Zustellungsfehler: "Urteilszustellung an Verteidiger"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 11.02.2011

Aus BGH, Beschl. v. 14.12.2010 - 1 StR 420/10 -:


"....Die Verteidiger Rechtsanwältin S. und Rechtsanwalt Dr. G. , in unterschiedlichen Kanzleien tätig, haben unabhängig voneinander Revision eingelegt. Nachdem der Vorsitzende Urteilszustellung „an Verteidiger" verfügt hatte, wurde das Urteil am 1. Februar 2010 nur Rechtsanwältin S. zugestellt, Rechtsanwalt Dr. G. wurde auch nicht von der Zustellung unterrichtet. Eine Revisionsbegründung unterblieb. Auf Hinweis der Staatsanwaltschaft ordnete der Vorsitzende am 11. Mai 2010 Zustellung an Rechtsanwalt Dr. G. an, die am 17. Mai 2010 erfolgte. Mit am 10. Juni 2010 eingegangenem Schriftsatz hat dieser die Revision mit der Sachrüge begründet.

b) Der Generalbundesanwalt hält die Zustellung vom 1. Februar 2010 für wirksam, auch wenn nicht an Rechtsanwalt Dr. G. zugestellt worden und er auch nicht von der Zustellung unterrichtet worden sei (vgl. BVerfG NJW 2001, 2532 f, 2002, 1640). Die am 1. März 2010 ergebnislos abgelaufene Revisionsbegründungsfrist (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) sei durch die spätere Zustellung an Rechtsanwalt Dr. G. nicht erneut in Lauf gesetzt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1968 - 1 StR 77/68, BGHSt 22, 221).

c) Vom Antrag des Generalbundesanwalts unterrichtet, hat Rechtsanwältin S. mit Schriftsatz vom 21. September 2010 näher begründet Wiedereinsetzung hinsichtlich der Revisionsbegründung beantragt und die Sachrüge angebracht.

d) Die Zustellung vom 1. Februar 2010 ist unwirksam, weil sie auf keiner wirksamen Zustellungsanordnung des Vorsitzenden (§ 36 Abs. 1 Satz 1 StPO) beruht. Die Anordnung, „an Verteidiger" zuzustellen, konnte die mit der Zustellung betraute Geschäftsstelle (§ 36 Abs. 1 Satz 2 StPO) dahin verstehen, es sei nur an einen Verteidiger zuzustellen, es ist aber unklar, an welchen. Dies begründet den Anschein, der Zustellungsempfänger sei nicht durch den allein hierfür zuständigen Vorsitzenden bestimmt, sondern durch die Geschäftsstelle. Ein Fall, in dem eine nur allgemein gehaltene Zustellungsanordnung deshalb wirksam wäre, weil am Zustellungsempfänger kein Zweifel besteht, liegt, wie der Verfahrensgang belegt, hier nicht vor (vgl. zu alledem auch OLG Celle Nds. Rpfl. 1984, 173 f mwN). Die auf der eindeutigen Anordnung vom 11. Mai 2010 beruhende Zustellung an Rechtsanwalt Dr. G. hat die Revisionsbegründungsfrist demgegenüber in Lauf gesetzt. Innerhalb dieser Frist wurde die Revision ordnungsgemäß mit der Sachrüge begründet...."

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2 Kommentare

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Und warum wurde die Revision nicht einfach gleich mit der (allgemeinen) Sachrüge begründet?

 

Aber andere Frage: Ist das noch ein Verkehrsrechtsblog, oder jetzt ganz offiziell ein Strafprozessrechtsblog?

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