Paukenschlag aus Karlsruhe - Die Grenzen der Auslegung

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 12.02.2011

 

Mit einem Paukenschlag hat das BVerfG (Beschluss v. 25.01.2011 - 1 BvR 918/10; 5: 3 Stimmen) einen wichtigen Baustein der Rechtsprechung des BGH zum nachehelichen Unterhalt als verfassungswidrig gekippt.

Um was geht es?

Ausgangspunkt ist der auch bei der Unterhaltsreform unverändert gelassene § 1578 BGB:

 

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.

 

Was geschieht, wenn der seiner Exfrau unterhaltsverpflichtete Ehemann wieder heiratet?

 

Erstmals mit seinem Urteil vom 30.07.2008 - XII ZR 177/06 (= NJW 2008, 3213) vertrat der BGH die Theorie der Wandelbarkeit der ehelichen Verhältnisse und wandte bei der Berechnung des Unterhalts der geschiedenen Frau die sogenannte Drittelmethode oder Dreiteilungsmethode an.

 

Dabei werden die Einkommen des Mannes und beider Ehefrauen addiert und die Summe durch 3 geteilt. Dieses Drittel ist dann abzüglich eines Eigenverdienstes der Exfrau deren Unterhaltsanspruch. Mittels einer Kontrollrechnung stellte der BGH sicher, dass der geschiedene Ehegatte maximal in der Höhe Unterhalt erhielt, die sich ergäbe, wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte.

 

Die Drittelmethode führte zu einer erheblichen Verschlechterung der Stellung der geschiedenen Ehefrau.

 

Beispiel:

Einkommen Mann: 3000 €; Einkommen Frau: 1.000 €. Herkömmliche Berechnung: (3000 – 1000), davon 3/7 = 857,14 € Unterhaltsanspruch.

 

Heiratet der Mann wieder und hat die neue Ehefrau kein Einkommen ist nach der Drittelmethode (unter Vernachlässigung von Synergieeffekten des Zusammenlebens von Mann und neuer Ehefrau) zu rechnen:

3.000 + 1.000 + 0 = 4.000

davon 1/3 = 1.333 = Bedarf; 1333 - 1.000 Eigeneinkommen = 333 € Unterhaltsanspruch.

 

Das BVerfG führt aus, diese Art der Unterhaltsberechnung sei mit keiner der geläufigen Auslegungsmethoden aus dem Gesetzestext zu entnehmen.

Art. 20 Abs. 2 GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist (…), schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (…). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt.

Sie {die Drittelmethode} verlässt die nach §§ 1569 ff. BGB zur Prüfung nachehelicher Unterhaltsansprüche vom Gesetzgeber 1977 vorgegebene und 2007 beibehaltene unterhaltsrechtliche Systematik und nimmt einen Systemwechsel vor, bei dem sie die in § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene gesetzgeberische Grundentscheidung durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzt.

(...)

Sofern der Gesetzgeber die Bestimmung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB oder die Art der Unterhaltsberechnung insbesondere bei aufeinanderfolgenden ehelichen Unterhaltsverbänden einer Änderung unterziehen will, ist es seine Sache, per Gesetz die Kriterien und Berechnungsweisen dafür vorzugeben.

 

Entscheidungen, bei denen die Drittelmethode zu Lasten der geschieden Ehefrau angewandt wurde, sind mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 238 III FamFG abänderbar.

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3 Kommentare

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Das BVerfG wird offenbar tatsächlich immer mehr zur obersten und ggf. zweiten Revisionsinstanz. Das ist nicht schön. Die Auslegung des BGB sollte doch bitte beim BGH verbleiben.

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Das BVerfG hat den Gesetzgeber leider wieder einmal dafür gerügen müssen, dass er Gesetze schlampig macht. Das ist der wahre Mißstand.

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Dieses Urteil stellt vor Allem die, von den Gerichten selbstgeschaffenen und in der Verfassung nicht vorgesehenen Konstrukte, der Düsseldorfer Tabelle und OLG-Leitlinien in Frage.

 

Das BVerfG hat die Fachgerichte daran erinnert, dass sie Gesetze anzuwenden haben und nicht ihre eigene Rechtsphantasie.

 

Da weder die DT, noch die OLG-Leitlinien irgendeine Gesetzesgrundlage haben, sondern diesen teilweise diametral entgegen stehen, verstoßen sie gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze.

Z.B. steht in §1610 BGB ausdrücklich:

"(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt)."

 

Die DT richtet sich aber nach der Lebenstellung des Pflichtigen. Das ist auch dann gesetzeswidrig, wenn ein Richter die Idee entwickelt, die Lebensstellung des Kindes leite sich von der des Pflichtigen ab.

Ebenso verhält es sich mit den Umgangskosten.

Es hat sich eingebürgert, diese alleine dem Umgangspflichtigen aufzubürden, obwohl es auch dafür keine gesetzliche Grundlage gibt.

Es ist an der Zeit, diese Konstrukte abzuschaffen, bzw. zu ignorien.

Ein Richter ist auschließlich dem Gesetz und seinem Gewissen verantwortlich.

DT und OLG-Leitlinien, sind meines Wissens, keins von beidem.

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