BGH löst „Scheinproblem“ - oder: kennt der BGH alle seine Entscheidungen?

von Dr. Klaus Lützenkirchen, veröffentlicht am 10.05.2011

Seitdem feststeht, dass die Minderung von der Bruttomiete erfolgt, streiten sich die Gelehrten, ob der so errechnete Minderungsbetrag bei der laufenden Miete auf die Grundmiete oder anteilig auch auf die Vorauszahlungen für die Betriebskosten anzurechnen ist (statt aller: Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 10. Aufl., § 536 BGB Rz. 350 f.). Die wohl herrschende Meinung verlangt eine anteilige Verrechnung.

Der BGH weist richtigerweise darauf hin, dass es sich um ein Scheinproblem handelt (BGH v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10). Indem die Minderungsquote auch auf das Ergebnis der Betriebskostenabrechnung angewendet wird, um eine Jahressollmiete zu ermitteln, müssen die geleisteten Zahlungen diesem Soll nur gegenübergestellt werden, um den „Nachzahlungsbetrag“ zu ermitteln. Dabei spielt es dann keine Rolle mehr, ob der tatsächlich geleistete Betrag in allen seinen Elementen (anteilig) gekürzt wurde oder die Minderung nur auf die Grundmiete angerechnet wurde (vgl. Bieber, GE 2006, 687 mit Beispielen).

Ob diese Auffassung kritischer Nachprüfung standhält, muss bezweifelt werden. Beispiel: Grundmiete 800 €, Vorauszahlung 200 €, Minderung 20% (für 12 Monate), Abrechnungsergebnis 3.000 €.

Wird die Minderung nur auf die Grundmiete verrechnet, ergibt sich eine Nachforderung aus der Abrechnung von 0 € (= 3.000 € - 20% - 2.400 €).

Wird die Minderung anteilig angerechnet, besteht eine Nachforderung von 480 € ([3.000 € - 20%] – [12 x 200 € - 20%]). Zwar ist die Grundmiete in diesem Fall entsprechend höher, so dass unter dem Strich beide Ergebnisse gleich sind. Indessen kann in dem ersten Fall (Nachforderung 0 €) nach Ablauf der Abrechnungsfrist nicht mehr nachgebessert werden (BGH v. 17.11.2004 –VIII ZR 115/04).

Mithin liegt scheinbar doch kein Scheinproblem vor.   

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4 Kommentare

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Die Verrechnung macht auch einen Unterschied, wenn der Vermieter erst nach Ablauf der Abrechnungsfrist abrechnet.

Verrechnet er im obigen Beispiel die Minderung der laufenden Zahlungen (Jahresbetrag: 2.400 Euro) komplett auf die Grundmiete, hat der Mieter auf die Grundmiete nur 7.200 Euro gezahlt. Die um 20 % geminderte Grundmiete beträgt aber 7.680 Euro. Der Vermieter kann noch 480 Euro Grundmiete nachfordern. Dies ist von der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 nicht umfasst. Die Betriebskostennachforderung ist 0, so dass die Verfristung ohne Auswirkung ist.

Verrechnet der Vermieter die Minderungsbeträge der laufenden Zahlungen anteilig, sieht es anders aus: Dann ist die Grundmiete komplett gezahlt. Die Betriebskostenabrechnung ergibt eine Nachforderung von 480 Euro. Diese kann der Vermieter nicht mehr geltend machen, weil er zu spät dran ist.

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Transparenz der rechnerischen Darstellung

Die rechnerische Darstellung, die sich aus dem BGH-Urteil zu ergeben scheint, ist nicht sehr transparent.

Um dem Mieter nun die "Denke" transparent vorzurechnen, schlage ich folgenden Weg vor (Tabulatoren stehen hier leider nicht zur Verfügung):

   3.000,00 Betriebskosten ohne Berücksichtigung der Minderung
–    600,00 (1.400 : 12 Monate x 0,2 [20 %] x 12 Monate)
= 2.400,00 geminderte Betriebskosten

   2.400,00 Sollvorauszahlungen auf die Betriebskosten
–    480,00 (2.400 : 12 Monate x 0,2 [20 %] x 12 Monate)
= 1.920,00 geminderte Vorauszahlungen

2.400,00 – 1.920,00 = 480,00 € Nachzahlung

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Schreibfehler in der ersten Nebenrechnung  es muss richtig lauten:

(3.000 : 12 Monate x 0,2 [20 %] x 12 Monate)

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Die Bruttomiete als Bezugsgröße für Mietminderungen führt zu ungerechten Ergebnissen, ist nicht praktikabel und widerspricht gesetzlichen Regelungen. Als Bezugsgröße kann nur die Netto(Kaltmiete) gelten.

1. Verbrauchsabhängige Nebenkosten (Wasser, Heizung) sind per Gesetz verbrauchsabhängig abzurechnen. Eine monatliche Messung hat der Gesetzgeber in der Heizkostenverordnung nicht vorgeschrieben. Iim Streitfall ist eine nachträgliche Ablesung und Abgrenzung nicht mehr möglich. Die "Fiktion" eines gleich verteiltem Verbrauchs während des Jahres widerspricht der tätsächlichen Erfahrung ("Heizperiode" Oktober-März) und den individuellen Verbrauchsverhalten von Mietern. Ein "zugiges" Fenster kann nicht mit 30% Minderung für alle Monate gleich gemindert werden, es müßte zumindest eine Näherung über monatliche Durchschnittstemperaturen (Gradzahlen) erfolgen. Die Heizkostenverordnung wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung mißachtet.    

2. Eine MInderung der Brutto(Warm)miete benachteiligt im besonderen Maße Vermieter mit niedrigen Kaltmieten. Es kommt zu einer Verzerrung zwischen hohen Kaltmieten in Großstädten/BallungsgebietenIn den ohnehin benachteiligten ländlichen Gebieten und den NBL. Hohe Energiekosten von 2 EUR/qm und Nebenkosten von 3 EUR/qm sind bei einer Kaltmiete von 3 EUR/qm keine Seltenheit. Bei einer 50% Mietmnderung der Bruttomiete bedeutet dies 100% Minderung der Kaltmiete ! Da der Vermieter die Nebenkosten zu tragen hat verbleibt ihm also -außer Ärger - nichts. Mietminderungen von 80%, auch 100% der Bruttomiete sind durchaus Regelfälle der Rechtssprechung. Für den Vermieter bedeutet dies eine negative Kaltmiete, denn er hat für den Mieter die Nebenkosten zu bezahlen. Dieses eklatante Mißverhältnis ist ein Eingriff in die vom Grundgesetz geschützte Eigentumsspähre. Bezugsgröße für die Mietminderung kann nur die Kaltmiete sein, die bis zu 100% gemindert werden kann - aber nicht darüber hinaus.

H.B.

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