Altweibersommer

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 11.09.2011
Rechtsgebiete: Familienrecht1|5302 Aufrufe

Die im Jahre 1911 geborene Kl. wehrt sich seit einigen Jahren dagegen, daß in den im Radio sowie im Fernsehen ausgestrahlten Wetterberichten die im Spätsommer bzw. frühen Herbst oft herrschende Schönwetterperiode als “Altweibersommer” bezeichnet wird. Die Kl., deren Anliegen hier ist, die Diskriminierung der Frauen durch die Sprache zu beseitigen, fühlt sich durch die Verwendung des Begriffs “Altweibersommer” in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und begehrt deshalb, daß der Begriff in den Wetterberichten nicht weiter benutzt wird. Sie fühlt sich zum einen im Hinblick auf ihr Geschlecht diskriminiert, weil das Wort “Weib” schon seit altersher in abfälligem Sinne gebraucht werde, und zum anderen im Hinblick auf ihr Alter, weil mit der Bezeichnung “altes Weib” zum Ausdruck gebracht werde, daß die Betreffende keine richtige Frau mehr sei. 

 

Aus den Gründen des an Weiberfasching verkündeten Urteils des LG Darmstadt (NJW 1990, 1997):

Die Kl. hat gegen die bekl. Bundesrepublik keinen Anspruch darauf, die Verwendung des Begriffes “Altweibersommer” in den vom Deutschen Wetterdienst für die Medien gefertigten Wetterberichten zu unterlassen.

Soweit ihrem Begehren das Anliegen entnommen werden kann, eine Diskriminierung der Frauen durch die Sprache zu beseitigen, wäre eine darauf zielende Klage, weil als sog. Popularklage zu werten, bereits als unzulässig abzuweisen; denn Art. 19 GG eröffnet den Rechtsweg von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen nur bei Verletzung eigener Rechte bzw. der mehrer bestimmter Personen.

Die Klage ist in jedem Fall unbegründet. Stellt man zur Ermittlung des Klagebegehrens auf den Klagevortrag ab, so ergibt sich als Ziel der Kl., daß zukünftig der Begriff “Altweibersommer” in allen von den Medien, insbesondere Radio und Fernsehen, verbreiteten Wetterberichten nicht mehr verwendet wird. Ihr konkreter Klageantrag beschränkt sich indes darauf, daß die Bekl. es unterläßt, in vom Deutschen Wetterdienst für die Medien gefertigten Berichten den Begriff zu verwenden. Somit wäre bei Stattgabe der Klage nach dem konkreten Klageantrag das eigentliche Begehren der Kl. nicht erfüllt; denn es ist davon auszugehen, daß für die sprachliche Fassung der Wettermeldungen die Nachrichtenredaktionen der jeweiligen Sendeanstalten bzw. bei den Live-Moderationen in den “Heute-Nachrichten” im ZDF der jeweils als Moderator auftretende Bedienstete des Deutschen Wetterdienstes verantwortlich sind, die Passivlegitimation der Bekl. insoweit also nicht gegeben wäre. Ein diesbezüglicher Hinweis gem. § 139 ZPO war jedoch nicht veranlaßt, weil die Kl. mit ihrem allein auf das Verhalten der Bekl. beschränkten Klageantrag ebenfalls keinen Erfolg hat.

Die Kl. fühlt sich durch die Bezeichnung der herbstlichen Schönwetterperiode als “Altweibersommer” auch persönlich beleidigt und macht demnach einen eigenen höchstpersönlichen Anspruch auf Abwehr ehrverletzender Angriffe durch das Wetteramt, die sich die bekl. Bundesrepublik zurechnen lassen müßte, geltend (§§ 823 I, 823 II BGB, 185 StGB). Jedoch liegt hier eine Beleidigung der Kl. persönlich schon tatbestandsmäßig nicht vor. Der objektive Tatbestand des § 185 StGB setzt nämlich grundsätzlich einen Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe von Mißachtung voraus und zwar durch Äußerung eines beleidigenden Werturteils gegenüber dem Betroffenen selbst oder über diesen gegenüber einem Dritten bzw. durch ehrenrührige Tatsachenbehauptungen gegenüber dem Betroffenen selbst. Da das Verhalten des Deutschen Wetterdienstes unzweifelhaft keine dieser drei möglichen Begehungsformen in bezug auf die Kl. erfüllt, ist ein direkter Angriff auf ihre Persönlichkeitsrechte nicht gegeben.

Die Kl. kann sich aber auch nicht darauf berufen, als Mitglied der durch die Verwendung des Begriffs “Altweibersommer” in ihrer Gesamtheit angeblich herabgewürdigten Gruppe der älteren Frauen beleidigt zu sein. Denn soweit nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachw. bei Lenckner, in: Schönke-Schröder, StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rdnrn. 7, 8; Schwerdtner, in: MünchKomm. § 12 Rdnrn. 206 ff.) eine Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung auch in der Weise möglich ist, daß mit der Bezeichnung einer bestimmten Personengruppe alle ihre Angehörigen getroffen werden sollen, setzt dies voraus, daß sich die bezeichnete Personengruppe aufgrund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit heraushebt, daß der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt und damit die Zuordnung des einzelnen zu ihr nicht zweifelhaft ist. Zur Abgrenzung als betroffene Gruppe genügt vorliegend das Merkmal “alte Frau” indes ebensowenig, wie die Rechtsprechung (vgl. die Nachw. aaO) dies für die gesellschaftlichen Gruppen der Protestanten, Katholiken oder Akademiker entschieden hat.

Weiterhin muß der Personenkreis zahlenmäßig überschaubar sein, d. h., die ehrenrührige Äußerung darf sich nicht in der Masse verlieren und den einzelnen Betroffenen nicht mehr erreichen. Das trifft angesichts ihrer unbestimmten Zahl auf die Gruppe der ältren Frauen gleichfalls nicht zu, weil es sich dabei nicht um eine homogene Gruppe handelt, der eine Frau ab einem bestimmten Alter zugehörig bzw. zuzurechnen ist.

Die Kl. ist somit in bezug auf die Verwendung des Begriffs “Altweibersommer” in den Wetterberichten des Deutschen Wetterdienstes nicht beleidigungsfähig. Ihre Klage mußte mithin erfolglos bleiben.

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1 Kommentar

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Das klingt ganz nach einer Klage wie bei "Boston Legal". Und Alan Shore hätte diese natürlich auch gewonnen. ;-)

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