Immer einmal wieder: Diskussion um Helmpflicht für Radfahrer

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.04.2011

Blogleser Dr. Frank Bokelmann, der mir schon häufiger Themenvorschläge gemacht hat, hat mich auf einen online-Beitrag des geschätzten Verkehrsrechtlers Adolf Rebler aufmerksam gemacht. Der Beitrag behandelt die Helmpflicht für Radfahrer.

Dr. Bok

elmann:

"Die Diskussion war vom Land Thüringen im vergangenen Sommer (mal wieder) entfacht worden. Eine auch nur irgendwie begrenzte Helmpflicht (z.B. nur für Kinder) wurde vergangene Woche von der Verkehrsminsterkonferenz aber abgelehnt. Das ist gut so, denn das hätte gerade den Jüngsten, die ohnehin meist m

it Helm fahren, wieder mal eine Menge elterlicher Radfahrverbote eingebracht ("Ist gefährlich!") und damit der Gesundheit dieser Kinder einen Bärendienst erwiesen. "

Danke einmal mehr an Herrn Dr. Bokelmann!

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9 Kommentare

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Quote:
Kann es nicht sein, dass beim professionellen Radler das höhere Risiko des schnelleren Fahrers durch besseres Equipment und geübtere Fahrweise ausgeglichen wird?

 

Die Frage kann ich beantworten (Zu mindest für hier in MV): Nein! Zu meist fühlen sich dieses "Profiradler" wie die Herren der Straße und scheren sich nicht besonders darum, ob da ein Radweg ist oder nicht. Die Fahren lustig auf der Straße. Wenn hier richtig hochbetrieb im Sommer ist, dann wird das echt lästig, wenn auf Bundesstraßen solche "Draufgänger" trotz Radweg auf der Straße fahren. Ich verstehe das einfach nicht...

Häufig ist es gar nicht möglich den Radweg zu nutzen, wenn man wirklichen Radsport betreibt. Hier in NRW sind die Radwege für solche Geschwindigkeiten (Ø30km/h) m.E. gar nicht brauchbar. Entweder die Wege sind nicht ordentlich ausgebaut und man muss auf Pflastersteinen fahren oder die ausgebauten Wege sind an den Wochenenden mit Freizeitfahrern verdichtet (was völlig ok ist!).

Ich selbst bin im Vorstand eines Radsportvereines und wir legen allen Fahrern nah sich an die bekannten Regeln zu halten und es muss halt der knappe Verkehrsraum einvernehmlich mit den Autofahrern genutzt werden. Rücksicht von beiden Seiten ist da ein Muss!

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Dass Sie das nicht verstehen, verwundert mich nicht. Sie haben offensichtlich wenig (um nicht zu sagen keine) Ahnung vom sportlichen Radfahren. Radwege sind dafür in aller Regel völlig ungeeignet. Zu schmal, zu viele Äste, zu viele Wurzeln, zu viel Streugut, zu viele Hunde, zu viele Kinderwagen und in nicht einsehbaren Kurven Gegenverkehr. Wenn Sie Strecken von 100, 150 oder mehr Kilometern fahren, haben Sie wenig Lust zwischen Dorf A und Dorf B für 2 Kilometer die Straßenseite zu wechseln, weil da ein Radweg ist. In Dorf B wird der Radweg dann zwanglos zusammen mit dem Fußweg geführt bis er endet und Sie wieder auf die rechte Straßenseite wechseln.
Radwege sind für einen gemütlichen Familienausflug oder für die Fahrt zum Bäcker meist geeignet, für sportliches Fahren nicht.

Es sind auch nicht die Radfahrer, die den Verkehr behindern. Normalerweise nehmen PKW und erst Recht LKW ja wohl deutlich mehr Platz weg als Radfahrer. Normalerweise geht von einem Radfahrer auch keine erhebliche Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer aus. Das kann man von Kraftfahrern, die bei 100 km/h laut hupend mit viel zu geringem Seitenabstand am Radfahrer vorbeifahren, um diesen zu „disziplinieren“, nicht behaupten.

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Die Verkehrsministerkonferenz hat eine Helmpflicht abgelehnt? Echt? Wer hat da denn die Pressemitteilung nur überflogen?

 

In dem entsprechenden Beschlusspapier liest sich das anders:

"4. Das BMVBS wird gebeten, die juristischen Rahmenbedingungen sowie haftungs- und versicherungsrechtlichen Fragen einer Fahrradhelmpflicht für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren zu prüfen.
5. Die Verkehrsministerkonferenz bittet den Bund zu prüfen, ob angesichts der beschleunigten Verbreitung von Pedal Electric Cycle - Fahrrädern (Pedelec) wegen der besonderen Eigenschaften dieser Fahrräder und der sich daraus ergebenden zusätzlichen Gefährdungspotentiale eine Helmtragepflicht bei deren Benutzung vorgeschrieben werden kann.
"

 

Gilt zwar "nur" für U18 und Pedelcs, aber gleichzeitig wurde das BMVBS "gebeten, den Abschlussbericht der [thüringschen] Expertenkommission dem zuständigen Bund-Länder-Arbeitskreis "Fahrradverkehr" zur Bewertung vorzulegen und über die Ergebnisse zu den Ziffern 3, 4 und 5 zur Verkehrsministerkonferenz im Herbst 2011 einen Zwischenbericht vorzulegen."

 

Eine Ablehnung der Helmpflicht klingt anders.

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Dortmund schrieb:

 

In dem entsprechenden Beschlusspapier liest sich das anders:

"4. Das BMVBS wird gebeten, die juristischen Rahmenbedingungen sowie haftungs- und versicherungsrechtlichen Fragen einer Fahrradhelmpflicht für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren zu prüfen.
5. Die Verkehrsministerkonferenz bittet den Bund zu prüfen, ob angesichts der beschleunigten Verbreitung von Pedal Electric Cycle - Fahrrädern (Pedelec) wegen der besonderen Eigenschaften dieser Fahrräder und der sich daraus ergebenden zusätzlichen Gefährdungspotentiale eine Helmtragepflicht bei deren Benutzung vorgeschrieben werden kann.
"

Eine Ablehnung der Helmpflicht klingt anders.

 

zu 4.: Das ist das Ende der Diskussion. Denn gerade Kinder sollten ja eigentlich haftungsrechtlich priveligiert sein. Das würde bei einer Helmpflicht dann wegfallen, sofern kein Helm getragen würde. Da ist es dann doch besser, einfach eine inzwischen recht hohe Helmtragequote zu akzepzieren, die sich bei den Kleinen inzwischen auch ohne staatliche Pflicht eingestellt hat und mit Pflicht auch kaum noch zu erhöhen wäre.

 

zu 5. Mofa-Fahrer haben schon länger eine Helmpflicht. Pedecs sind ebenfalls schneller als Fahrräder. ALso kein erstaunlicher Gedanke.

 

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Mit entsprechenden Designs kriegt man Jugendliche auch dazu, das freiwillig zu tun, Jugendliche sind da doch relativ gut beeinflussbar: siehe z.B. die Helme bei www.fanbike.de

Entsprechendes aus anderen Bereichen (Musik, Computerspiele), wäre sicherlich auch geeignet, daß Helme freiwillig getragen werden.

 

 

 

Viel wichtiger für die Sicherheit als Helmpflicht wäre eine Verbesserung der Beleuchtung:

1. Pflicht zur Benutzung von Beleuchtung bei allen Fahrrädern, die außerorts auf Straßen (also nicht auf baulich getrennten Radwegen, Waldwegen etc.) unterwegs sind.

2. Pflicht zur Benutzung von Reflektoren, wahlweise am Fahrrad oder an passender Stelle auf der Kleidung angebracht.

3. Erlaubnis der Verwendung von batteriebetriebener Beleuchtung.

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#6: Viel wichtiger für die Sicherheit als Helmpflicht und Verbesserung der Beleuchtung wäre es, die Unfallverursacher zu veranlassen, dahin zu gucken, wohin sie fahren, bevor sie fahren. Fehlende oder defekte Beleuchtung ist zwar medial immer ganz vorne, wenn es um Radfahrerunfälle geht, nur findet man sie in der Unfallstatistik praktisch nicht. Sie machen allenfalls einen kleinen einstelligen Prozentsatz der Unfallursachen aus. Dass der Unfallgegner dem Radfahrer die Vorfahrt genommen hat, ist hingegen eine der wirklich statistisch nachweisbaren großen Unfallursachen. Die meisten der Radverkehrsunfälle sind vom Unfallgegner Autofahrer verursacht. Und unter diesen Unfällen ist wiederum der Abbiegeunfall ein sehr häufiger. Der Radfahrer fährt bei Grün und geradeaus mit Vorfahrt und trotzdem wird er vom abbiegenden Kfz-Fahrer umgenietet. Viele Autofahrer sind also offenbar nicht bereit (oder in der Lage), durch ihre Scheibe erst dahin zu gucken, wohin sie in der nächsten Sekunde fahren. Viel wichtiger als Unfallfolgenminderung (Helme) und Technikdiskussion bei nahezu irrelevanten Themen (Fahrradbeleuchtung) wäre es, sich der Unfallursachen und der Verursacher anzunehmen.

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Interessanter Denkansatz: "Weil Radfahrer so oft übersehen werden, ist es nicht nötig, sie leichter sichtbar zu machen." ;)

 

Die herkömmliche Fahrradbeleuchtung taugt ohnehin wenig, auch wenn sie funktioniert. Batteriebetriebene Systeme mit besserer Leuchtkraft sind aber nicht uneingeschränkt erlaubt.

Bei dynamobetriebenen Lampen besteht immer ein gewisser Unwille, diese zu verwenden, weil sie das Treten anstrengender machen (auch wenn der Unterschied bei modernen Dynamos praktisch nicht mehr auffällt.) Es ist natürlich nicht sehr sinnvoll, wenn die Beleuchtung zwar funktioniert, aber erst benutzt wird, wenns gar nicht mehr anders geht. Gerade in der Dämmerung dient das Licht dem Gesehen werden, nicht dem Sehen. Allerdings wird trotzdem jeder Autofahrer was auf den Deckel bekommen, der in der Dämmerung einen unbeleuchteten Radfahrer beim Abbiegen uebersieht. Das taucht dann auch in der Statistik als Abbiegeunfall auf und nicht als "fehlende Beleuchtung". (Soviel zum Wert der Statistik.)

 

Daß die fehlende Beleuchtung kein Problem ist, sieht die Polizei wohl nicht ganz so, Die akzeptiert ja inzwischen oft die eigentlich unzulässige Batteriebeleuchtung nach dem Motto: "Wir sind froh, wenn da ueberhaupt was leuchtet."

 

Dazu kommt noch, daß immer mehr Autos mit Licht fahren. Auch das senkt die Auffälligkeit von unbeleuchteten Radfahrern erheblich. Weniger im Stadtverkehr, wo man ja eigentlich immer damit rechnen kann, daß irgendwelche Fußgänger, Radfahrer, Inlineskater etc. auch mal die Straße überqueren, als vielmehr auf Landstraßen.

 

Wobei es ja im Eigeninteresse der Radfahrer ist (bzw. sein sollte), sich zu sichern, sei es mit Licht zur Unfallvermeidung oder mit Helm zur Schadensreduzierung. "Die anderen müssten sich ändern" führt als Einstellung nicht weiter. Wir schaffen ja auch nicht Airbags und Sicherheitsgurte mit der Begründung ab, daß wir lieber alle auffordern sollten, so vorsichtig zu fahren, damit es nicht mehr zu Unfällen kommt.

Wenns tatsächlich knallt ist - egal wer Schuld hat - der Radfahrer derjenige, der die körperlichen Schäden hat und nicht nur ne Beule im Blech.

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 #8: Sie unterstellen mir einen "Denkansatz", den ich nicht habe. Mein "Viel wichter als" ist etwas völlig Anderes als Ihr "nicht nötig". Ich fahre mit im Rahmen des Zulässigen gutem und zuverlässigem Licht und ärgere mich über von mir so genannte "Schwarzfahrer" unter den Radfahrern. Aber das Thema, dem Sie sich zuwenden, ist eben kaum unfallrelevant. Ihr Engagement in Ehren (in der Forderung nach gutem und zuverlässigem Licht am Rad unterstütze ich Sie auch uneingeschränkt), aber es gibt meines Erachtens (noch) wichtigere Themen bei der Verkehrssicherheit. Ihre Worte laufen auf eine Aufrüstung hinaus: Radfahrer sollen sich mit Licht und Helm schützen, vielleicht gar statt Fahrrad ein Auto mit sieben Airbags benutzen und statt eines herkömmlichen Pkw einen Panzer, aber Täter sollen weiter unbehelligt bleiben. Da habe und bewerbe ich andere Prioritäten. Und wahrscheinlich wollen Sie sich als Autofahrer im Falle eines fremdverschuldeten Unfalles auch nicht den Vorwurf gefallen lassen, Sie hätten aber einen gewöhnlichen VW Golf benutzt und keinen Leopard II - mit einem Panzer hätten Sie nun keinen körperlichen Schaden, und mit der Nutzung eines rundum in retroreflektierende Folie gewickelten Leopard II hätten Sie den (fremdverschuldeten!) Unfall gar vermeiden können. Ich werbe daher dafür, die Prioritäten nach den erzielbaren Effekten zu setzen und bei Vorwürfen/Forderungen an irgendwelche Radfahrer die Kirche im Dorf zu lassen.

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