Offiziell: Guttenberg hat vorsätzlich abgeschrieben

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 06.05.2011

Eigentlich keine Neuigkeit mehr, aber der Ordnung halber soll es doch auch hier gemeldet werden: Die Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" der Uni Bayreuth hat in ihrem Bericht über die Dissertation Guttenbergs wenig überraschend konstatiert, dass die eklatant umfangreichen Plagiate in der Arbeit dort nicht durch bloße "Fehler" oder "Nachlässigkeiten" hineingekommen sein können, sondern nach menschlichem Ermessen nur mit Vorsatz des Plagiators (ergänzend: sei dies nun Guttenberg selbst oder sein Auftragnehmer) Aus der Pressemitteilung:

„Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat.“

Der Bericht selbst soll am 11. Mai in einer Pressekonferenz vorgestellt und dann vollständig veröffentlicht werden.

Die Staatsanwaltschaft in Hof wird nun demnächst zu entscheiden haben, ob sie den Herrn zu G. wegen Verstoßes gegen das UrhG (§ 106) anklagt. Angeblich soll es ja inzwischen auch einen Strafantragsteller geben, so dass es auf die Frage des "besonderen öffentlichen Interesses" (§ 109 UrhG, siehe dazu hier) nicht mehr ankommen dürfte.

Mein Eindruck: Das politische Comeback des ehemaligen Ministers hat sich damit wohl erledigt, zumindest in diesem Jahrzehnt.

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16 Kommentare

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Hermann schrieb:

Ist die Tat nicht bereits verjährt?

§ 106 und 108 UrhG -> Höchststrafe 3 Jahre

§ 78 StGB -> 5 Jahre Frist für Verfolgungsverjährung

Veröffentlichung 2009

-> Antwort: nicht verjährt

Henning Ernst Müller schrieb:
Das politische Comeback des ehemaligen Ministers hat sich damit wohl erledigt, zumindest in diesem Jahrzehnt.
Ich halte dagegen: Özdemir und Wiesheu waren jeweils nach ca. 7 Jahren wieder auf der nationalen politischen Bühne, und bei dem Freiherrn dürfte es angesichts seiner Vernetzung und Unterstützung nicht länger dauern.

@Mein Name; Mit der Vernetzung und Unterstützung mögen Sie Recht haben, aber die Vorwürfe sind hier von einem anderen Kaliber, das m.E. eine künftige politische Vertrauensposition wesentlich erschwert: Zu Guttenberg hat nicht nur bei der Abgabe der Arbeit sein Ehrenwoprt gebrochen, sondern er hat, als er schon "erwischt" war, auch noch den Bundestag und die Öffentlichkeit mehrfach frech belogen.

@ Prof. Müller: ich gebe Ihnen ebenfalls Recht, aber ein solches Verhalten wurde bei den "christlichen" Parteifreunden schon bei Roland Koch als vorbildliches "Durchhaltevermögen" gefeiert - wie sollte es bei Guttenberg anders sein? Wer konstatiert, dass die Union plötzlich die Wahrheitsliebe und Moral als Ideal entdeckt, der glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann ...

Guttenberg ist mit seiner Eloquenz und seinen gutsitzenden Anzügen einfach zu sehr schwiegermuttertauglich - die CDU/CSU kann es sich nicht leisten, einen derart wirksamen Fliegen Stimmenfänger links liegen zu lassen. Es geht um Machterhalt, also Wählerkreuzchen und nichts anderes - da ist selbst das personifizierte Prinzip "Heiratsschwindler" willkommen.

Bleibt zu hoffen, dass der Betrug auch durch einen Strafbefehl nach den gleichen Maßstäben wie bei Andreas Kasper für die Nachwelt festgehalten wird - und das hieße bei dem Umfang der Plagiate mehr als 90 Tagessätze.

Auch eine Vorstrafe hat noch keinen Politiker, erst recht (?) keinen bürgerlichen, davon abgehalten, weiter Karriere zu machen. Offenbar werden Gesetzesverstöße in Teilen der christlichen Parteien sogar als Auszeichnung begriffen, Motto: "A Hund is er scho!". Welches politische und christliche Menschenbild steht eigentlich hinter einer Partei, die eine Äußerung, wie die der Kanzlerin, die eigentlich nach § 140 StGB geprüft gehört, mit der Begründung zu rechtfertigen sucht, ein Christ dürfe sich schon freuen, wenn das Böse in der Welt weniger werde (Volker Kauder).

 

Erhellend ist auch die Verteidigungsrede des heutigen Bundesinnenministers Friedrich in der Plenardebatte vom 23.02.2011. Herr Friedrich sagte u.a. (Plenarprotokoll 17/92 vom 23.02.2011):

 

"Im Übrigen sage ich Ihnen: Wir sollten hier ein Signal an die Gesellschaft senden, dass man nicht den Kopf abgerissen bekommt, wenn man einen Fehler macht, ihn zugibt und sich dafür entschuldigt, sondern dass die Entschuldigung angenommen wird. Das wäre ein Signal, das von diesem Haus ausgehen könnte."

 

 

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Kurze Zeit nach Abschluss des Strafverfahrens (Strafbefehl oder § 153 a StPO) wird er via TV (vorzugsweise Kerner, Ehefrau Händchen haltend, Tränchen verdrückend daneben sitzend) und flankiert von BILD eine große Entschuldigungsshow (Deutschland, verzeih mir!) starten (berufliche und familiäre Doppelbelastung, von unaufmerksamen Prof. verführt, jugendlicher Leichtsinn - tiefer Fall).

Und natürlich werden sie ihm verzeihen. Nach so gelungener Resozialisierung steht dann der Weg  für hohe und höchste Ämter offen.

Angesichts des Lebenslaufes von Herrn Spreng war ich über den Eintrag zum Fall Guttenberg in seinem Blog positiv überrascht. Denn in "Das war’s" auf Sprengsatz schreibt er etwa:

 

"Der Politiker Karl Theodor zu Guttenberg gehört endgültig der Vergangenheit an. Er ist nur noch ein Stück unrühmlicher Zeitgeschichte. Es gibt kein Comeback. Das Urteil der Universität Bayreuth, er habe mit seiner Doktorarbeit nicht nur wissenschaftliche Standards grob verletzt, sondern vorsätzlich getäuscht, verbaut jeden Weg zurück in die Politik."

 

"Die Lehre aus dem Fall zu Guttenberg: Die Wähler müssen mit dem uncharismatischen politischen Personal zurechtkommen, das wir haben. Es gibt in der deutschen Politik keine Lichtgestalten. Und man sollte sich hüten, welche dazu zu erklären. Lieber ein dröger, aber anständiger Politiker wie Olaf Scholz als ein zu Guttenberg."

 

Bezogen auf die letzte Aussage frage ich mich schon lange, warum man nach demokratischen Wahlen parteilose Personen in die Regierung setzt, wie etwa in Berlin den Senator für Finanzen, Dr. Ulrich Nußbaum. Der Mangel an kompetenten Kandidaten in den Parteien kann es nicht sein. Oder etwa die nicht einflußarme Senatsbaudirektorin im Range einer Staatssekretärin in Berlin Regula Lüscher, mit schweizer Staatsangehörigkeit. Die Gentrifizierung der Stadt schreitet jedenfalls auch mit dieser "hochkompetenten" Person, für die man keinen sozialen Ersatz im eigenen Land fand, kräftig voran. Spielen bei solchen Personalentscheidungen, wie auch bei Guttenberg vermutet, andere Gründe als die "Kompetenz" eine maßgebliche Rolle und welche mögen dies im Detail wohl sein?

 

Insgesamt empfand ich den Kommentar als journalistisch sehr prägnant, wie man ihn etwa vergleichbar heute kaum noch in den Massenmedien liest. Der Kommentar ist auch ein Zeichen adfür, dass es etwa auch in der konservativen Volkspartei CDU/ CSU noch intelligente Analysten des politischen Geschehens gib, die ihre Meinung zudem auch äußern. Leider sind diese nicht in führenden Positionen zu finden, warum wohl?

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Des Freiherrn unwürdige Manöver interessieren wenig außerhalb der wissenschaftlichen Gemeinde.

 

Guttenberg kann durch den gemeinen Pöbel, der das gechlagene, von den Medien gehetzte Kind wieder in den Arm nimmt, locker binnen der nächsten 5 Jahre rehabilitiert werden.

 

Der Weg in die Öffentlichkeit wird Schritt für Schritt erfolgen, begleitet von schmalzigen Demutsgesten und perfekt choreographiert durch zig Imagebarter. Haben ihn die Millionen BILD-Leser, Royal-Wedding-Acht-Stunden-am-Stück-Gucker, "Oaner, der wo soagt, wos er denkt!"-Narren, Untertanengeister etc. erst mal wieder, wird auch der politische Widerstand in den ach-so prinzipientreuen Gegnerparteien schnell zerbröseln; zumal bei dem geistigen Potential in diesen Parteien: Wie lief das noch gleich mit Thilo (S.) und Andrea (N.)?

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http://www.tagesspiegel.de/politik/universitaetheidelberg-will-koch-mehrin-doktortitel-aberkennen/4156034.html

nun scheint eine weitere Fassade zusammenzubrechen -- neben der totgeschwiegenen, nie so genau untersuchten Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung. Täuscht der Eindruck, oder herrscht im schwarz-gelben Lager bei den "Nachwuchs-Stars" die Ansicht vor: "Jura-Studium + Politiker = ich stehe über dem Gesetz"?

Die Kommission formuliert in ihrem Bericht immerhin sehr eindeutig:

"Die Kommission vermag nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der über Jahre Quellen für seine Dissertation bearbeitet, derart in einen Zustand der Dauervergesslichkeit gerät, dass ihm die allerorten in seiner Arbeit nachweisbaren Falschangaben vollständig aus dem Bewusstsein geraten."

"Wer jahrelang akzeptiert, dass er Sorgfaltsstandards nicht einhält, handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich, weil er die Sorgfaltswidrigkeit zum bewussten Arbeitsstil erhebt."

http://www.rp-online.de/politik/deutschland/Sorgfaltswidrigkeit-als-bewusster-Arbeitsstil_aid_996881.html

Hier nun der Kommissionsbericht in voller Länge:

Auf Bild.de (ausgerechnet) kritisiert Prof. Walter Schmitt-Glaeser, Emeritus der Bayreuther Jura-Fakultät die anhaltende "Jagd" auf Guttenberg und lässt kein gutes Haar an seiner ehemaligen Fakultät. Kein anderer Doktorand wäre so behandelt worden, der Vorsatz sei seines Erachtens nicht nachgewiesen (Interview). Allerdings: Kein anderer hätte sich auch so verhalten, nämlich selbst nach dem Erwischtwerden noch unverschämt weiter zu lügen. Hier der Text des Offenen Briefes Schmitt-Glaesers.

Die Volksverdummungspostille, immer wieder lustig - so durchschaubar, dass es ins Lehrbuch gehört.

Schmitt-Glaeser "angesehen" als Staatsrechtler? War das nicht der, der durch die abstrusesten Minderheitenmeinungen auffiel? Der als CSU-Mitglied ins SPD-regierte Bayreuth entsandt wurde, um ein Bollwerk konservativer Juristerei zu etablieren? Der als Präsident des nicht demokratisch legitimierten Bayerischen Senats den Bürgern immerhin einen Dienst erwiesen hat: sich so massiv danebenzubenehmen (Skandale u.a. bei der Nominierung von Senatsmitgliedern inclusive gestreuter Gerüchte über Homosexualität eines Kanditaten), dass die Bayern in einem seltenen Akt der Demokratie die Altherrenriege in den Ruhestand geschickt haben.

Verständlich, dass so jemand die Springer-Presse nutzt, um mit einem letzten strukturkonservativen verbalen Furz seinen politischen Alters- oder Lebensstarrsinn zu dokumentieren.

Ein Gutes hat das Ganze: Wenn der schleimgegelte Chefredakteur nur Guttenberg-Fürsprecher vom Kaliber einer solchen Mumie auftreiben kann, zeigt das, wie groß er Scham-Abstand derer ist, wie wirklich etwas zu sagen hätten. Bleicht zu hoffen, dass sich das nicht so schnell ändert...

Ja, die großen politischen Talente vom Schlage zu Guttenbergs, die sich völlig selbstlos, nur die res publica im Sinn, Tag und Nacht für das Volk aufopfern, um von demselben bei jeder Gelegenheit geschlachtet zu werden, sind schon zu bedauern.  Nicht etwa Eitelkeit, Macht- und Geltungssucht führt zu einer solchen Ämterhäufung, sondern reiner Altruismus. Und wie selbstlos Herr zu Guttenberg handelte, offenbart ja auch das Vorwort seiner Dissertation Collage, das Alexander Camann in der FAZ vom 18.03.2009, Seite 32, so analysierte:

 

"Ungewöhnlich sind die persönlichen Bekenntnisse des Doktoranden, die tiefe Einsichten verraten: "Allzu viele

mussten meine verwegene Charakter- und Lebensmelange ertragen, und ich bin allen überaus dankbar für

unbeugsame Gelassenheit." An diese verwegene Mischung sollten Kollegen wie Gegner denken. Schwer fielen die

letzten Meter und offenbar auch dieses Vorwort: "Wie oft wurde der Kairos der Fertigstellung durch freiberufliche

wie später parlamentarische ,Ablenkung' versäumt, bevor die Erkenntnis dieses traurigen Faktums einer

bemerkenswerten Mischung aus eherner professoraler Geduld (wie Liebenswürdigkeit), sanftem, aber

unerbittlichem familiären Druck und wohl auch ein wenig der beklagenswerten Eitelkeit weichen durfte." Wenn

Eitelkeit solche Sätze produziert, ist sie tatsächlich zu beklagen. Frau und Töchtern ist "diese familienunfreundliche

Lektüre in tiefer Dankbarkeit zugedacht. Sie sind der unerreichte wie dauerhafte ,rechte Augenblick' meines

Lebens." Manche Augenblicke können ziemlich dauerhaft sein. Waren die Lieben nie da, wenn der Doktorand sie

brauchte? Egal, der Verwegene hat es vollbracht: "Berlin, im Winter 2008, Karl-Theodor Frhr. zu Guttenberg". Das

Volk sollte den Kairos nicht verpassen und sich an die Lektüre der Dissertation seines Ministers machen."

 

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Die TAZ schreibt "Nur Genies schreiben den "Dr." selbst - Die meisten Dissertationen sind keine Wissenschaft, meint Kabarettist Schneyder. Ein Bayreuther Forschungskontrolleur verteidigt den Wert des Doktors.".

Daraus auch "Eine Dissertation solle nur schreiben, "wer ein solches Werk eigenständig und in aller Sorgfalt anfertigen kann"." Ob das hingegen heute bei allem un-bildungspolitischen Druck und bewusster Unterfinanzierung des Bildungssystems der Regelfall ist, wage ich sehr zu bezweifeln.

Angesichts der sich häufenden Plagiatsfälle, sehe ich inzwischen eine dezidierte Prüfung jeder einzelnen Dissertation als geboten an, damit sich die Wissenschaft nicht irgendwann ausschließlich aus "Lügenbaron-inn-en" speist. Die Kosten dafür sind nicht exorbitant und überschaubar, betreffen nahezu ausschließlich das Arbeitsentgelt für die Recherche und können etwa durch geschulte und betreute wissenschaftliche Hilfskräfte via Software, Internet und Uni-Bibliothek geleistet werden, tragbar und zu tragen wären sie etwa hälftig von Staat und Promovierenden.

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