Generalverdacht gegen Anwälte gerechtfertigt?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 31.08.2011

Das OLG Düsseldorf hat im Beschluss vom 10.05.2011 -2 W 15/11 - mit drastischen Worten den angeblich systematisch versuchten Betrug zu Lasten der Staatskasse durch die Vereitelung korrekter Streitwertfestsetzung durch das Gericht von bestimmten auf Stundenhonorarbasis arbeitenden Rechtsanwälten bei hohen Streitwerten gerügt. Abgesehen davon, dass das Gericht nur einen Einzelfall zu beurteilen hatte, und die Quellen des Vorwurfs nicht näher dargelegt werden, ist der Verdacht auch nicht plausibel, denn durch eine zu niedrige Streitwertfestsetzung wird sowohl der Anwalt wie auch die erstattungsberechtigte Partei geschädigt.  

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8 Kommentare

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Da alleine das Gericht den Streitwert festsetzt ist die Schelte Unsinn - oder sollen wir Anwälte mal wider für Bockmist des Gerichtes haften?

 
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Zu Ziffer III. des Beschlusses: von straf- und berufsrechtlichen Kenntnissen ist der Senat bislang offenbar unbehelligt geblieben. Vor allem ist nicht ersichtlich, wer oder was einem Zivilsenat die Kompetenz verleiht, straf- und berufsrechtliche Schritte "in Erwägung zu ziehen" und den Parteien sowie deren Prozeßbevollmächtigte hierzu rechtliches Gehör zu gewähren.  Von Belehrungspflichten und Schweigerechten hat das Gericht anscheinend auch nichts gehört.

 

Der Vorwurf ist aber auch in der Sache verfehlt. Denn von einem Betrug im Sinne von § 263 StGB zu Lasten der Landeskasse kann nun wirklich keine Rede sein, wenn man einfach einmal einen StGB-Kommentar zur Hand nimmt und Tatbestandsmerkmal für Tatbestandsmerkmal sauber prüft.

 

Das Gericht hat im übrigen immer tätig zu werden, gleich ob der Streitwert bei 10.000,- Euro oder 30 Mio. Euro liegt. Oder ist der Senat der Auffassung, zur Leistungsverweigerung berechtigt zu sein, bis die Höhe des Streitwertes abschließend und rechtskräftig geklärt ist? Von einer täuschungsbedingten Vermögensverfügung der Staatskasse kann schon keine Rede sein.

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Das Argument, dass man sich selbst auch "schädigen" würde, wenn ein zu niedriger Streitwert angesetzt werde, verfängt in diesem konkreten Fall m.E. nicht, denn aus der Sachverhaltsschilderung geht eindeutig hervor, dass die Kollegen auf Stundenhonorarbasis arbeiten!

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le D:

Wenn Sie die Entscheidung gelesen haben oder sonst mal mit einer Streitwertfestsetzung befasst waren, wissen Sie wohl, dass der Streitwert gelegentlich auch auf Grundlage der  Angaben der Parteien festgesetzt wird. Der Bockmist kam hier eher von den Parteien und wurde von deren Mietmäulern  Anwälten ("wir wissen ja gar nicht, welche Umsätze wir machen"....) so vorgetragen.

 

@D.C.:

Solange nur die rechtliche Würdigung einer Streitwertangabe (z.B: soundsoviel Monatsmieten, brutto oder netto, u.a.) falsch ist, scheidet Betrug sicherlich aus. Wenn es wie hier um falsche Tatsachenangaben geht (und falsch waren schon nach dem eigenen Beschwerdevorbringen  die Angaben zu 5 Millionen die man der 1. Instanz aufgetischt hatte) , eher nicht. Die Frage ist allenfalls, ob das Erwirken eines unrichtigen Streitwertbeschlusses durch falsche Tatsachenbehauptungen eine Vorbereitungshandlung , ein Versuch oder schon eine vollendete Tat ist (Stichwort: Vermögensgefährdung, ein weites Feld...). Da es um die Gerichtskosten geht und also kein weiterer Antrag z.B. wie bei der Kostenfestsetzung erforderlich ist, dürfte mit dem Erlass des Beschlusses Vollendung vorliegen, weil die Justizkasse am Einfordern höherer als der bisher als Vorschuss geleisteten Gebühren gehindert ist.

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@klabauter

 

Ich sehe schon keine täuschungsbedingte Vermögensverfügung. Ein weiteres Problem in meinen Augen: getäuscht wären die streitwertfestsetzenden Richter, geschädigt das Land (nicht: die "Justizkasse"), zwei unterschiedliche Rechtssubjekte aus verschiedenen Staatsgewalten. Wer verfügt denn hier? Das Land? Über die Arbeitskraft seiner Richter, die es solange an der Aufnahme der Arbeit gehindert hätte, wenn es den wahren Streitwert und die sich hieraus errechnenden Gerichtsgebühren gekannt hätte? Oder verfügen die Richter über den Gerichtskostenanspruch des Landes, indem sie die Arbeit aufnehmen, bevor entgegen § 12 Abs. 1 GKG die "wahren" Gerichtskosten gezahlt worden sind?  Das passiert regelmäßig, weil der Streitwert am Beginn eines Prozesses oftmals noch gar nicht absehbar ist.

 

Im übrigen liegt auch keine Täuschung über Tatsachen vor. Die wahren Tatsachen waren ja Gegenstand der Akte und dem Gericht bekannt. Sie beruhten ja gerade auf dem wahren Parteivortrag. Anderenfalls hätte das Gericht den Streitwert nicht anders bemessen können. Die Parteien und ihre Anwälte haben lediglich eine niedrigere Streitwertfestsetzung - trotz gegenteiliger Tatsachen - beantragt. Dem ist das Gericht - zu recht - nur nicht gefolgt.

 

Letztlich liegt es auch völlig neben der Sache, einen solchen Vorwurf in einer zivilrechtlichen Entscheidung zu thematisieren.

 

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Also wenn ich mich recht erinnere, werden von seiten beider Partein bewusst niedrige Streitwerte vorgetragen um am Ende die Gerichtskosten für alle Beteiligten zu senken. (Ich finde da die vom OLG vorgeschlagene Variante einfach mal den Streitwert um ein Vielfaches Überzogen anzusetzen um die Parteien zur Wahrheit zu veranlassen irgendwie charmant)

 

Warum das indessen kein Betrug sein soll erschließt sich nicht.

1. Eine Täuschung durch zu niedrig angesetzte Streitwerte liegt auf der Hand.

2. Die führt unzweifelhaft zu einem Irrtum des Gerichtes.

3. Stellt sich die Frage nach einer Irrtumsbedingten Vermögensverfügung. Die Vermögensverfügung ist jedes Tun, dulden oder unterlassen, dass sich unmittelbar vermögensmindernt auswirkt. Hierbei geht es um die Festsetzung des Stretwertes --> die Bemessung der Anspruchshöhe für die Forderung  (welche zum Vermögen gehört). Durch die Festsetzung (die Verfügungshandlung) wird also ohne jeden Zweischenschritt der Wert der Gerichtskostenforderung gesenkt.

4. Diese Senkung ist ggf schon ein Vermögensschaden.

5. Ein Ursachenzusammenhang liegt ebenfalls vor.

6. Vorsätzlich und in (Dritt-) Bereicherungsabsicht ist das ganze auch begangen.

7. Stellt sich abschließend eigentlich nur die Frage, die klabauter schon angesprochen hat, ob es sich um einen Vorbereitungshandlung/ unmittelbares Ansetzen zum Versuch / Tatvollendung handelt.

 @Denny Crane:

Die Probleme, die Sie mit der Frage der Rechtssubjekte Verfügender/Geschädigter sehen, sehe ich nicht.

Zur Frage täuschungsbedingt Verfügender und durch die Verfügung Geschädigter wird man auf die schöne "Lagertheorie" zurückgreifen können, wobei ein entsprechendes Näheverhältnis aus der Befugnis des Gerichts folgt, über die Grundlage der Gerichtskostenrechnung zu entscheiden. Genau so wie beim Prozessbetrug Verfügender der Richter und Geschädigter die Gegenpartei ist. Und die hat mit dem Richter noch weniger gemeinsam als die Justizkasse.

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@klabauter

 

Anwälten strafbares Verhalten vorwerfen, selbst aber folgenden Satz vom Stapel lassen, finde ich allerdings fragwürdig:

 

"Es bedarf keiner Erläuterung, dass vor diesem Verhalten nicht kapituliert werden darf, weswegen es nicht nur zulässig, sondern im Interesse der gebotenen Durchsetzung des der Landeskasse zustehenden Gebührenanspruchs geradezu notwendig ist, dem in geeigneter Weise zu begegnen. Dies kann dadurch geschehen, dass in Fällen, in denen die Parteien ihre Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, vom Gericht ein Streitwert geschätzt wird, der so hoch ist, dass er die Parteien zuverlässig motiviert, z.B. im Rahmen eines Antrages auf Streitwertkorrektur ihrer Mitwirkungspflicht wahrheitsgemäß nachzukommen."

 

Seit wann darf eine Streitwertschätzung erfolgen, um die Parteien zu irgendetwas zu "motivieren"? Könnte als eine Aufforderung mißverstanden werden, die Streitwertschätzung jenseits der gesetzlichen Grundlage vorzunehmen.

 

Im übrigen hat das OLG Düsseldorf zwischenzeitlich verlauten lassen, daß man nach Eingang der Stellungnahme der Anwälte von straf- und berufsrechtlichen Schritten Abstand genommen habe. Bei näherer Prüfung hat sich der forsch vorgetragene Verdacht wohl doch nicht bestätigt - vermutlich bereits aus materiellrechtlichen Gründen.

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