Ausbeutung von Hausangestellten durch Diplomaten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 04.07.2011

 

Angehörige des diplomatischen Corps behandeln ihre Hausangestellten mitunter wie Leibeigene. Das berichtete zuletzt Spiegel Online in einem Artikel vom 27.6.2011. Das Arbeitsgericht Berlin hatte nun über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um Ansprüche einer Hausangestellten eines Diplomaten auf Vergütung und Schmerzensgeld ging. Die Hausangestellte soll unter ausbeuterischen Bedingungen zur Arbeitsleistung gezwungen worden sein; auch sei es zu tätlichen Übergriffen gekommen. Als Klägerin ist in diesem Verfahren die bekannte Arbeitsrechtlerin Frau Prof. Dr. Heide Pfarr aufgetreten, die sich die Ansprüche der Hausangestellten hat abtreten lassen. Frau Pfarr ist Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts und Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung. Erfolg war ihrer Klage jedoch nicht beschieden (ArbG Berlin (Urteil vom 14. Juni 2011, Aktenzeichen 36 Ca 3627/11). Das Arbeitsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Diplomat nach § 18 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen sei. Die Immunität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen bestehe gerade auch in Fallgestaltungen, in denen es zu Rechtsverletzungen gekommen sein soll. Ob die geltend gemachten Ansprüche gegen den Diplomaten tatsächlich bestehen, könne daher nicht untersucht werden. Das ist in der Tat unbefriedigend und wohl auch noch nicht das letzte Wort. Spiegel Online berichtet, dass der Hamburger Rechtsanwalt Klaus Bertelsmann und das Deutsche Institut für Menschenrechte die Diplomaten-Immunität bei Menschenrechtsverstößen juristisch angreifen wollen, wenn nötig durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Die Menschenrechte sind auch völkerrechtlich ein höheres Gut als die Diplomaten-Immunität", sagt Anwalt Bertelsmann. 

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durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Mit Aussicht auf Erfolg: EGMR, Urteil der großen Kammer vom 29.06.2011 - 34869/05

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"Leitsatz":

"In der Rechtssache Sabeh El Leil v. Frankreich urteilte der Gerichtshof, dass es einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) darstellen kann, wenn ein Gericht eine arbeitsrechtliche Klage gegen den Staat, in dessen Botschaft der Kläger arbeitete,  abweist und sich dabei auf die Staatenimmunität stützt.

Der EGMR begründet seine Entscheidung damit, dass sich das Völkerrecht fortentwickelt habe und stützt sich dabei auf Art. 11 des Übereinkommens über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit (Staatenimmunitätskonvention). Die Vorschrift besagt, dass sich ein Staat bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten nicht auf seine Immunität berufen kann, solange der Angestellte nicht mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt betraut war. Zwar sei die Staatenimmunitätskonvention nicht in Kraft, Frankreich habe sie aber bereits unterzeichnet (wenn auch noch nicht ratifiziert). Zudem stelle die Staatenimmunitätskonvention nur eine Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht dar, so die Straßburger Richter."

http://m.lto.de/de/html/nachrichten/3641/ausbeutung_von_botschaftsangestellten_die_putzfrau_und_der_buchhalter_als_grenzen_der_immunitaet-/

Die Rechtsprechung des EGMR bedeutet aber nicht, dass das Arbeitsgericht sich über § 18 GVG hinwegsetzen darf. Wo der Wortlaut keinen Spielraum lässt, endet auch die Auslegung. Das ArbG Berlin hat deshalb im Gütetermin zutreffend darauf aufmerksam gemacht, dass wohl eine andere Klage anzustrengen wäre: Nämlich gegen die Bundesrepublik Deutschland. Dann aber vor dem Landgericht Berlin.

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