Neuregelung der Anrechnung des Kindergeldes nicht verfassungswidrig
von , veröffentlicht am 13.08.2011Der ein minderjähriges Kind betreuende Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (Betreuungsunterhalt); der andere Elternteil ist zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Das Kindergeld steht grundsätzlich beiden Elternteilen zu gleichen Teilen zu, wird jedoch zur verwaltungstechnischen Erleichterung nur einem Elternteil, regelmäßig dem betreuenden, ausgezahlt.
Nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage wurde das dem betreuenden Elternteil ausgezahlte Kindergeld mit dem Barunterhalt verrechnet. Schuldete der barunterhaltspflichtige Elternteil neben dem
Kindesunterhalt auch Ehegattenunterhalt, wurde bei dessen Berechnung der Kindesunterhalt in Höhe des entsprechenden Betrages nach der sog. Düsseldorfer Tabelle (sog. Tabellenbetrag) abgezogen. Diese Berechnungsmethode führte dazu, dass dem Barunterhaltspflichtigen sein Kindergeldanteil grundsätzlich unvermindert für eigene Zwecke verblieb.
Nach der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Reform des Unterhaltsrechts orientiert sich der dynamische Kindesunterhalt nicht mehr an der Regelbetragsverordnung, sondern an einem im Gesetz festgeschriebenen Mindestunterhalt, der sich in Anpassung an die
Vorschriften des Steuerrechts nach dem doppelten Freibetrag für das Existenzminimum eines Kindes richtet. Das Kindergeld ist nach der Neuregelung des § 1612b BGB zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt, in allen anderen Fällen in voller Höhe.
Der Bundesgerichtshof geht seit der Unterhaltsreform davon aus, dass das Kindergeld nicht mehr - wie nach der früheren Rechtslage - Einkommen der Eltern, sondern Einkommen des Kindes darstellt und daher vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen vor der Ermittlung geschuldeten Ehegattenunterhalts nicht mehr der Tabellenbetrag, sondern nur der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abzuziehen ist.
Der Beschwerdeführer ist sowohl seiner Tochter als auch seiner geschiedenen Ehefrau, bei der das gemeinsame Kind lebt, zu Unterhalt verpflichtet. In Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ermittelte das Oberlandesgericht den nachrangigen Unterhalt der geschiedenen Ehefrau unter Vorwegabzug des Zahlbetrages an Kindesunterhalt vom Einkommen des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer sieht darin eine Verletzung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Gleichbehandlungsgebots von Bar- und Betreuungsunterhalt. Während er aufgrund des Abzugs lediglich des Zahlbetrages seinen Kindergeldanteil letztlich zur Zahlung des Ehegattenunterhalts verwenden müsse, bleibe seiner geschiedenen Ehefrau der auf sie entfallende Kindergeldanteil erhalten.
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Die Neuregelung der Kindergeldanrechnung sowie die aus ihr folgende Berechnung nachrangig geschuldeten Ehegattenunterhalts verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Es stellt keine Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung von Bar- und Betreuungsunterhalt dar, dass das Oberlandesgericht das Kindergeld bereits auf den Unterhaltsbedarf der Tochter des Beschwerdeführers angerechnet und demzufolge bei der Ermittlung des nachrangigen Ehegattenunterhalts von dessen Einkommen nicht den Tabellenbetrag, sondern lediglich den Zahlbetrag an Kindesunterhalt abgesetzt hat.
Der Gesetzgeber hat im Zuge der Unterhaltsrechtsreform einen Systemwechsel bei der Zuweisung des Kindergeldes vollzogen, das nun nicht mehr den Eltern, sondern den Kindern selbst als deren eigenes Einkommen familienrechtlich bindend und unabhängig vom Außenverhältnis zwischen dem Bezugsberechtigten und der Familienkasse zugewiesen ist. Diese neue Zuweisung des Kindergeldes ergibt sich aus dem Wortlaut des §
1612b BGB n.F., wonach dieses zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden ist, und entspricht im Übrigen dem Willen des Gesetzgebers. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich des Weiteren, dass zur
Ermittlung des nachrangigen Ehegattenunterhalts vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen infolge dieser geänderten Zuweisung nunmehr lediglich der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abgezogen werden soll.
Mit dieser Änderung ist keine Ungleichbehandlung verbunden. Die frühere Bestimmung des Kindergeldes, nach der es den Eltern für deren eigene Zwecke zugute kam, ist entfallen. Der Gesetzgeber hat anlässlich der Unterhaltsrechtsreform beide Elternteile, unabhängig davon, ob sie Bar- oder Betreuungsunterhalt leisten, verpflichtet, den auf sie entfallenden Kindergeldanteil ausschließlich für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Nicht nur der Barunterhaltspflichtige hat den auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteil vollständig für den
Barunterhalt des Kindes zu verwenden mit der Folge, dass von seinem unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen nur der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abzusetzen ist. Auch der Betreuungsunterhaltspflichtige ist verpflichtet, den auf ihn entfallenden Kindergeldanteil vollständig für den Betreuungsunterhalt des Kindes zu verwenden. Dabei kann in Anbetracht der Orientierung der Höhe des Kindergeldes am Existenzminimum des Kindes davon ausgegangen werden, dass der Bezugsberechtigte das Kindergeld auch tatsächlich für die Bedürfnisse seines Kindes verwendet.
BVerfG v. 14.07.2011 - 1 BVR 932/10
Presemitteilung des Gerichts
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7 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenGuy Fawkes kommentiert am Permanenter Link
Das Kindergeld, das eigentlich beiden Eltern, als Ausgleich für die Belastung durch die Kinder zusteht, wird erst der Mutter ausgezahlt, damit der Vater seinen Teil beim Kind einspart, um es dann wieder der Mutter als EU auszuzahlen, damit die es wiederum für das Kind ausgibt!
Zusätzlich muss der Vater das Kindergeld, dass er garnicht bekommt, versteuern und davon alleine die Umgangskosten tragen.
Hinzu kommt, dass wenn ein Vater Kinder von 2 Müttern hat, aber nur eine Mutter EU erhält, bekommt diese Mutter auf diese Art auch noch das KG von den Kindern, mit denen sie gar nicht verwandt ist.
Warum darf die Mutter das KG für fremde Kinder, für ihre eigenen ausgeben?
Die Kinder der Nicht-EU-Mutter werden also um die Hälfte ihres KG betrogen.
Warum im Fall von EU-Zahlungen, der Vater der Mutter sein KG auszuhändigen hat, damit sie es für die Kinder ausgeben kann, während der Nicht-EU-Zahler das selbst tun darf ist auch nicht ersichtlich.
Man muss wahrscheinlich Jurist sein, um das zu verstehen.
Und kann mir einer der anwesenden Juristen auch mal erklären, wie ich die Mutter meiner ehelichen Kinder zwingen kann, dem Wunsch des BVerfG nachzukommen, das erschlichene KG auch für die Kinder auszugeben, denen es eigentlich zusteht, nämlich den Vorehelichen?
Der BGH war wenigstens so ehrlich, die Verfassungswidrigkeit des § 1612 a zuzugeben.
"Eine verfassungskonforme Auslegung des § 1612a ist nicht zulässig!"
Das BVerfG weigert sich aber verfassungswidrige Gesetze umzuwerfen, mit der Begründung, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers.
Wozu braucht man dann noch ein BVerfG wenn es sich weigert, seine einzige Aufgabe zu erfüllen?
Hans-Otto Burschel kommentiert am Permanenter Link
???
???
Man ist geneigt, Ihnen ein Zitat von Dieter Nuhr ins Stammbuch zu schreiben
Guy Fawkes kommentiert am Permanenter Link
Es kann ja sein, dass Sie das nicht verstanden haben, was nichts daran ändert, dass ich Recht habe.
Genau dieser Effekt tritt seit 2008 auf.
Den Kindergeldanteil, den ich beim KU meiner vorehelichen Kinder einbehalten darf, habe ich seit 2008 vollständig als EU bei meiner Exfrau abzuliefern.
Meine vorehelichen Kinder erhalten somit den Zahlbetrag an KU von mir und den KG-Anteil der Mutter.
Meine ehelichen Kinder erhalten den Zahlbetrag von mir, den KG-Anteil der Mutter und den meinen KG-Anteil aller meiner Kinder, als EU.
Ob sie den dann für unsere gemeinsamen Kinder ausgibt oder für sich selbst, sei mal dahin gestellt.
Für meine vorehelichen jedenafalls nicht.
Denke Sie mal drüber nach.
Es stimmt!
Und dass Kindergeld zu versteuern ist, können sie sich ja mal von Steuerspezialisten erklären lassen, wenn sie mir das nicht glauben.
Guy Fawkes kommentiert am Permanenter Link
Herr Burschel, da sie meinem Beitrag offensichtlich nichts mehr entgegenzusetzen haben, würde ich es begrüßen wenn sie ihren Beitrag #2 nun bereinigen würden.
Er ist nämlich deutlich deutlich beleidigender und sachfremder als es meine Beitrage je waren.
So viel Fairness sollte sein.
jonatoll kommentiert am Permanenter Link
Hallo,habe so eine antrag AM 27:12:2011 auf empfellung gestellt,habe ich erfolgauszieht!
Hier: Anrechnung von Kindergeld
und Kopie zurück an Absender.
Mein Zeichen:
Überprüfungsantrag
Sehr geehrte Damen und Herren.
Ich beantrage eine Überprüfung der von Ihnen seid dem ____________an mich
erteilten Leistungsbescheide.
Nach dem gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch II (SGBII) sind Kinder
weder ihren Geschwistern noch ihren Eltern zu Unterhalt verpflichtet.Einkommen
und Vermögen eines Kindes ist ausschließlich beim jeweiligen Kind zu
berücksichtigen,das es erziehlt,bzw.besitzt.Einkommen des Kindes unterliegt weder
der sog. Bedarfsanteilmethode (§9 Abs.2 SBG II),noch kann es als Unterhalt
angerechnet werden,da nur tatsächlich geleisteter Unterhalt angerechnet werden
kann.(§9Abs.5 SGB II;BSG in B 14 AS6/08 R vom 27.01.2009).
Wegen der geringen Höhe des Kindergeldes käme zudem eine unterhaltsrechtliche
Anrechnung ohnehin in Frage(§ 2 Abs. 2 ALG II-V).Geregelt ist lediglich, dass der
Teil des Kindergeldes den das Kind zur Deckung seines Bedarfes benötigt,auch beim
Kind als Einkommen anzurechnen ist -mehr jedoch nicht ( § 11 Abs. 1 S.4 SGB II).
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) stützt ihrer Geschäftsanweisung (GA 11.50) auf
die Rechtauffassung,dass nach dem bis Ende 2007 geltenden Unterhaltsrecht das
Kindergeld Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteiles war.Diese Rechtslage
hat sich aber mit dem bereits am 01.01.2008 in Kraft getretenen "Gesetz zu Änderung
des Unterhaltsrechts" gravierend verändert.Das nummehr geltende Unterhaltsrecht
bestimmt,dass Kindergeld ausdrücklich Einkommen allein des Kindes und dazu
gedacht ist,dessen Barunterhaltsbedarf zu decken (§ 1612 b BGB),was im SGB II
eine Anrechnung von Kindergeld unzulässig macht.Der Gesetzgeber kam der
Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nach,für Normenklarheit und eine
Harmonisierung des Unterhaltsrechts mit anderen Gesetzen zu sorgen ,indem er im
neuen § 1612 b BGB,wie vorher schon im Sozialrecht,das Kindergeld allein als
Einkommen des Kindes zuordnet.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der geänderten Rechtslage geäüßert
(siehe l BvR 932/10 unter Rz. 24) und ausgeführt ,dass Kindergeld vollumfänglich
für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden ist.
In Ihren bisher erteilten Leistungsbescheiden haben Sie die seit dem 01.01.2008
geänderte Rechtslage nicht berücksichtigt und weiterhin den Kindesbedarf
übersteigendes Kindergeld als Einkommen bei mir angerechnet.Ich bitte für die
Zukunft um entspr. Berücksichtigung der Rechtslage und Nachberechnung für die
Zeit rückwärts vom ____________.
Mit freundlichen Grüßen
Datum:______________
sabine kommentiert am Permanenter Link
Hallo auch ich habe den Antrag gestellt.Aber was ich von bekannten gehört habe ist das sie sich aussuchen konnten das geld anzunehmen und davon über monate ihren unterhalt selbst bestreiten müssen oder sie nehemn sich einen anwalt und klagen.
mit freundlichen gruss sabine
Gast kommentiert am Permanenter Link
Komisch, was das BGH hier fabriziert...
Bei vollem Zahlbetrag + vollem KG ist davon auszugehen, dass das Kg auch wirklich für das Kind verwendet wird... Glaubt das BGH! Eine Rechtssprechung, die auf Glaube beruht ist leider nur wenig wert. Gleichzeitig glaubt nämlich der Staat, dass ein Kind, welches Hartz 4 bekommt weniger als den DD Tabellenmindestunterhalt + KG braucht und mehr nicht für das Kind verwendet werden muss. Scheinbar ändert sich der Glaube des Staates genau dann, wenn er nicht die Zeche bezahlen muss. Ein Mann darf dann ruhig mal voll arbeiten gehen und knapp über H4 Niveau leben, hauptsache, die Frau muss nicht arbeiten gehen. Der sind ja nach der Geburt schließlich die Hände durch den ehebedingten Nachteil für immer abgefallen...