Unwahre Pressemitteilung über "einvernehmliches Ausscheiden" - Schmerzensgeld?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.11.2011

Der Kläger war vom 01.07.2009 bis 30.09.2010 als Leiter der Abteilung Marketing bei der Beklagten beschäftigt. Am 03.02.2010 wurde er vom Vorstand der Beklagten zu einem Personalgespräch einbestellt. Ihm wurde mitgeteilt, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis beenden wolle. Ihm wurde der Entwurf eines Aufhebungsvertrages unterbreitet, den er jedoch nicht unterzeichnete. Am 04.02.2010 stellte die Beklagte folgenden Text in das Intranet des Unternehmens:

P. verlässt die E. R.

Heute müssen wir Sie darüber informieren, dass wir uns aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen über die weitere strategische Ausrichtung des Marketings und der Markenführung im guten Einvernehmen mit Herrn P. auf die Aufhebung seines Vertrags verständigen werden. Um sich zeitnah neuen beruflichen Herausforderungen stellen zu können, ist Herr P. ab sofort freigestellt. Wir danken Herrn P. für sein Engagement und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute ...

Drei Wochen später erschien in einem Fachmagazin ein Bericht über das Ausscheiden des Klägers bei der Beklagten, der im Wesentlichen denselben Inhalt hatte.

Am 10.02.2010 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kündigungsschutzprozess wurde vergleichsweise beigelegt.

Nunmehr verlangt der Kläger eine Entschädigung (Schmerzensgeld) wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte: Seiner Auffassung nach habe die Beklagte durch den Inhalt der Veröffentlichung im Intranet über sein Ausscheiden sowie durch Veranlassung der Veröffentlichung des entsprechenden Presseartikels in der Fachpresse sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in schwerwiegender Weise verletzt. Sie habe bezweckt, ihn unter Druck zu setzen, öffentlich schlecht zu machen und durch bewusste Verbreitung der unwahren Behauptung, er sei „in gutem Einvernehmen“ ausgeschieden, eine tiefgreifende Ehrverletzung begangen.

Das LAG München hat die Klage abgewiesen (Urt. vom 01.09.2011 - 3 Sa 333/11):

Zwar trifft die Befürchtung des Klägers durchaus zu, dass ungeachtet - und vielleicht gerade trotz - der Betonung des einvernehmlichen Ausscheidens in interessierten Kreisen die Vermutung entstehen könnte, man habe sich in Wahrheit gerade nicht in „gutem Einvernehmen“ getrennt. Das Entstehen solcher Mutmaßungen ist aber bei Verlautbarungen über das Ausscheiden leitender Mitarbeiter von Unternehmen, und zumal bei einem Ausscheiden nach kurzer Zeit, nahezu unvermeidlich. Dem Arbeitsgericht ist darin beizupflichten, dass es in Fällen dieser Art nicht die Mitteilung der Trennung in „gutem Einvernehmen“ ist, die geeignet ist, die Gerüchteküche zu bedienen und den guten Ruf des betreffenden Mitarbeiters zu tangieren, sondern der bloße Umstand des Ausscheidens nach lediglich kurzer Zusammenarbeit.

Bemerkenswert sind vor allem die Ausführungen des Gerichts dazu, dass die Behauptung „unterschiedlicher Auffassungen über die weitere strategische Ausrichtung“ keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstelle:

Es ist heute Gemeingut, dass ein leitender Mitarbeiter nicht nur dann ein guter Mitarbeiter ist, wenn er sich frag- und klaglos allen Entscheidungen höherer Ebenen unterwirft, auch dann, wenn er diese Entscheidungen für problematisch oder falsch hält. Vielmehr gilt, dass, je höher eine Position angesiedelt ist, (auch) in der allgemeinen Meinung und vor allem im Arbeitsleben von dem betreffenden Mitarbeiter erwartet wird, dass er die ihn betreffenden fachlichen Entscheidungen mit kritischem Sachverstand begleitet.

Daher liege in der Betonung der "unterschiedlichen Auffassungen" kein Angriff auf die Ehre des Klägers.

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