Unternehmensgröße und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: Leiharbeitnehmer zählen mit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 18.10.2011

Verschiedene Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem BetrVG sind davon abhängig, dass der Betrieb oder das Unternehmen eine bestimmte Größe aufweist. So braucht der Arbeitgeber über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan im Falle einer Betriebsänderung nur dann zu verhandeln, wenn sein Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer hat (§ 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Mit Urteil vom 18.10.2011 (1 AZR 335/10) hat das BAG entschieden, dass hierbei u.U. auch Leiharbeitnehmer mitzuzählen sind, wenn sie nämlich länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt und daher wahlberechtigt sind (§ 7 Satz 2 BetrVG).

20 Stammkräfte und eine Leiharbeitnehmerin

Im Streitfall betreibt die Beklagte ein Unternehmen, das sich mit dem Verkauf und dem Verlegen von Bodenbelägen befasst. In der Vergangenheit beschäftigte sie regelmäßig 20 eigene Arbeitnehmer sowie seit Anfang November 2008 eine Leiharbeitnehmerin. Ende Mai 2009 kündigte sie die Arbeitsverhältnisse aller elf gewerblichen Arbeitnehmer. Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich lehnte sie ab. Der infolge dieser Betriebsänderung entlassene Kläger verlangte deswegen einen Nachteilsausgleich (§ 113 Abs. 3 BetrVG). In der ersten Instanz hatte die Klage Erfolg, auf die Berufung der Beklagten hat das LAG Hamm sie abgewiesen (Urt. vom 31.03.2010 - 3 Sa 53/10).

Klage in dritter Instanz erfolgreich

Die Revision des Klägers war vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Die Beklagte beschäftigte zum Zeitpunkt der Betriebsänderung Ende Mai 2009 in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer. Die länger als ein halbes Jahr im Unternehmen eingesetzte Leiharbeitnehmerin war bei der Feststellung des Schwellenwerts zu berücksichtigen. Wegen der unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats steht dem Kläger aus § 113 Abs. 3 BetrVG eine Abfindung als Nachteilsausgleich zu.

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