Neues zu Benzodiazepinen (Valium & Co.)

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 12.09.2011

Benzodiazepine, umgangssprachlich auch Benzos genannt, sind Wirkstoffe mit sedativen, hypnotischen und muskelrelaxierenden Eigenschaften. Im medizinischen Bereich werden sie z.B. zur Behandlung von Angsterscheinungen, Schlafstörungen und Panikattacken eingesetzt. Die regelmäßige Einnahme von Benzodiazepinen kann zu einer Sucht führen. Das wohl bekannteste Medikament der Benzodiazepin-Reihe ist das Valium mit dem Wirkstoff Diazepam.

Viele Benzodiazepine sind in den Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt (z.B. Diazepam, Lorazepam oder Oxazepam), so dass der Umgang hiermit grundsätzlich nach dem BtMG strafbar ist. Hiervon hat der Gesetzgeber aber wieder eine Ausnahme gemacht: Einige in Anl. III genannte Benzodiazepine unterliegen als sog. ausgenommene Zubereitungen nicht dem BtMG. Erkennbar wird dies durch einen Zusatz nach den entsprechenden Positionen in Anl. III. Diazepam z.B. ist ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 1 vom Hundert als Sirup oder Tropflösung, jedoch nicht mehr als 250 mg je Packungseinheit, oder je abgeteilte Form bis zu 10 mg Diazepam enthalten.

So weit, so gut, könnte man meinen. Aber weit gefehlt, denn am Beispiel der Benzodiazepine zeigen sich wieder einmal die Tücken des Betäubungsmittelrechts. Gerade hier gilt: keine Ausnahme ohne Ausnahme!

Nach dem letzten Spiegelstrich in Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG unterfallen nämlich die eigentlich ausgenommenen Zubereitungen dann wieder dem BtMG, wenn sie aus dem Ausland eingeführt oder durchgeführt oder aus der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt werden. Werden also ausgenommene Benzodiazepine ohne Erlaubnis über die deutsche Hoheitsgrenze ins Ausland verbracht oder umgekehrt, erfüllt dies den Vergehenstatbestand des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG. Bei der Einfuhr großer Mengen kommt sogar der Verbrechenstatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter 2 Jahren in Betracht. Darauf hat der BGH in seinem Beschluss vom 2.11.2010 hingewiesen und die Grenze der nicht geringen Menge wie folgt festgelegt (BGH NStZ-RR 2011, 119): Diazepam 2.400 mg, Alprazolam 240 mg, Clonazepam 480 mg, Lorazepam 480 mg, Lormetazepam 360 mg, Midazolam 1.800 mg, Oxazepam 7.200 mg, Temazepam 4.800 mg, Tetrazepam 4.800 mg und Triazolam 120 mg.

Diese Entscheidung kritisiert Rechtsanwalt Kotz in einem aktuellen Beitrag in der NStZ 2011, 461. Er meint, eine Strafbarkeit der Ein- bzw. Auffuhr von ausgenommenen Zubereitungen könne nicht auf der genannten Regelung in Anl. III zu § 1 Abs. 1 BtMG beruhen, da diese nicht im „normalen“ Gesetzgebungsverfahren, sondern nur durch eine Rechtsverordnung eingeführt worden sei. Hierin liege eine Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG. Laut Rechtsanwalt Kotz haben die Verteidiger in dem vom BGH entschiedenen Fall das BVerfG angerufen, um genau diese Frage beantworten zu lassen.

Mal schauen, wie Karlsruhe die Sache sieht…

 

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3 Kommentare

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Gibt es in dieser Sache schon Neuigkeiten bzw. weiter führende Links bzw. Erkenntnisse aus Karlsruhe ?

 

Denn es ist schon ziemlich kurios, dass Zubereitungen die nicht unters BtMG fallen, durch bloße Einfuhr dann aber wieder dem BtMG unterstellt werden.

Die Ware ist doch die gleiche.

 

Heisst doch nichts anderes, als wer sich im Inland dieser Zubereitungen verschafft ist fein raus, weil er nicht gegen das BtMG verstösst, kauft er diese im Ausland und führt sie ein, mach er sich aber eines Vergehens gemäß BtmG schuldig. Hier wird ein nahezu identischer Sachverhalt mit zwei völlig verschiedenen Maßstäben gemessen, denn unterm Strich sollte es doch egal sein ob die Ware eingeführt oder im Innland erworben wurde.

Aus meiner Sicht verstößt das neben den Bedenken mit § 103 GG Abs. 2 auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz.

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@Chloroform:

 

Ich habe mich bei Herrn Rechtsanwalt Kotz erkundigt. Er teilte mir mit, dass die Verfassungsbeschwerden - ohne Begründung - nicht zur Entscheidung angenommen worden seien (Beschl. v. 28.03.2012, 2 BvR 367/11 u.a.).

Vielen Dank für ihren sehr hilfreichen Artikel. 

Könnten Sie bitte kurz benennen, ob eine Einfuhr von einer Packung Diazepam (28 x 2mg) ohne Mitführung des Rezepts aus England nach Deutschland bereits gegen das BtMG verstößt? 

Grundsätzlich ein ausgenommenes Arzneimittel, aber auf Basis der von ihnen genannten Punkte wäre auch diese Packungsgröße nicht legal ohne Rezept in Deutschland einzuführen. 

Mit freundlichem Gruß

Ingrid Drutjens

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