Hochzeit mit einer Chinesin: Ein Sicherheitsrisiko?

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 16.08.2011

 

Die Hochzeit mit einer Chinesin begründet für einen in einem Zulieferbetrieb der Bundeswehr beschäftigten Ingenieur kein Sicherheitsrisiko, das seine Arbeitgeberin zur Kündigung berechtigen könnte. Vielmehr verstößt eine solche Kündigung auch in der Probezeit gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und ist daher unwirksam. Das hat das LAG Schleswig-Holstein jetzt entschieden (Urt. vom 22.06.2011 - 3 Sa 95/11).

Erst abgeworben, dann gefeuert

Der Kläger ist 47 Jahre alt, Ingenieur, und war ursprünglich seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei seiner jetzigen Arbeitgeberin eingesetzt. Dieses Unternehmen beliefert u.a. die Bundeswehr. Seit 2007 fuhr er regelmäßig nach China zu seiner dort lebenden heutigen Ehefrau. Sie hat die chinesische Staatsangehörigkeit. Vorher kontaktierte er jedes Mal die Sicherheitsbeauftragte, die zu keinem Zeitpunkt Bedenken äußerte. Ende 2009 bot ihm die Entleiherin eine direkte Festanstellung an. Angesichts der für Dezember 2009 in China geplanten Hochzeit einigten die Parteien sich darauf, das Arbeitsverhältnis am 01.02.2010 beginnen zu lassen. Nur einen Monat später, am 05.03.2010, stellte die Arbeitgeberin den abgeworbenen Ingenieur unvermittelt frei. Er sei, so die Begründung, durch seine Ehefrau und die familiären Beziehungen nach China ein Sicherheitsrisiko. Kurz danach wurde der Arbeitsplatz schon mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer wiederbesetzt. Dem Betriebsrat gelang es in der Folgezeit nicht, die Freistellung rückgängig zu machen und die Kündigung zu verhindern. Noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, nämlich im Juni 2010, erklärte die Arbeitgeberin sodann die Kündigung, die sie gegenüber dem Betriebsrat auf „betriebsbedingte Gründe“ stützte.

LAG Schleswig-Holstein: Kündigung ist sitten- und treuwidrig

In der ersten Instanz blieb die Klage gegen die Kündigung noch ohne Erfolg. Die Arbeitgeberin habe subjektiv an Befürchtungen einer möglichen Industriespionage angeknüpft. Das reiche als Rechtfertigung für diese Kündigung aus. Das sah das LAG Schleswig-Holstein nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts und des wahren Kündigungsgrunds anders. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig. Die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben habe und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert habe, sei die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich. Der angeführte betriebsbedingte Kündigungsgrund sei daher nur vorgeschoben. Die Kündigung verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (§ 138 BGB). Die Beklagte habe den Kläger willkürlich zu ihrem Spielball gemacht.

... und sie verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens

Da die Arbeitgeberin bei Vertragsabschluss von der Partnerschaft des Klägers und dessen Heiratsplänen wusste, hätte man auch mit dem Gedanken des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) argumentieren können. Es entspricht nämlich einem allgemeinen Grundsatz des Kündigungsrechts, dass Gründe, von denen der Kündigende bereits bei Vertragsabschluss gewusst hat, später nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden können (zB für das Mietrecht BGH, Beschl. vom 06.07.2010 - VIII ZR 180/09, WuM 2010, 512).

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5 Kommentare

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Das Ganze riecht danach, als ob der Arbeitgeber irgendwelchen Druck bekommen haben soll. Von "janz oben". So in der Art "wenn XY hier bleibt, bekommst Du keine Aufträge mehr". Eine sehr traurige Geschichte. Zeitarbeiter sind sowieso schon benachteiligt, und dann bekommt einer endlich die ersehnte Festanstellung, und dann sowas :-(

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Sehr geehrter Herr Rolfs, wo entnehmen Sie, dass die Ehe mit der Chinesin "kein Sicherheitsrisiko, das seine Arbeitgeberin zur Kündigung berechtigen könnte," darstellt?

Genau darum dreht sich das Urteil aus meiner Sicht nicht, sondern um die Widersprüchlichkeit des arbeitgeberischen Verhaltens im konkreten Fall. Das LAG hat daher vollkommen recht, den Arbeitgeber in die Verantwortung zu nehmen, wenn dieser eine sicherheitsrelevanten Vorgang trotz des vorbildlichen Verhaltens des Ingenieurs über drei Jahre hinweg nicht als solchen erkennt und den Arbeitnehmer dadurch an der Nase herumführt.

Gleichwohl ist die Frage nach den berechtigten Folgen einer derartigen Änderung der persönlichen Verhältnisse im Grundsatz eine ganz andere. Falls sich neben der sicherheitlichen Einschätzung des Arbeitgebers auch die der geheimschutzbetreuenden Behörde ändert, ist der Arbeitnehmer objektiv nicht mehr in dem gedachten Bereich einsetzbar. Das liegt hier nahe, da das Gefährdungspotenzial durch die Ehe mit der in China lebenden Frau einerseits und das zwangsläufige Reiseverhalten des Mannes andererseits ist in diesem Fall ungewöhnlich hoch ist. Eine solche Erkenntnis ggf. erst nach der Eheschließung von behördlicher Seite, wie der Zeitablauf andeutet, hätte von der Sicherheitsbeauftragen des Unternehmens rechtzeitig antizipiert werden müssen.

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@ Richard:

In der Pressemitteilung heißt es: "Das sah das Landesarbeitsgericht jetzt nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts und des wahren Kündigungsgrunds anders. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig. Die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben habe und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert habe, sei die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich."

Den Text verstehe ich so, dass die Einordnung als Sicherheitsrisiko ob ihrer Plötzlichkeit in der unveränderten Sachlage willkürlich ist und aufgrund ihrer Willkürlichkeit die Eheschließungsfreiheit ungerechtfertigt verletzt.
Dass sich der Arbeitnehmer hier zu Recht auf die ursprüngliche Einschätzung des Arbeitgebers stützen darf, bedeutet ja nicht, dass dies die sachgemäße Beurteilung ist und die arbeitsrechtlichen Grenzen für derartige Sachlagen absteckt. Wäre die Einordnung als Sicherheitsrisiko durch die Änderung der familiären Situation bzw. deren erstmaliges Offenbaren und nicht durch einen bloßen Sinneswandel beim Arbeitgeber zustande gekommen, entfielen die scheinbar entscheidenden Aspekte Treuwidrigkeit und widersprüchliches Verhalten. Die Aussagen zur Kündigungsmöglichkeit aus der Einschätzung an sich sind eher spärlich. "Konkrete Fakten" für die Annahme eines Sicherheitsrisikos, die nicht bereits eine Pflichtverletzung darstellen, sind mir neben der tatsächlichen Lebenssituation eines Arbeitnehmers schwer vorstellbar.

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es wird wahrscheinlich so gewesen sein, dass der ingenieur für die tätigkeit eine sicherheitsüberprüfung brauchte. bisher hatte er - fehler der sicherheitsbeauftragten - seine chinesische verlobte nicht angegeben. mit der heirat musste er, dann wurde eine sicherheitsüberprüfung durchgeführt und wenig verwunderlich - nach den standards des verfassungsschutzes - kam man zu einem sicherheitsrisiko. worauf diese einschätzung beruht, darf der arbeitgeber aber nicht weitersagen, ist schließlich eine verschlusssache... wieder mal ein problem mit der geheimniskrämerei der dienste. die justiz vertraut deren einschätzung halt zu recht nicht blind.

und dann verliert man halt den prozess...

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