Erfolgreiche Bekämpfung der Internetkriminalität durch Zentralisierung in der Justiz

von Jan Spoenle, veröffentlicht am 12.09.2011

Die Meldung selbst ist zwar schon ein paar Tage alt, dadurch aber nicht weniger interessant: Das Hessische Justizministerium hat Bilanz gezogen und die Gelegenheit genutzt, seine Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität - die staatsanwaltschaftliche Sondereinheit ZIT - im Detail vorzustellen. Die mit sechs Fallbeispielen gespickte Pressemitteilung wird für Cybercrime-Interessierte zur Lektüre empfohlen.

Als Fazit loben die Hessen die erfolgreiche Arbeit der ZIT und freuen sich über Nachahmer in anderen Bundesländern. Letzteres ist vor dem Hintergrund interessant, dass entsprechende Zuständigkeitskonzentrationen auf staatsanwaltschaftlicher Ebene bereits seit einigen Jahren diskutiert, aber auf Bundesebene bislang abgelehnt wurden. So sagte mir etwa eine Vertreterin des BMJ vor 10 Monaten auf einer Konferenz in London, Schwerpunktstaatsanwaltschaften zum Thema Cybercrime bzw. entsprechende Spezialeinheiten seien nach Auffassung des BMJ nicht zielführend. Es gehe eher darum, nach und nach alle Staatsanwälte fit zu machen für Grundbegriffe der Netzkriminalität. 

Dagegen spricht aus meiner Sicht das für erfolgreiche und zugleich verhältnismäßige (!) Ermittlungen notwendige immense technische Know-How, das selbst jüngere und mit der Funktionsweise des Internets vertraute Staatsanwälte nicht en passant erwerben und sich erhalten können. Man darf gespannt sein, ob die Einrichtung staatsanwaltschaftlicher Spezialstellen weiter um sich greift.

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8 Kommentare

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Sollte es, in Zeiten in denen Englisch zur zweiten täglichen Gebrauchssprache geworden ist, nicht selbstverständlich sein mal ins Wörterbuch zu schauen, bevor man neue Institutionen benennt?

 

ZIT heißt "Eiterpickel". Ein allenfalls aus Kriminellensicht angemessener Name für so eine Einheit.

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Mir ist die ZIT durch Presseartikel aufgefallen:
http://www.sueddeutsche.de/politik/kinderpornografie-ermittler-das-zeug-...
Offenbar haben Tatverdächtigen, 90 Jahre nach dem Rest der Welt, nun den Tonfilm für sich entdeckt! Zitat der SZ: "Dazu die neue Technik: Die Videos sind jetzt mit Ton".

http://www.bild.de/regional/frankfurt/staatsanwalt/sie-ueberfuehrten-200...
"Seit ihrer Gründung vor 20 Monaten überführte die „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität“ (ZIT) bereits 2000 Sex-Täter!"

Im BILD-Artikel selbst ist nur von zwei Fällen die Rede: 1. dass sie nach Berlin gereist sind obwohl sie nicht zuständig sind, und 2. dass sie den "Babyschänder mit den Pianistenhänden" noch nicht haben, aber "ein paar Mal dachten, ganz kurz davor zu stehen".

Auch die Pressemitteilung vom "Generalstaatsanwalt" ist merkwürdig. Die ZIT besteht lediglich aus drei Leuten mit mächtigen Titeln (ein "Leitenden Oberstaatsanwalt" und zwei "Oberstaatsanwälten") und einem Gast (das wäre dann wohl der einzige nur-"Staatsanwalt"), und zwei Sekretariatstellen. Also eine Abteilung in der 50% Vorgesetzte sind?!

Zu "Erpressung mittels DDoS-Attacken" wird in der PM verkündet dass ganz viel durchsucht wurde, aber die Auswertung andauert. Zu "Missbrauch von Online-Banking" wird lediglich erklärt was ZeuS ist, was man aber auch in IT-Pressediensten wie z.B. heise.de lesen kann. Beim "Manatee" Fall haben sie jemand erwischt, der aber schon wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde - offenbar war schlicht von irgendjemand damals vergessen worden seinerzeit den Videorecorder des Täters anzuschauen (bzw. das Ganze wegen §154 StPO kein Thema). Bei "Scareware" steht lediglich was eh aus IT-Pressediensten bekannt ist, und dass ganz viel ermittelt und durchsucht wurde, aber... die Auswertung andauert. Dann folgt schliesslich (endlich!) ein Verfahren was tatsächlich erfolgreich erledigt wurde. Und zum Schluss ein Verfahren, wofür die ZIT nicht zuständig war, und deshalb "nach Bielefeld" abgegeben wurde.

 

Über das leidige Thema "Abofallen" steht gar nichts.

Die Überschrift der PM "Die Sondereinheit der Staatsanwaltschaft ist erfolgreich" halte ich für sehr optimistisch. Die Sondereinheit sollte lieber mal intensiver "auswerten" anstelle an PR in eigener Sache zu arbeiten. Denn wünschen würde ich mir schon, dass die Kriminalität im Internet aufhört.

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Schon interessant.

Seit der Justizminister kein Jurist mehr ist (sondern Chemiker), wird Hessen zum juristischen Vorreiter. Nicht nur beim ZIT, sondern auch bei den Fußfesseln.

Nur ausgesprochene Computerfreaks können das Knowhow besitzen, das nötig ist um Internetbetrüger zumindest ebenbürtig zu sein. Es ist ausgesprochen naiv zu glauben ein bisschen Unterricht würde reichen, um dem gleichzuziehen.

Meine Nichten haben Abiabschlüsse mit Traumnoten und sehen im PC-Bereich trotzdem keine Chancen, mit den gleichaltrigen PC-Freaks mithalten zu können. 

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Ups - lesen müsste man können.

Was genau unterscheidet denn das "Spezialwissen" der Oberstaatsanwälte von dem der normalen Staatsanwälten ?

Irgendwie habe ich mir das ganz anderst vorgestellt.

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Würde mich auch interessieren worin das Spezialwissen besteht.

Im Zeitalter des Bachelors, sollte ein IT-Staatsanwalt z.B. auch einen Bachelor in Informatik haben.

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Gewisse Grundkenntnisse sind bei Staatsanwälten, die mit Computer- und Internetkriminalität befasst sind, sicher erforderlich. Das bisweilen anzutreffende technische Unverständnis macht die Zusammenarbeit für beteiligte Spezialisten sonst zur Qual. Verfahren scheitern auch regelmäßig an falsch angeordneten bzw. beantragten Maßnahmen oder ihrer unsachgemäßen Durchführung.

"Richtige" IT-Spezialisierung wäre bei Staatsanwaltschaften aber fehlplatziert.

Zunächst bringen auch ein klassisches Informatikstudium oder die typischen Zertifizierungen (meist MSCE, etwa im Gegensatz zu EnCE oder OSCE) nicht das erforderliche forensische und IT-sicherheitliche Spezialwissen ein. Mit Implementierung oder Administration hat die Ermittlung an digitalen Beweismitteln nichts zu tun.

Dazu sind Experten mit der entsprechenden Praxis erforderlich und daran hapert es in Hessen genauso wie sonst in Deutschland. Im Bereich der digitalen Alltagskriminalität stehen keine Mittel für eine qualifizierte Auswertung zur Verfügung. Wenn die Sachen nicht in der Asservatenkammer vergammeln, basteln in der Regel Polizisten daran herum. Schon Kriminaler, die man mal auf einer Wochenendschulung eines Softwareherstellers getroffen hat und für die das die einzige qualifizierende Veranstaltung war, tauchen in den Medien als "IT-Spezialisten" eines LKA auf.
An der finanziellen Misere können auch Sondereinheiten von "IT-Staatsanwälten" nichts ändern.

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@Susi: Wie Richard bin ich keineswegs der Ansicht, Staatsanwälte bräuchten ein Informatik-Studium, um Cyberkriminellen auf den Fersen zu bleiben. Man muss in der Praxis sehen, dass die eigentliche Ermittlungsarbeit und insbesondere das Handhaben und Auswerten digitaler Beweismittel i.d.R. von Polizeibeamten in Angriff genommen wird. Dort allerdings sollten dann tatsächlich auch entsprechend geschulte Beamte, evt. sogar eigens dafür angestellte Informatiker zum Personalbestand zählen. Meines Wissens ist das in Baden-Württemberg und Bayern relativ weit und gut gediehen, dort wird viel in die Aus- und Fortbildung der speziell für die sog. IuK-Kriminalität eingesetzten Beamten investiert. Für die anderen Bundesländer kann ich mangels Erfahrungen nicht sprechen. Mir ist aber bekannt, dass gerade die Auswertung von Asservaten in manchen Ländern mitunter unerträglich lange dauert, weil zu wenige Ressourcen vorhanden sind.

Für Staatsanwälte ist es in der Tat eher wichtig, für die juristische Bewertung der ermittelten und noch zu ermittelnden Sachverhalte die nötigen technischen (Grund-)Kenntnisse zu haben; dazu ist nicht erforderlich, dass man programmieren oder Codezeilen lesen kann. Die u.U. fatalen Folgen eines fehlerhaften Zeit-/Datum-Stempels zu einer IP-Adresse sollte man aber bspw. ohne weiteres erkennen können ... Entsprechende Schulungsangebote werden von Institutionen wie dem Europarat oder aber auch der Europäischen Rechtsakademie bereits seit Jahren erstellt und fortentwickelt.

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