Gutachter des RWI sehen keine Notwendigkeit staatlicher Eingriffe in das Tarifrecht

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.03.2011

Die Bundesregierung sollte der tariflichen Vielfalt eine Bewährungschance geben und auf eine gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes der Tarifeinheit verzichten. So lautet die Empfehlung der Gutachter des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI). Die Studie war vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben worden. Pikant ist, dass der Bundeswirtschaftsminister, Rainer Brüderle, erst vor wenigen Tagen selbst mit einem Vorschlag hervorgetreten war, der auf eine gesetzgeberischen Eingriff zielt (Abstimmung der Belegschaft über konkurrierende Tarifverträge). Das RWI führt in seiner Studie demgegenüber aus, das Urteil des BAG zur Aufhebung der Tarifeinheit vom Juni 2010 habe bisher zu keinem starken Anstieg der Neugründungen von Gewerkschaften geführt. Auch ist es bisher nicht zu vermehrten Arbeitskämpfen gekommen. Auch für die absehbare Zukunft sei davon auszugehen, dass sich voraussichtlich nur wenige Spartengewerkschaften neu gründen werden. Einen Eingriff des Gesetzgebers zugunsten der Tarifeinheit, wie er von BDA und DGB gefordert wird, hält das RWI zum jetzigen Zeitpunkt daher für unnötig. Die Tarifpluralität solle eine Bewährungschance erhalten, selbst wenn sie zu Verschiebungen in den betrieblichen Lohnstrukturen führt. Sollte es sich letztlich doch herausstellen, dass es in Folge des BAG-Urteils sowohl zu mehr Tarifpluralität als auch dadurch zu erheblichen Störungen des Tarifvertragssystems und massiven wirtschaftlichen Problemen aufgrund von häufigen Arbeitskämpfen kommt, sollten Änderungen beim Arbeitskampfrecht erfolgen. Diese ließen sich so ausgestalten, dass sie nur begrenzt in die Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften eingreifen. Dazu liefert die RWI-Studie einen konkreten Vorschlag, der zwei Kernelemente beinhaltet: Erstens sollten die Tarifverhandlungen innerhalb eines Betriebs durch verfassungsrechtlich unproblematische verfahrensrechtliche Regelungen koordiniert werden. Zweitens sollte das Streikrecht nach Abschluss eines Tarifvertrags eingeschränkt werden, um lähmende Arbeitskämpfe zu vermeiden.

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