BAG: NPD-Engagement ist auch im öffentlichen Dienst nicht ohne weiteres ein Kündigungsgrund

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 13.05.2011

 

Kann ein Arbeitsverhältnis gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bekannt wird, dass ein Mitarbeiter NPD-Mitglied ist und sich für diese Partei engagiert? Und was gilt insoweit für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst?

In einer jetzt bekannt gemachten Entscheidung des BAG (Urteil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 –Pressemitteilung Nr. 35/11) ging es um die Kündigung eines Verwaltungsangestellten bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, der mit der Planung, Steuerung und Überwachung von Druckaufträgen befasst war. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses (2003) hatte er sich in einer Erklärung zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekannt und angegeben, er sei nicht Mitglied einer Organisation, die diese Grundordnung bekämpfe. Durch eine Mitteilung des Landesamts für Verfassungsschutz wurde bekannt, dass er – in seiner Freizeit - „Newsletter“ mit Veranstaltungshinweisen der NPD verschickt und selbst einige Parteiveranstaltungen besucht hatte sowie am Aufbau einer NPD-Jugendorganisation in Karlsruhe beteiligt war. Das beklagte Land nahm dies zum Anlass, ihn wegen dieser Aktivitäten abzumahnen. Nachdem der Beschäftigte am Volkstrauertag nochmals an einer Veranstaltung der Partei teilgenommen hatte, wurde ihm mit der Begründung gekündigt, er habe durch die Teilnahme an einer von der NPD abgehaltenen Gedenkveranstaltung erneut seine politische Treuepflicht verletzt. Zudem focht das Land den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Ebenso wie die Vorinstanz hält auch das BAG die Kündigung und die Anfechtung für unwirksam. Schon die bisherige Rechtsprechung hatte herausgestellt, dass die außerbetriebliche (partei)politische Betätigung grundsätzlich nicht vertragswidrig und damit auch nicht kündigungsrelevant ist. Im öffentlichen Dienst gelten zwar erhöhte Anforderungen. Entscheidendes Gewicht hat hier dann aber regelmäßig die konkrete Funktion des Bediensteten. An dieser Linie scheint das BAG festhalten zu wollen.

Aus der Pressemitteilung geht zwar hervor, dass das aktive Eintreten für eine verfassungsfeindliche Partei die Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers rechtfertigen kann. Habe ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter jedoch wegen dessen politischer Betätigung abgemahnt, so gebe er damit zu erkennen, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für zumutbar erachtet, wenn künftige verfassungsfeindliche Aktivitäten unterbleiben. Er könne deshalb eine Kündigung nicht auf ein Verhalten stützen, das schon der Abmahnung zugrunde lag. Hier habe der Kläger jedenfalls nach der Abmahnung kein Verhalten gezeigt, das als aktives Bekämpfen der freiheitlich demokratischen Grundordnung angesehen werden könne. Die Teilnahme an der NPD-Gedenkveranstaltung genüge für eine solche Einschätzung nicht.

Nach einem Bericht des Spiegels verliert der Mann seinen Arbeitsplatz möglicherweise aber dennoch. Wegen "ehrerbietigen Verhaltens" gegenüber einem prominenten Holocaust-Leugner habe die Oberfinanzdirektion ihm erneut gekündigt. Das LAG Baden-Württemberg habe diese Kündigung Anfang des Jahres für wirksam erklärt. Dagegen habe der Beschäftigte Revision eingelegt. Das BAG wird den Fall also voraussichtlich bald wieder auf dem Tisch bekommen. Möglicherweise könnte den Arbeitsgerichten die Bewertung solcher Fälle erleichtert werden, wenn erfolgreich ein Verbotsverfahren vor dem BVerfG durchgeführt werden würde. 

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