Kachelmann: Freispruch rechtskräftig

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 08.10.2011

Mit Rücknahme der staatsanwaltlichen und nebenklägerischen Revision ist der Freispruch Jörg Kachelmanns vom Vorwurf der Vergewaltigung rechtskräftig geworden, wie das LG Mannheim mitteilt (Pressemitteilung).

Für eine Wiederbeschäftigung Kachelmanns in der ARD besteht m.E. kein Hindernis mehr, schließlich hat (um unsere Kanzlerin im Falle zu Guttenbergs zu zitieren) die ARD Kachelmann nicht als monogamen Liebhaber eingestellt, sondern als Wettermoderator.

Ob die schriftlichen Urteilsgründe veröffentlicht werden (dürfen bzw. müssen), ist nach wie vor Gegenstand der Diskussion (hier).

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20 Kommentare

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Sehr geehrter Prof. Müller,

möchten Sie sich vielleicht zur Problematik der Veröffentlichung des Volltextes äußern?

Kann man überhaupt auf die Regelungen zur Akteneinsicht verweisen, wenn es eigentlich nur um die Übersendung der Entscheidung geht? Für mich klingen die dortigen Ausführungen - auch vor dem Hintergrund der BVerwG-Entscheidung - plausibel.

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Sehr geehrter Herr Nuwieder,

zunächst hätte ich der Argumentation Herrn RA Scherers entgegengehalten, dass bei der Abwägung zwischen mögl. Persönlichkeitsrechten und Öffentlichkeitsinteresse an einer Veröffentlichung der Urteilsgründe die (mangelnde) Rechtskraft der Entscheidung eine Rolle spielt. Da das Urteil nun rechtskräftig ist, stellt sich diese Frage ja nicht mehr. Die verwaltungsgerichtliche Entscheidung ist nicht unmittelbar einschlägig, da dort (vermeintliche) Persönlichkeitsrechte keine entscheidende Rolle spielten.

Es bleibt also bei einer Abwägung zwischen Transparenzgebot und Persönlichkeitsrechten - eine spannende Frage, die soweit ich weiß, hinsichtlich Urteils-Veröffentlichungen noch nicht abschließend entschieden ist. Man müsste auch einmal eruieren, was die evtl. Betroffenen überhaupt darüber denken. Als milderes Mittel ließen sich zudem ja auch explizite Stellen schwärzen.

Was denken die Leser hier dazu?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Ich denke, dass es die Deutschen Gerichte so halten sollten wie der EuGH: Veröffentlichung aller Urteile mit vollem Rubrum.

Oder wie das BVerfG bei seinem üblichen Hinweis an den/die Bevollmächtigten: Sie werden bei einer Veröffentlichung der Entscheidung genannt, es sei denn, dass Sie widersprechen.

   
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Sehr geehrter Herr Professor Müller,

hinsichtlich der Entscheidung des BVerwG, die ich zitiert habe, haben Sie sicherlich Recht: sie bezieht sich nicht dezidiert auf Persönlichkeitsrechte und deren Abwägung gegen die Interessen der Allgemeinheit.

Anders sieht dies allerdings aus bei der ebenfalls zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes Baden-Württemberg. Auch in der an anderer Stelle zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen geht es um diese Frage: http://stscherer.wordpress.com/2011/10/06/fall-kachelmann-das-landgerich... (Vielen Dank an den Kommentator "Reinhard" für die Fundstelle)

Interessant insbesondere folgender Satz: "Allein der Umstand, dass eine Anonymisierung des Urteils vom 13. April 2006 über dessen Rubrum hinaus wegen der umfangreichen Verwendung weiterer, personenbezogener Daten einen nicht unerheblichen Arbeitsaufwand verursachen könnte, steht der Erteilung einer Abschrift nicht entgegen."

Schauen wir mal, wie sich nach nunmehriger Rechtskraft das Landgericht und/oder die Staatsanwaltschaft Mannheim verhalten...

Übrigens ist es ansonsten völlig unproblematisch, nicht rechtskräftige Entscheidungen bei Gerichten anzufordern - ich bin in einem hinsichtlich der Veröffentlichung so stiefmütterlich behandelten Bereich wie dem des Rechts der Leistungserbringer im Gesundheitswesen regelmässig auf die Unterstützung der Sozialgerichte angewiesen - und kann wirklich nicht warten, bis das BSG nach Jahren abschliessend entschieden hat... und auch dort sind die Persönlichkeitsrechte von Prozessparteien massiv tangiert, wobei regelmässig die dortigen Prozessparteien nicht vorab die Sicht ihrer Dinge an Boulevardblätter verkauft haben.

Ich finde es erschreckend, wie in Mannheim der Versuch unternommen wird, den Verlauf und das Ergebnis des Prozesses vor der Öffentlichkeit zu verstecken - dies dient sicherlich nicht der Reputation der deutschen Strafjustiz. Sind wir jetzt schon so weit, dass ein Gericht sich nicht mehr traut, die Begründung seiner Urteile vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen?

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Sehr geehrter Herr Scherer,

Sie schreiben:

Ich finde es erschreckend, wie in Mannheim der Versuch unternommen wird, den Verlauf und das Ergebnis des Prozesses vor der Öffentlichkeit zu verstecken - dies dient sicherlich nicht der Reputation der deutschen Strafjustiz. Sind wir jetzt schon so weit, dass ein Gericht sich nicht mehr traut, die Begründung seiner Urteile vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen?

Ihre Interpretation, die mangelnde Bereitschaft, das Urteil zu veröffentlichen, liege auf einer Linie mit dem Verhalten des Gerichts während der Verhandlung und diene v. a. dazu, die eigenen gerichtlichen Begründungsmängel zu verdecken, kann ich gut nachvollziehen - und vielleicht ist es ja auch so.

Aber ich halte die Nicht-Veröffentlichung dennoch letztlich rechtlich für zutreffend. Drei Gründe:

1. Es handelt sich nicht um ein Urteil, das von irgendeinem "rechtlichem Interesse" ist. Hier finden keine neuen Gesetze, keine neuen Interpretationen Anwendung. Die Veröffentlichung würde einzig und allein einem "öffentlichen Interesse" dienen und damit u.a. Publikationsinteressen nachkommen, die auch Sie sicherlich nicht gutheißen: Sensationsgier, Boulevard, Interesse am Klatsch über eventuell schlüpfrige Details des Privatlebens von Jörg Kachelmann und seinen Intimpartnerinnen einschl. der Nebenklägerin. Es würde möglicherweise dem Freigesprochenen auch wirtschaftlich Schaden zufügen - so weigert sich ja derzeit die ARD ihn wieder zu beschäftigen, offenbar nicht weil er "schuldig" ist, sondern wegen der im Prozess ans Licht gekommenen Details seines Liebeslebens, die eigentlich niemanden etwas angehen. Durch eine Uteilsveröffentlichung könnten diese erneut zum "Thema" werden.

2. Das Urteil endete mit Freispruch. Der Grund für diesen Freispruch liegt klar auf der Hand (der Tatvorwurf ließ sich nicht nachweisen).  Freisprüche haben - anders als Verurteilungen - nicht den Anspruch, intersubjektiv nachvollziehbar den Beweis der Tat darzulegen, um den schweren staatlichen Eingriff (Strafe) zu legitimieren. Eine Freispruchbegründung muss nur darlegen, dass es eben keinen  hinreichenden Tatnachweis gab. Dies aber ist bereits allgemeinkundig und bedarf keiner Veröffentlichung mehr.

3. Argumentation aus dem Lebach-Urteil des BVerfG aus dem Jahr 2009. Dort heißt es:

Wägt man dieses Interesse mit der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, die mit der identifizierenden Berichterstattung über Verfehlungen des Betroffenen verbunden ist, ab, verdient für die tagesaktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im Allgemeinen den Vorrang (vgl. BVerfGE 35, 202 <231>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 25. Februar 1993 - 1 BvR 172/93 -, NJW 1993, S. 1463 <1464>; 13. Juni 2006 - 1 BvR 565/06 -, NJW 2006, S. 2835). Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern er muss auch dulden, dass das von ihm selbst erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (vgl. BVerfGE 35, 202 <231 f.>).

Also: Eine Tagesberichterstattung über die Straftatenbegehung (insb. Verurteilung)  unter Nennung des verurteilten Täters ist u. a. deshalb gerechtfertigt, weil der Täter eben das Recht verletzt hat und damit praktisch selbst in die Öffentlichkeit hinieingewirkt hat. Dies gilt  nach h.M. auch schon für den bloßen Tatverdacht (obwohl ich hier auch sehr skeptisch bin, wie sie aus meinen früheren Blogbeiträgen entnehmen können). Aber: In Umkehrung dieser Argumentation würde ich sagen: Ist rechtskräftig ein Freispruch ergangen, dann ist der zuvor Verdächtige wieder ganz Privatmensch, er ist so zu behandeln, als sei er nie angeklagt worden. Sein Interesse, dass sein Privatleben nicht an die Öffentlichkeit gezerrt wird, ist deshalb wieder wesentlich höher einzuschätzen, als das Interesse der Öffentlichkeit an Publikation von Urteilsgründen, die (möglicherweise) auch weitere Intimitäten enthalten, nicht nur längst bekannte Personendaten.

Klar ist doch wohl, dass eine Publikation der Urteilsgründe zugleich breiteste Berichterstattung über neue Details auslösen würde (hier liegt die Sache anders als in den von Ihnen herangezogenen Fällen). Dass das Gericht dafür nicht die Vorlage geben will, halte ich deshalb für rechtlich zutreffend, selbst wenn dies widersprüchlich zu früheren zweifelhaften Publikationen der StA und des Gerichts aus dem Prozess erscheint. Das wäre anders, wenn ein Politiker von Korruptionsvorwürfen freigesprochen wird oder wenn zB das Verfahren gegen Helmut Kohl nach § 153a StPO eingestellt wird - hier ist das öffentliche Interesse an der wahrheitsgemäßen Aufklärung sicher so hoch, dass demgegenüber das Persönlichkeitsrecht des Politikers zurücktreten müsste. Aber dies gilt keineswegs für jeden Prominenten, schon gar nicht für jeden Normalbürger. Das gleiche gilt übrigens auch für die Anzeigeerstatterin und Nebenklägerin.

Aber worin genau sehen Sie denn das Interesse der Allgemeinheit an der Publikation der Freispruchgründe?

Fazit für mich: Nur wenn beide Hauptbetroffenen auf ihr Persönlichkeitsrecht insoweit verzichteten, das Urteil also quasi selbst (unter Schwärzung der Zeugennamen) veröffentlichten, dürfte das Gericht dagegen nichts mehr einzuwenden haben.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Fazit für mich: Nur wenn beide Hauptbetroffenen auf ihr Persönlichkeitsrecht insoweit verzichteten, das Urteil also quasi selbst (unter Schwärzung der Zeugennamen) veröffentlichten, dürfte das Gericht dagegen nichts mehr einzuwenden haben.

 

Das ist nicht 100 %-ig korrekt formuliert, kein Mensch kann auf seine Persönlichkeitsrechte wirksam verzichten, allenfalls auf deren Geltendmachung. Das gilt insbesondere für die durch Art. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechte.

Wenn Kachelmann, CSD und alle Leumundszeuginnen sich mit der Veröffentlichung der Urteilsgründe bzw. deren Herausgabe an nicht vertrauenswürdige Interessenten einverstanden erklären würden, würden sie sich damit ihrer Persönlichkeitsrechte als solcher begeben, weil der Missbrauch durch den Internetmob in diesem speziellen Fall vorprogrammiert ist. Das darf das Gericht nach meiner Auffassung auch mit Einverständnis aller Betroffenen nicht begünstigen. 

 

Siehe auch:

 

http://grundgesetzaktiv.de/phpBB3/viewtopic.php?f=21&t=636&start=5260

Sehr geehrter Herr  Müller :

 

Mich interessiert konkret Ihre  Meinung als  Hochschullehrer  wie als  Privatmann mit ggf. wissenschaftlichen Interessen , ob  sie denn zustimmen können , wenn  z. B. ich als  Arzt ein fachbezogenes interesse  hätte, das Urteil  " ad usum proprium " studieren zu können , um mich mit dem Inhalt der verschiedenen Gutachten und ihrem bezug zu konkreten Fall    ausführlich befassen zu können .

 

Ich war bei zig Gutachtenerstellungen persönlich zugegen und habe  sicherlich über 1 000  fach - psychiatrischer und fach - psychologischer Gutachten  sowie  rechtsmedizinischer  Gutachten lesen und  auch auswerten zu können . 

 

Im  Rahmen Ihrer  Vorlesungen, vor allem aber Seminare   oder Betreuungen von Dissertationen oder Habilitationen spielen  Gutachten und  Urteile  sicherlich eine  erhebliche  Rolle  .   Wie  handhaben Sie  hier Urteile .   Im Zentrum auch des   " Falles  Kachelmann " steht auch die Frage, welche  ggf. überlegen Forschungsmittel der Gutachter X gegenüber dem Gutachter Y hat, um zu einem bestmöglichen  und wissenschaftlich begründeten Ergebnis  zu kommen . 

 

Mit besten Grüssen ,

 

Frank   G.    Bechyna

bechyna_arzt@gmx.com

 Telefon : 0211  / 1783xxxx

Mobilfunk : 0162 453xxxx

D - 40235  Düsseldorf

 

 

 

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Sehr geehrter Herr Bechyna,

eine Weitergabe einer Urteilsabschrift für einen bestimmten wissenschaftlichen Zweck ist etwas völlig anderes als eine Veröffentlichung. Ob dieser Zweck gegeben ist, wird bei entspr. Antrag entschieden. Im Urteil, zumal bei eienm freisprechenden, werden aber regelmäßig nicht die Gutachten vollständig wiedergegeben, so dass Ihr Begehren, sich mit dem Inhalt der verschiedenen Gutachten zu befassen, dadurch nicht  erfüllt wird.

 

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

Interessant, wenn man nunmehr die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des OLG nebeneinanderstellt.

Das OLG hat ja nunmehr (zivilrechtlich) festgestellt:

Die Kammer sei davon überzeugt, dass sie ihn "vorsätzlich, wahrheitswidrig der Vergewaltigung bezichtigte", hieß es in der Urteilsbegründung.

Das Bundesverfassungsgericht hat hingegen festgestellt:

Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen. Nach dem Freispruch des Klägers stellen sich deshalb die verschiedenen Wahrnehmungen als subjektive Bewertungen eines nicht aufklärbaren Geschehens dar, die nicht als Tatsachenbehauptungen, sondern als Meinungen zu behandeln sind.

Gilt das jetzt immer noch? Die Grundlagen haben sich ja nunmehr geändert. Strafrechtlich gibt es ja keinen Freispruch erster oder zweiter Klasse. Im damaligen Verfahren konnte nur der Freispruch des Angeklagten erfolgen, nicht jedoch die Schuld (Falschbeschuldigung) der Frau. Hinweise auf eine mögliche Falschbeschuldigung gab es auch damals schon. Zivilrechtlich ist das jetzt geklärt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war insofern verfrüht, die Aussagen zudem grober Unfug.

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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war insofern verfrüht, die Aussagen zudem grober Unfug.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht "verfrüht" entschieden. Es hat dann entschieden, als seine Entscheidung gefragt war. Seine Entscheidung ist auch kein "grober Unfug". Dass ein Strafgericht einen Sachverhalt anders bewertet als ein Zivilgericht, ist nichts besonderes. Letztlich gehört schon eine gehörige Portion Unwissenheit, Überheblichkeit und Frechheit dazu, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht als "groben Unfug" zu bezeichnen. Das schlägt auf den Autor zurück.

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Pressemitteilung

Mit einem heute verkündeten Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) die beklagte Ex-Geliebte des bekannten Wettermoderators K. verurteilt, Schadenersatz für Kosten zu leisten, die K. dadurch entstanden sind, dass er aufgrund eines von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwurfs in Untersuchungshaft genommen wurde.

Zum Hintergrund

Die Beklagte hatte K. am 9.2.2010 mit der Behauptung angezeigt, sie am Tag zuvor in ihrer Wohnung vergewaltigt zu haben, indem er ihr ein Küchenmesser an den Hals gedrückt und unter Todesdrohungen zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Infolgedessen erließ das Amtsgericht Mannheim Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen K., der hierauf am 20.3.2010 auf der Rückreise aus Kanada am Frankfurter Flughafen festgenommen wurde. Auf die Haftbeschwerde K.s hob das OLG Karlsruhe den Haftbefehl am 29.7.2010 auf. Bis dahin hatte sich K. knapp vier Monate in Untersuchungshaft befunden. In dem anschließenden Strafverfahren vor dem Landgericht Mannheim wurde K. im Mai 2011 freigesprochen, weil die von der Beklagten behauptete Vergewaltigung nicht bewiesen werden konnte.

Mit der vorliegenden Klage fordert K. von der Beklagten Ausgleich eines Teils des Schadens, der ihm durch die Untersuchungshaft entstanden ist. K. macht geltend, dass er zur Verteidigung im Haftbeschwerdeverfahren mehrere Sachverständige habe beauftragen müssen, um die Glaubwürdigkeit der Beklagten sowie die von ihr vorgezeigten Verletzungen zu entkräften. Insoweit hat K. mit der Klage zunächst Kostenerstattung in Höhe von rund 13.400 € verlangt. In der Berufung hat er die Klage bis auf rund 7.100 € zurückgenommen.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts

Das zunächst angerufene Landgericht Frankfurt am Main wies die Klage durch Urteil vom 23.12.2013 ab. Zur Begründung führte es aus, zwar sei K. durch die Anzeigen der Beklagten in Untersuchungshaft genommen worden - die Beklagte habe ihn also der Freiheit beraubt, indem sie staatliche Organe zum amtlichen Eingreifen veranlasst habe. Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch wegen Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft sei jedoch, dass es sich um eine wahrheitswidrige Anzeige gehandelt habe. Der Beklagten könnte aber nicht vorgeworfen werden, dass sie K. vorsätzlich wahrheitswidrig einer Vergewaltigung bezichtigt habe mit dem Ziel, diesen seiner Freiheit zu berauben. Es sei möglich, dass die Beklagte durch „nicht-intentionale Verfälschungs- und Verzerrungseffekte" subjektiv der festen Überzeugung gewesen sei, Opfer einer Vergewaltigung gewesen zu sein, obwohl dies objektiv nicht der Fall war.

Das Berufungsverfahren und die Entscheidung des OLG

Gegen die Klageabweisung hat K. Berufung zum OLG eingelegt. Das OLG hat eine Beweisaufnahme durch Einholung eines rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens angeordnet, insbesondere zu der Frage, ob sich die Beklagte die im Zuge der Strafanzeige festgestellten Verletzungen selbst zugefügt haben kann.

Mit dem heutigen Urteil hat das OLG die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und K. den begehrten Schadenersatz zugesprochen, soweit er die Klage nicht zurückgenommen hat. Zur Begründung führt das OLG aus:

Die Beklagte habe sich gegenüber K. schadenersatzpflichtig gemacht, weil sie wissentlich eine unwahre Strafanzeige erstattet und so - wie von ihr beabsichtigt - die Anordnung der Untersuchungshaft gegen K. herbeigeführt habe. Hierdurch habe sich die Beklagte der Freiheitsberaubung schuldig gemacht. Die erlittene Freiheitsentziehung beruhe zwar unmittelbar auf dem Haftbefehl; die Beklagte müsse sich jedoch das staatliche Handeln im Wege der mittelbaren Täterschaft zurechnen lassen, da sie die Ermittlungsbehörden durch die wahrheitswidrige Anzeige und falsche Aussagen vorsätzlich getäuscht habe. Die Überzeugung, dass die Beklagte K. vorsätzlich der Wahrheit zuwider der Vergewaltigung bezichtigt habe, gründe sich auf das Ergebnis der in der Berufung durchgeführten Beweisaufnahme. Hiernach habe sich die Behauptung K.s bestätigt, die Beklagte habe sich die festgestellten Verletzungen selbst zugefügt.

So spreche das Verletzungsbild in der Gesamtschau und unter Berücksichtigung der Schilderungen der Beklagten nach den Feststellungen des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt am Main für eine Selbstbeibringung. Bedeutsam sei ferner, dass die Schilderungen der Beklagten zum angeblichen Vergewaltigungsgeschehen nicht mit den Verletzungen in Übereinstimmung zu bringen seien und ihre Aussagen für sich genommen erhebliche Plausibilitätsdefizite aufwiesen. Zudem habe die Beklagte im Ermittlungsverfahren unstreitig teilweise falsch ausgesagt.

Die Beklagte habe auch mit direktem Vorsatz gehandelt. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass es ihr gerade darauf angekommen sie, die Verhaftung des K. herbeizuführen.

Für ausgeschlossen hielt das OLG, dass bei der Beklagten eine "Autosuggestion" vorlag, die dazu geführt habe, dass sie nur glaubte, vergewaltigt worden zu sein. Die entsprechende Annahme des Landgerichts sei nicht nur spekulativ, sondern nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach sich die Beklagte die Verletzungen selbst zufügte, auch widerlegt.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 28.9.2016, Aktenzeichen 18 U 5/14

(vorgehend LG Frankfurt am Main, Urteil vom 23.12.2013, Aktenzeichen 2-18 O 198/12)

Hintergrundinformation

Das Zivilgericht ist grundsätzlich nicht an Feststellungen aus rechtkräftigen Strafurteilen gebunden. Die im Strafprozess getroffenen Feststellungen können allenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Zivilgerichts berücksichtigt werden, sofern sich eine Partei auf das Strafurteil beruft. Das Zivilgericht darf die Feststellungen jedoch nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss sie einer eigenen kritischen Prüfung innerhalb der Beweiswürdigung unterziehen.

https://olg-frankfurt-justiz.hessen.de/irj/OLG_Frankfurt_am_Main_Interne...

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Das Bundesverfassungsgericht hat formuliert:

"Im Strafverfahren konnte nicht geklärt werden, ob die Angaben der Beschwerdeführerin oder die des Klägers der Wahrheit entsprechen".

Das ist zwar zutreffend, aber es ist auch nicht Aufgabe des Strafverfahrens, die Nebenklägerin der Lüge zu überführen.

Diese Frage konnte eben erst das Zivilverfahren klären. Ich gehe davon aus, dass nunmehr die "Meinungsfreiheit" der lügnerischen Frau in dieser Angelegenheit eben doch etwas beschnitten werden muss (was zukünftige und auch vergangene Interviews angeht), auch wenn sie vom Bundesverfassungsgericht scheinbar einen Freifahrschein bekommen hat. Denn die Entscheidung des BVerfG ist nunmehr überholt.

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Fischer macht sich völlig zu Recht lustig über die inhaltsleere und verschwurbelte Feigheit der Mainzer Staatsanwaltschaft.

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