OLG Bamberg zum Abstandsverstoß: Augenblicksversagen nicht denkbar!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.08.2011

Das OLG Bamberg hat klargestellt, dass die Einlassung des Betroffenen, er habe einen Abstandsverstoß aufgrund so genannten Augenblicksversagens begangen nichts nutzt. Vollkommen richtig, denke ich. Aus der Entscheidung:


Soweit die Tatrichterin ein Augenblicksversagen des Betroffenen angenommen und dieses zur Begründung des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbots herangezogen hat, sind die diesbezüglichen Feststellungen lückenhaft und damit rechtsfehlerhaft; insofern liegt ein Darstellungsmangel des amtsgerichtlichen Urteils vor.

Einem Kraftfahrzeugführer kann eine grobe Pflichtverletzung gemäß § 25 Abs. 1 StVG, § 4 Abs. 1 BKat zwar im Falle des Vorliegens einfacher Fahrlässigkeit u. U. dann nicht vorgeworfen werden, wenn die Grundsätze des sogenannten Augenblicksversagens greifen.

Bei einer Unterschreitung des Mindestabstands ist allerdings wegen der Art des Verstoßes für die Annahme eines Augenblicksversagens regelmäßig kein Raum. So deutet etwa das Unterschreiten des gebotenen Mindestabstandes in Fällen, in denen nach der Tabelle 2 zur BKatV ein Fahrverbot in Betracht zu ziehen ist, nahezu zwingend auf eine auch subjektiv grobe Pflichtverletzung hin (BGHSt 43, 241/249). Das zu nahe Auffahren kann grundsätzlich nicht mit einer momentanen Unaufmerksamkeit erklärt werden (vgl. BayObLG NZV 1991, 320 f.).

Die Tatrichterin begründet das von ihr angenommene Augenblicksversagen - von der inhaltsleeren Formulierung abgesehen, „unter Berücksichtigung aller Umstände“ sei von einem Augenblicksversagen auszugehen - konkret lediglich damit, der Betroffene habe erklärt, dass er zum Tatzeitpunkt unter erheblichem zeitlichem und psychischem Stress gestanden habe, da er unterwegs zu einer Beerdigungsfeier gewesen sei. Alleine diese - von der Tatrichterin im Übrigen auch offenbar nicht hinterfragte und nicht näher erläuterte - Erklärung des Betroffenen kann nicht dazu führen, von einem den Betroffenen entlastenden Augenblicksversagen im Sinne derRechtsprechung der Obergerichte auszugehen. Weder emotionale Belastung noch zeitlicher und psychischer Stress sind geeignet, bei einem Abstandsverstoß nur einfache Fahrlässigkeit anzunehmen (vgl. OLG Frankfurt DAR 2002, 82 f.). Von einem durchschnittlichen Fahrzeugführer ist nämlich zu verlangen, dass er mit einem solchen Mindestmaß an Konzentration fährt, dass es ihm möglich ist, den Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zumindest nicht in solch erheblichem Maße zu unterschreiten, wie im vorliegenden Fall geschehen.

OLG Bamberg: Beschluss vom 10.03.2011 - 2 Ss OWi 1889/10 = BeckRS 2011, 18644

hierzu auch: Fahrverbot in Bußgeldsachen, § 5 Rn. 357

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2 Kommentare

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Für die Frage, ob ein Augenblicksversagen vorliegt, kann wohl kaum darauf abgestellt werden, was von einem Autofahrer "zu verlangen" ist. Zu einer erheblichen Unterschreitung des Sicherheitsabstandes kann es ohne Zutun des Fahrers kommen, wenn das vorausfahrende Fahrzeug abbremst und der Fahrer nicht reagiert. Einen besonderen Grund, weshalb bei Abstandsverstößen ein Augenblicksversagen ausgeschlossen sein soll, nennt das OLG nicht. Woraus das OLG schließt, die Tatrichterin habe die Einlassung des Betroffenen nicht hinterfragt, bleibt ebenfalls offen.

Also, ich sehe das genauso, wie das OLG Bamberg.

Die Abstandsunterschreitung ist ja noch nicht der Abstandsverstoß des § 4 StVO. Hierfür erfordert es ja eine längere Dauer der Abstandsunterschreitung (= Strecke von üblicherweise 250 m). Zudem muss ausgeschlossen sein, dass in diesem Bereich das vorausfahrende Fahrzeug gebremst hat bzw. ein Fahrzeug in den Abstand eingefahren ist und sich erst hierdurch die Abstandsunterschreitung ergibt. 

Wenn genau das aber festgestellt ist, dann gibt es keine momentane Unaufmerksamkeit, die nicht wiederum fahrlässig war. 

Beispiel: "Verpennt" der Fahrzeugführer, dass er bei einer Geschwindigkeit von 180 km/h bis auf 10 m auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren ist ohne dass dieser gebremst hat oider ein anderes Fahrzeug eingeschert ist, so ist das nach 250 m Dauer keine momentane Unaufmerksamkeit iSe Augenblicksversagens mehr. Sehen Sie das anders?

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