BAG erleichtert sachgrundlose Befristung trotz vorheriger Beschäftigung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.04.2011

 

Das BAG hat seine Rechtsprechung zur sachgrundlosen Befristung in einem praktisch sehr bedeutsamen Punkt geändert (BAG Urteil vom 6.4.2011 – 7 AZR 716/09, Pressemitteilung Nr. 25/11). Es geht um das sog. Vorbeschäftigungsverbot. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Das gilt nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Nach der bisherigen - noch im Jahre 2009 bestätigten (BAG 29.7.2009 – 7 AZN 368/09, ZTR 2009, 544) - Rechtsprechung sollte jedes irgendwann in der Vergangenheit liegendes Arbeitsverhältnis ein die sachgrundlose Befristung hinderndes „bereits-zuvor-Arbeitsverhältnis“ sein. Das sollte nach der auch von weiten Teilen des Schrifttums geteilten Meinung sogar dazu führen, das eine Jahrzehnte zurückliegende Beschäftigung als Werkstudent als relevante Vorbeschäftigung die sachgrundlose Befristung hindert. Von Teilen der Literatur ist das mit Recht kritisiert worden und auch die Regierung hatte im Koalitionsvertrag in diesem Punkt ein Tätigwerden angekündigt, es bei der bloßen Ankündigung allerdings dann belassen. Nunmehr schafft das BAG Fakten: Eine „Zuvor-Beschäftigung“ im Sinne dieser Vorschrift soll nach der jetzt bekanntgegebenen Entscheidung nicht vorliegen, wenn ein früheres Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergäbe die an ihrem Sinn und Zweck orientierte, verfassungskonforme Auslegung der gesetzlichen Regelung. Diese solle zum einen Arbeitgebern ermöglichen, auf schwankende Auftragslagen und wechselnde Marktbedingungen durch befristete Einstellungen zu reagieren, und für Arbeitnehmer eine Brücke zur Dauerbeschäftigung schaffen. Zum andern sollten durch das Verbot der „Zuvor-Beschäftigung“ Befristungsketten und der Missbrauch befristeter Arbeitsverträge verhindert werden. Das Verbot könne allerdings auch zu einem Einstellungshindernis werden. Seine Anwendung sei daher nur insoweit gerechtfertigt, als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist. Das sei bei lange Zeit zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der Fall. Hier rechtfertige der Gesetzeszweck die Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien und die damit verbundene Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers nicht. Die Gefahr missbräuchlicher Befristungsketten bestehe regelmäßig nicht mehr, wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen. Dieser Zeitraum entspräche auch der gesetzgeberischen Wertung, die in der regelmäßigen zivilrechtlichen Verjährungsfrist zum Ausdruck kommt. 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

5 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Befriedung, Vertrauensschutz, Gewaltenteilung. Und drei Fragezeichen:

 

1.) Recht ist ein Konfliktlösungsmechanismus. Letzinstanzliche Entscheidungen wie die hier von Professor Stoffels vorgestellte haben auch eine Befriedungsfunktion. Einmal muss Schluss sein, und das ist auch gut so. Die Klägerin vor dem 7. Senat, eine bayerische Lehrerin, hat es freilich nun in 3. Instanz "mit Brief und Siegel", dass sie ihren Job verliert, denn die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses sei wirksam. Das ist so, weil das BAG seine Rechtsprechung geändert hat. Trotz einer Beschäftigung, die sie "bereits zuvor" i. S. d. § 14 Abs. 2 TzBfG in den Diensten desselben Arbeitgebers ausübte, soll - entgegen dem Wortlaut der Vorschrift - eine sachgrundlose Befristung zulässig sein, wenn denn nur das "Bereits zuvor" lange genug her ist. Der rechtssuchenden Bevölkerung sind solche "Schwenks" in der Rechtsprechung schwer zu vermitteln, und das Urteil vom 06.04.2011 trägt zur Befriedung nicht bei. Das liegt daran, dass derselbe Senat noch vor kurzem dieselben Argumente als längst ausdiskutiert abgetan hat, mit denen er jetzt der klagenden Arbeitnehmerin bescheidet, von Verfassungs wegen sei eine formalistische Bereits-zuvor-Auslegung (irgendein Job irgendwann in der Vergangenheit verhindert schon die spätere Befristung) nicht gerechtfertigt. In puncto Neueinstellung sei beim selben Arbeitgeber die im Fall des Befristungsverbots gegebene "Einschränkung der Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers" nicht zu rechtfertigen. Im Klartext: Die Frau wurde unter Beachtung ihrer eigenen Grundrechte arbeitslos, bei traditioneller Auslegung des § 14 Abs. 2 TzBfG hätte sie ihre Arbeitsstelle noch. Das erkläre man einmal dem Laien! Vielleicht wundert sich auch so mancher Fachmann. So liest man etwa bei Tillmanns, in: Däubler/Hjort u. a., ArbeitsR, 2. Aufl. 2010, Rn. 93 zu § 14 TzBfG, gegen die Norm würden "verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, weil der Arbeitgeber ohne jeden Grund ein Arbeitsverh. nach Ablauf der Befristung beenden kann und damit nicht einmal der grundrechtliche Mindestbestandsschutz nach Art. 12 Abs. 1 GG gewahrt" sei. Da kommt man, soweit ich es verstehe, ebenfalls unter Berufung auf die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit zum glatten Gegenteil.

 

2.) Ein Wort zur Rechtssicherheit: Gerade anderhalb Jahre vor dem nunmehrigen Urteil fuhr vor demselben 7. Senat des Bundesarbeitsgericht hörte sich das alles ganz anders an. Prof. Stoffels hat den Beschluss vom 29.07.2009 ja erwähnt. Ich darf mal daraus zitieren:

 

"Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass es auf den zeitlichen Abstand zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und dem nunmehr ohne Sachgrund befristeten Arbeitsverhältnis (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 690/ 02 - BAGE 108, 269) ebenso wenig ankommt wie auf die Art der vorherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers in dem Betrieb oder für den Betriebsinhaber (BAG 18. Oktober 2006 - 7 AZR 145/ 06, BAGE 120, 34.) Die Zulassung der Revision ist nicht wegen der vereinzelt im Schrifttum geäußerten Kritik [...] an dieser Rechtsprechung geboten. Der Senat hält ebenso wie der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts den Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG für eindeutig." Da fuhr also der schwere Hammer mit Namen "2 x amtliche Sammlung" auf den erfolglosen Beschwerdeführer danieder. Besonders überzeugend fand ich den Hinweis auf die "ollen Kamellen", die noch im Juli 2009 in Erfurt niemand schmeckten: "Die [...] angeführten Argumente sind überdies nicht neu, sondern bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des TzBfG von den Befürwortern einer einschränkenden Auslegung des Anschlussverbots angeführt worden." -  Jetzt hat Erfurt also doch herzhaft zugebissen.

 

3.) Und ein Drittes: Der Gesetzgeber fand schon im Jahr 2005 den § 14 Abs. 2 TzBfG reformbedürftig. Geändert hat er die Vorschrift dann doch nicht. Der unbefangene Betrachter zieht daraus den Schluss, wenn der Gesetzgeber seine Gesetze nicht ändert, dann gelten die Normen in ihrem bisherigen Inhalt weiter. Tja, so ist es halt doch nicht.

 

Rechtsanwalt und Fachanw. f. Arbeitsrecht M. Bender, Karlsruhe

0

Da dieses Urteil nunmehr eine Kehrtwende sowohl zur bisherigen Rechtsprechung desselben Senats (7.) als auch des 2. Senats darstellt, wirft dies die Frage auf, weshalb nicht der Große Senat darüber zu befinden hatte.

Besteht die Möglichkeit, dass der Grpße Senat bzgl. derselben Fragestellung in Zukunft nochmals anders entscheidet und damit die bis vor dem BAG Urteil v. 6.4.2011 geltende Rechtslage (Schädlichkeit einer jeden 'Zuvor-Beschäftigung' im Rahmen des § 14 Abs. 2, S. 2 TzBfG) doch wieder auflebt?

Vielen Dank für Meinungen hierzu.

0

@ M. Berner (# 2)

 

Man sollte abwarten, bis neben der bisher vorliegenden Pressemitteilung die Entscheidungsgründe als solcher veröffentlicht sind. Vielleicht finden sich dort Ausführungen, weshalb der Große Senat nicht gem. § 45 ArbGG damit befasst wurde. Denkbar wäre, dass der 2. Senat auf Anfrage erklärt hat, dass er an der früheren Ansicht nicht mehr festhält.

 

Rechtsanwalt und Fachanw. f. Arbeitsrecht M. Bender, Karlsruhe

 

0

Das Urteil ist aus rechtsmethodischer Sicht nicht haltbar. Der Wortlaut "bereits zuvor" ist eindeutig im Sinne von "jemals zuvor" oder "irgendwann zuvor". Dies hatte der erkennende 7.Senat in einem Beschluss vom 29.7.2009 (ZTR 2009,544) noch genauso gesehen. Weiterhin gesteht das BAG sogar selbst zu, dass auch die Gesetzesgeschichte des TzBfG dafür spricht, das Verbot der Vorbeschäftigung in § 14 Abs.2 Satz 2 TzBfG zeitlich unbeschränkt zu verstehen. Das BAG beruft sich maßgeblich auf den Zweck der Regelung, nämlich die Verhinderung von Befristungsketten. Hierzu ist anzumerken, dass es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs.  14/4374,S.14 heißt: "Die erleichterte Befristung eines Arbeitsvertrags ist künftig nur bei einer Neueinstellung zulässig, d.h. bei der erstmaligen Beschäftigung eines AN durch einen AG." Klarer kann die Aussage kaum sein. Wenn aber die Gesetzesbegründung eine unmittelbare Antwort auf die zu entscheidende Rechtsfrage gibt, sind allgemeine Zweck-Überlegungen absolut überflüssig.(Vgl. Honsell, Historische Argumente im Zivilrecht, S.97/98: Dem historischen Argument kommt dann ein erhebliches, von weiteren Überlegungen entlastendes Gewicht zu) Das Urteil des BAG steht auch in Widerspruch zu den aktuellen methodischen Grundsatzaussagen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Gerichte verfassungsrechtlich an die gesetzgeberische Grundentscheidung, die sich u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließen lässt, gebunden sind.(BVerfG, NJW 2011,836; 2012,669) In einer Entscheidung vom 11.7.2012 - 1 BvR 3142/07 - hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass eine Rechtsfortbildung nur dann keine unzulässige richterliche Eigenmacht darstellt, wenn durch sie der erkennbare Wille des Gesetzgebers nicht beiseite geschoben und durch eine autark getroffene richterliche Abwägung  der Interessen ersetzt wird. Genau dies ist aber dem BAG hier vorzuwerfen.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Wedel, Oberasbach

5

Kommentar hinzufügen