentielle Partner der Arbeitgeberin und mit einem vergleichbaren, deutlich herausgehobenen Gehalt würden Überstunden nur gegen zusätzliche Vergütung leisten oder Überstunden stets vergütet erhalten.".

D.h. wenn alle Kanzleien derartige Klauseln verwenden und deshalb üblicherweise keine Überstundenvergütung bezahlen, bleibt das folgenlos, weil dann eben Überstunden üblicherweise nicht vergütet werden??? Ist das die normative Kraft des Faktischen?

Wenn es keine Verkehrssitte gibt, Überstunden zu vergüten, worin liegt dann die AGB-mäßige Abweichung von der Gesetzeslage und die unangemessene Benachteiligung (in der Vergleichsgruppe "angestellte RAe")?

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