Aus der SVR: Vorsatz beim Abstandsverstoß?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.04.2011

Eine durchaus interessanten Frage: Kann bei besonders straken Abstandsverstößen von Vorsatz ausgegangen werden? Das OLG Bamberg, Beschluss vom 20. 10. 2010 - 3 Ss OWi 1704/10 =  = = SVR 2011, 76 hat dies verneint. Hier meine Ausführungen in der Besprechung in der SVR ausschittsweise:


Sachverhalt:

Der Betroffene befuhr als Fahrzeugführer eines Pkw die BAB, wobei er bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h zum vorausfahrenden Fahrzeug einen Abstand von nur 17,85 Metern und damit von weniger als 3/10 des halben Tachowertes einhielt. Das AG verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Nichteinhaltung des Mindestabstandes von einem vorausfahrenden Fahrzeug zu einer Geldbuße von 160 € und setzte gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat fest. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts gerügt hat, führte zu einer Abänderung der Schuldform.

Entscheidung des Gerichts:

Der Schuldspruch konnte keinen Bestand haben, soweit das AG von einer (bedingt) vorsätzlichen Verwirklichung des Abstandsverstoßes ausgeht. Denn das AG hat die Annahme eines Tatvorsatzes des vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen, seine Fahrereigenschaft einräumenden Betroffenen hier allein mit dem Ausmaß der Abstandsunterschreitung begründet, ohne sich mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen auseinander zu setzen. Die Ansicht des AG führte letztlich dazu, dass in vergleichbaren Fällen immer Vorsatz anzunehmen wäre, wenn auch ab einer gewissen Gefährdungsgrenze ein (bedingt) vorsätzliches Verhalten in der Tat nahe liegen wird.

Eine Zurückverweisung hielt das OLG nicht notwendig, sondern hat gem. § OWIG § 79 Abs. OWIG § 79 Absatz 6 OWiG eine eigene Sachentscheidung getroffen. Insbesondere war es dem OLG nicht erkennbar, dass erhebliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise hinreichend rechtfertigen könnten.  

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2 Kommentare

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Sobald es ums geliebte Auto geht, schaltet der Deutsche den Verstand aus. Man stelle sich nur einmal entsprechend folgende Entscheidung vor:

 

Sachverhalt:

Der Betroffene betätigte als Verwender einer Pistole den Abzug, wobei er zum vor der Mündung des Laufs liegenden Geschädigten einen Abstand von nur 17,85 m und damit von weniger als 3/10 der Reichweite der Waffe einhielt. Das LG verurteilte den Betroffenen wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren. Die Revision des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts gerügt hat, führte zu einer Abänderung des Schuldspruchs.

 

Entscheidung des Gerichts:

Der Schuldspruch konnte keinen Bestand haben, soweit das LG von einer (bedingt) vorsätzlichen Verwirklichung des Tatbestands ausgeht. Denn das LG hat die Annahme eines Tötungsvorsatzes des seine Tätereigenschaft einräumenden Betroffenen hier allein mit dem Ausmaß der Abstandsunterschreitung begründet, ohne sich mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen auseinander zu setzen. Die Ansicht des LG führte letztlich dazu, dass in vergleichbaren Fällen immer Vorsatz anzunehmen wäre, wenn auch ab einer gewissen Gefährdungsgrenze ein (bedingt) vorsätzliches Verhalten in der Tat nahe liegen wird.

Eine Zurückverweisung hielt das erkennende Gericht nicht notwendig, sondern hat [...] eine eigene Sachentscheidung getroffen. Insbesondere war es dem erkennenden Gericht nicht erkennbar, dass erhebliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen werden können, welche die Annahme einer vorsätzlichen Begehungsweise hinreichend rechtfertigen könnten.

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Ich denke man kann sich schon fragen, ob es nicht eine Grenze gibt, welche den Vorsatz indiziert. Bei der Geschwindigkeit wird regelmäßig bei 50% Überschreitung von Vorsatz ausgegangen, da man bestimmte Dinge einfach wahrnehmen muss. Es müssen dann schon besondere Umstände vorliegen, um diese Indizwirkung zu entkräften.

Weshalb kann Ähnliches nicht für Abstanddelikte gelten? Im geschilderten Fall wurde der Regelabstand um fast exakt 2/3 unterschritten. Kann man jemanden allen Ernstes Auto fahren lassen, der sowas nicht annähernd einschätzen kann oder offensichtlich eben bewusst ignoriert? Da liegt doch gerade nicht nur ein nackter Zahlenwert vor, sondern ein Verhältnis von Soll zu Ist, das einem durchschnittlichen Fahrer nicht verborgen bleiben kann. Man muss sich im Verkehrsrecht vielleicht auch mal die (Begründungs-) Formulierungen aus anderen Strafrechtsbereichen ansehen.

Kommt es zum Unfall, ich gehe mal nur von einer minimalen Berührung des Auffahrenden aus, wird von den Rechtsanwälten verschiedenster "Juristenforen" höchstmögliches Schmerzensgeld wegen HWS-Trauma gefordert. Widersprechen sich da nicht solche Ansichten/Rechtspositionen?

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