Erst nicht verwirkt, dann aber doch

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 31.10.2011

 

Im Scheidungsverfahren hatten sich die Beteiligten 2002 auf einen monatlichen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 422 € verglichen.

Mit Urteil vom 25. Mai 2005 wurde eine Abänderungsklage des Beklagten, mit der er einen Wegfall seiner Unterhaltspflicht wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Klägerin begehrte, rechtskräftig abgewiesen.Trotz der seit Ende 2000 bestehenden Freundschaft und intimen Beziehung sei keine eheähnliche Wirtschaftsgemeinschaft bewiesen. Dabei hatte das Amtsgericht entscheidend darauf abgestellt, dass die Beziehung bewusst auf Distanz gehalten werde, wobei die Distanz auch nach außen zum Ausdruck komme. Für die Voraussetzungen des "Verwirkungstatbestandes" sei der Beklagte somit beweisfällig geblieben.

Als die Klägerin in 2008 Erhöhung des Unterhalts begehrte wehrte er sich mit einer Widerklage, in der er vortrug, jetzt liege aber eine verfestigte Lebensgemeinschaft seiner Ex vor.

Das OLG Düsseldorf folgte dem nicht.

Es könne dahinstehen, ob zwischen der Klägerin und dem Zeugen eine verfestigte Lebensgemeinschaft bestehe, weil der Beklagte mit diesem Einwand aufgrund des rechtskräftigen Urteils vom 25. Mai 2005 ausgeschlossen sei. Zwar habe das Amtsgericht seiner- zeit eine "Verwirkung" verneint, weil es keine eheähnliche Wirtschaftsgemeinschaft feststellen konnte. Die maßgeblichen Umstände, auf die der Beklagte nun erneut seinen Verwirkungseinwand stütze, hätten aber schon damals vor- gelegen. Der Beklagte sei schon seinerzeit von einer verfestigten Lebensgemeinschaft ausgegangen. Maßgebliche Änderungen im Verhältnis der Klägerin zu dem Zeugen habe er in diesem Verfahren nicht vorgetragen.

Dem ist nun der BGH (wie ich finde zu Recht) entgegengetreten:

Im Gegensatz zur Auffassung des Oberlandesgerichts hat der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht lediglich die seinerzeit vorgetragenen Umstände wiederholt, sondern weitere Umstände für eine nunmehr verfestigte Lebensgemeinschaft vorgetragen. Dabei ist bereits zu berücksichtigen, dass die Klägerin jetzt mit dem Zeugen nicht nur - wie seinerzeit - viereinhalb Jahre, sondern mehr als zehn Jahre eine intime Beziehung unterhält. Wenngleich die Dauer nicht das allein entscheidende Kriterium für die Verfestigung einer Lebensgemeinschaft ist, kann sie bei der Würdigung aber nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Hinzu kommt, dass der Beklagte unter Bezug auf einen Zeitungsbericht zu den gemeinsamen Tanzsportaktivitäten der Klägerin und ihres Bekannten weitere Umstände vorgetragen hat, die das seinerzeit noch vermisste Erscheinungsbild einer verfestigten Lebensgemeinschaft in der Öffentlichkeit zusätzlich stützen.

Für den Tatbestand des § 1579 Nr. 2 BGB, der für die Feststellung einer verfestigten Lebensgemeinschaft regelmäßig verschiedene Indiztatsachen erfordert, ist der neue Vortrag des Beklagten deswegen nicht unerheblich. Das Oberlandesgericht durfte den Einwand des Beklagten nicht als präkludiert ansehen, weil eine verfestigte Lebensgemeinschaft ohne diese neu hinzugetretenen Umstände in einem vorangegangenen Verfahren rechtskräftig abgelehnt worden war. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts führt dies nicht zu einer im Abänderungsverfahren unzulässigen Fehlerkorrektur. Die Widerklage des Beklagten ist darauf gerichtet, die Zukunftsprognose für den künftigen Unterhaltsanspruch der Klägerin durch neu hinzugetretene Tatsachen zu erschüttern. Dies ist ihm im Abänderungsverfahren nach § 323 ZPO aF nicht verwehrt. Davon unabhängig könnte eine Präklusion ohnehin nicht gegenüber der für eine Übergangszeit zugesprochenen Erhöhung des Unterhalts eingreifen.

BGH v. 05.10.2011 -XII ZR 117/09

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3 Kommentare

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Es wird an keiner Stelle erwähnt, dass die Frau in dem o.g. Verfahren ihre Bedürftigkeit nicht hätte nachweisen müssen. Bedürftigkeit ist eine Voraussetzung des Unterhaltsanspruchs, die beim Berechtigten vorliegen und von ihm bewiesen werden muss, auch im Abänderungsverfahren. Was der Kläger (Mann) hier beweisen musste, war wiederum der für ihn günstige Ausnahmetatbestand der Verwirkung. Dabei hat ihm das OLG die Beweisführung aufgrund eines rechtskräftigen Urteils eines Vorprozesses erschwert, was der BGH korrigiert hat. Das ist das interessante an dem Fall. Die (prozessualen) Rechte des Unterhaltsschuldners wurden in diesem Einzelfall gestärkt.

Es ist hier nicht anders als allgemein im Zivilrecht, was die Darlegungs- und Beweislast angeht:

A kauft bei Bäcker B Backwaren. B verklagt A auf Zahlung des Kaufpreises. A verteidigt sich mit dem Vortrag, er habe den vereinbarten Kaufpreis berits beglichen.

Wer muss was beweisen?

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Mein Kommentar oben bezieht sich auf den des Herrn Fawkes, der wohl gelöscht wurde. Dieser hatte aus dem Beitrag heraus gelesen, die "Frau" müsse ihre Bedürftigkeit - wohl grundsätzlich - nicht nachweisen.

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@Ein Bürger, danke für Ihre Antwort.

Leider ist sie durch die übliche Zensur meiner Beiträge nun etwas entstellt.

Der grundlegende Unterschied zwischen ihrem Beispiel und dem Unterhaltsrecht ist eben gerade, dass B nie etwas geliefert hat, aber A trotzdem weiter bezahlen soll , ohne da jemals raus zu kommen.

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