Karlsruher Leseschwäche

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 12.09.2011
Rechtsgebiete: BVerfGelterliche SorgemyopsFamilienrecht6|5561 Aufrufe

 

Unter dieser Überschrift geht Volker Rieble in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift myops mit den Richtern des Bundesverfassungsgerichts hart ins Gericht.

 

Bereits hier hatte ich den Fall geschildert: Das OLG Frankfurt hatte angeordnet, dass die Mutter eine für das Kind begonnene Psychotherapie fortsetzen solle. Das BVerfG hat den Frankfurter Beschluss falsch verstanden/nicht oder nicht richtig gelesen, ihn jedenfalls mit der Begründung aufgehoben, die Anordnung an die Mutter die eigene Psychotherapie fortzusetzen, sei verfassungswidrig.

 

Rieble meint, die Karlsruher Kammer mit den Richtern Hohmann-Dennhardt, (früher übrigens pikanterweise mal hessische Justizministerin) Gaier und Paulus hat grandios versagt – ein  Fall von High Damage.

 

Meine damalige ironische Anmerkung, dass ich schwarz  für die weitere Karriere des HiWi sehe, der am BVerfG zuständig war, kommentiert Rieble mit den Worten:

Für die Karriere der verantwortlichen Bundesverfassungsrichter braucht man in der Tat nichts zu befürchten. Bezeichnend aber ist, daß diejenigen Richter-„Autoren“, die den Karlsruher Kammerbeschluß durch ihre Unterschrift verantworten, für ihre Leseschwäche kaum kritisiert werden. Der Mitarbeiter ist schuld. Das nun ist ein geläufiges Muster aus Plagiatsdiskussionen: Der Assistent war´s gewesen. Doch wie dort kann der Verweis auf „blindübernommene Entwürfe nichts an der Verantwortung derjenigen ändern, die unterschreiben, die mit ihrer Autorität den Text autorisieren.

 

Außerdem in der neuen myops unter anderem:

Stefan Tischler zu Goldhasen (siehe Abbildung) und ein grandioser Verriss der Bücher von v. Schirachs durch Peter Derleder

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6 Kommentare

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Peinlich für das BVerfG. Aber auch dort arbeiten nur Menschen. Wie zahlreiche das BVerfG aufhebende Entscheidungen des EGMR zeigen, ist man dort auch nicht frei von Fehlern.  Und auch ablehnende Entscheidungen des BVerfG sind oftmals von offenkundigen Mißverständnissen geprägt.

 

Nun sollten die Senatsmitglieder des OLG Frankfurt sich aber nicht künstlich aufregen. Das Oberlandesgericht Frankfurt, einschließlich der Familiensenate, ist vom BVerfG schon des öfteren und völlig zurecht aufgehoben worden. Und wie häufig mißverstehen die Mitglieder des hohen Senats amtsgerichtliche Entscheidungen oder Beschwerdeschriften der Parteien falsch?

 

Und apropos Mißgriff. Ein anderer Senat des OLG, den ich hier nicht nennen möchte, stellte mir neulich eine Entscheidung zu, die einen ganzen Absatz voller Rechtsprechungsnachweise enthielt. Die Überprüfung ergab: keine einzige Entscheidung hatte etwas mit dem Problem zu tun. Als ich das gegenüber dem Senat beanstandete, rief mich der Berichterstatter kleinlaut an und sagte, diesen Blocksatz mit den Rechtsprechungsnachweisen verwende man schon seit Jahren. Bislang habe niemand, einschließlich der Senatsmitglieder, gemerkt, daß die zitierten Entscheidungen sich mit einem anderen Problem befassen. In der Sache halte man selbstverständlich an der Entscheidung fest...

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Nein, aber Frau Menz und Herr Grabowski; letzterer fühlte sich ja im Ausgangstopic betroffen, daß der blaue Himmel sich (zu Unrecht) über dem Senat getrübt hat.  Schadet so einem OLG-Senat in meinen Augen aber nicht, wenn er 'mal sieht, wie es ist, von einer Fehlentscheidung betroffen zu sein. "Die Gegenvorstellung gibt keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung", möchte man noch hinterherrufen... :-)  So etwas muß man sportlich nehmen.  Es ergeht ja den unteren Instanzen, Parteien und Anwälten regelmäßig nicht besser.

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Wenn die Beschwerdeführerin, ihre beiden Verfahrensbevollmächtigten, der Vorprüfungsausschuß des BVerfG (den gibt es auch noch), das äußerungsberechtigte Land Hessen, der zuständige wissenschaftliche Mitarbeiter und die Richter der 2. Kammer des 1. Senats des BVerfG die Entscheidung des OLG allesamt dahingehend mißverstehen, daß der Mutter die Auflage erteilt worden sei, eine Psychotherapie fortzusetzen, hat das OLG eine der wichtigsten Aufgaben einer richterlichen Entscheidung, nämlich diese nachvollziehbar und verständlich zu formulieren, offensichtlich verfehlt.  

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@ Doc Torhüter

Im Tenor der Frankfurter Entscheidung heißt es.

Bezüglich Al wird der Kindesmutter die Auflage erteilt, die bereits begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt - in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten - als erforderlich ansieht.

Die Begründung schließt mit den Worten:

Die Auflage bezüglich Al war auf Antrag von Jugendamt und Verfahrenspflegerin zu verhängen, um zum Wohle des Mädchens zu gewährleisten, dass die bereits begonnene Therapie fortgesetzt wird. Das erscheint auf Grund der Vorfälle der letzten zwei Jahre und wegen der eingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter als erforderlich.

Die Verfahrensakte einschließlich den Berichten des JA und des Verfahrenspflegers lag dem BVerfG vor. 

Täglich werden zahllose Gerichtsentscheidungen von den oberen Instanzen nur deshalb aufgehoben, weil der Tenor mißverständlich, unvollständig oder falsch ist. Auf die Entscheidungsgründe und den Akteninhalt kommt es dann nicht an. Zumal uns die Rechtsprechung in revisionsähnlich ausgestalteten Verfahren (z.B. Rechtsbeschwerde, Anträge nach §§ 23 ff. EGGVG, etc.) lehrt, daß das richterliche Auge keinesfalls in die Akte blicken darf (es sei denn, man möchte dort im "Freibeweis" etwas finden, was gegen die Zulässigkeit oder Begründetheit des Rechtsmittels spricht).

 

Der Tenor der Entscheidung des OLG Frankfurt ist zumindest mißverständlich.

 

An anwaltliche Anträge werden ebenfalls strenge Anforderungen gestellt. Wenn meine Anträge durch alle Instanzen zurückgewiesen werden, habe ich auch mitunter den Eindruck, die damit befaßten Richter können nicht lesen oder wollen die Anträge absichtlich mißverstehen. Da die Annahme einer instanzübergreifenden kollektiven Rechtsbeugung aber eher fernliegend ist, muß ich mich in diesen Fällen selbstkritisch fragen, was ich falsch gemacht habe, daß niemand verstanden hat, worauf ich hinaus wollte, obgleich sich aus meiner Sicht doch alles aus der Antragsbegründung und den Anlagen ergab.

 

Da auch hier eine kollektive Lese- und Verständnisschwäche aller am Verfassungsbeschwerdeverfahren Beteiligten fern liegt (und das waren nicht wenige Juristen),  muß sich das OLG fragen, was es falsch gemacht hat, daß es zu diesem Mißverständnis kommen konnte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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