Aussage gegen Aussage: Wieviele SVe müssen Zeugenaussage prüfen?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.09.2011

Immer wieder (i.d.R. bei Aussage-gegen-Aussage-Situationen) stellt sich die Frage, ob bei erwachsenen Zeugen ein oder gar mehrere Sachverständige(r) die Zeugaussage prüfen muss/müssen. Damit hat sich der BGH vor kurzem einmal mehr befasst:


Die Rüge wäre jedenfalls unbegründet. Unter den gegebenen Umständen durfte sich das Landgericht die erforderliche eigene Sachkunde zutrauen. Mit Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, dass hier für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Geschädigten und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben die Hinzuziehung der forensisch erfahrenen Psychologin H. ausreichend war. Anhaltspunkte dafür, dass es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit der volljährigen und aus nervenärztlicher Sicht keinen Einschränkungen hinsichtlich ihrer Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit unterliegenden Geschädigten der Begutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen bedurft hätte, bestanden nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 - 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100; BGH, Beschluss vom 17. November 1999 - 3 StR 438/99, NStZ 2000, 214; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 74 mwN; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 6. August 2003 - 2 BvR 1071/03, NJW 2004, 209, 211).  

BGH, Beschluss vom 15.2.2011 -1 StR 19/11 - 

 

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1 Kommentar

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Die Frage müßte richtig lauten: Wieviele Sachverständige müssen die Zeugenaussage prüfen wenn a) ein wohlhabender Angeklagter mit mehreren Wahlverteidigern betroffen ist, b) ein armes Würstchen mit einem Mietrechtler als Pflichtverteidiger auf der Anklagebank sitzt.

 

Antwort zu a): mindestens fünf (siehe nur Kachelmann). Antwort zu b): in der Regel keiner, die eigene Sachkunde des Gerichts genügt.  Die oftmals tragischen Ergebnisse sind bekannt. "Erkaufte" Freisprüche durch Wohlhabende, unschuldig Verurteilte auf der anderen Seite (siehe den jüngsten Wiederaufnahmeprozeß am LG Kassel, wegen Vergewaltigung verurteilter Lehrer).

 

Das ist jetzt natürlich etwas überspitzt dargestellt. Aber die Erfahrung lehrt: sitze ich mit einem mittellosen Angeklagten vor Gericht, dem ich als Pflichtverteidiger beiordnet bin, verpuffen in der Mehrzahl der Fälle alle Anträge auf Einholung eines Glaubhaftigkeits-/Glaubwürdigkeitsgutachten, seien sie auch noch zu gut begründet und mit entsprechender Rechtsprechung unterfüttert.  Das Gericht traut sich eigene Sachkunde zu und der Angeklagte ist in der Regel geliefert.

 

Ist der Angeklagte hingegen finanziell in der Lage, ein ihn entlastendes bzw. die Zeugin "belastendes" Privatgutachten eines anerkannten psychiatrischen Sachverständigen beizubringen, sieht das Gericht in der Regel seine eigene Sachkunde als nicht mehr ausreichend an und sich veranlaßt, ein weiteres Gutachten einzuholen. Ergebnis:  die Freispruchwahrscheinlichkeit steigt erheblich.

 

Das ist in meinen Augen Klassenjustiz.

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