Der umgangsunwilige Vater

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 11.02.2011

Der 1998 geborene Sohn R. der Beteiligten lebt nun beim Vater, der auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht inne hat. R. lehnt Besuche bei der Mutter ab. Das AG hat das Umgangsrecht der Mutter für ein Jahr ausgeschlossen. Die Beschwerde der Mutter blieb erfolglos. Allerdings schreibt das OLG dem Vater harte Worte ins Stammbuch:

 

Allerdings verstößt der Vater dauerhaft und beharrlich gegen seine oben beschriebene, § 1684 Abs. 2 BGB entspringende Wohlverhaltenspflicht. Denn er stellt es R. aktenersichtlich frei, ob dieser Umgang mit der Mutter haben will oder nicht, wobei erschwerend hinzukommt, dass er sich hierzu jedenfalls auch aus sachfremden, kindeswohlwidrigen Motiven hinreißen lässt. Dies hat er selbst im Anhörungstermin vom 20. April 2010 anschaulich werden lassen, in welchem er darauf hingewiesen hat, dass er selbst R. früher – also vor dem Obhutswechsel – „auch nur alle zwei Wochen sehen durfte“. Diese Äußerung, die Spiegel des Gesamtverhaltens des Vaters in Bezug auf den Umgang R. mit der Mutter ist, lässt den unabdingbaren Abstand und die notwendige selbstkritische Befassung mit dem eigenen erzieherischen Verhalten vermissen, die jeder Elternteil seinem Kind auch dann schuldet, wenn er wegen von ihm so empfundenen Fehlverhaltens des anderen Elternteils diesem jenes gerne „heimzahlen“ würde.

Die zumindest nonverbale Ablehnung des Umgangs der Mutter mit R. durch den Vater überträgt sich dabei umso heftiger auf R., als jener für diesen dem überzeugenden Sachverständigengutachten zufolge große Vorbildfunktion hat. R. ordnet sich weitgehend der Weltanschauung, den Ansichten und der Lebensweise seines Vaters unter. Umso mehr hätte der Vater es also in der Hand – und war und bleibt er verpflichtet –,R. zumindest zu Umgangskontakten im Beisein Dritter zu motivieren und zu bewegen, wobei der Senat Verständnis dafür hat, dass die Mutter den Umgang zuletzt aufgrund gegen sie erhobener Vorwürfe nicht mehr alleine mit R. ausüben wollte.

Unbeschadet des Umstandes, dass der Vater R. ersichtlich von der Mutter und deren Familie zu entfremden sucht, ist nach Auffassung des Senats bei den derzeit gegebenen Gesamtumständen eine Umgangsanordnung im Lichte R. Wohls nicht vertretbar. Diese müsste angesichts der in der Vergangenheit gescheiterten Versuche, R. dauerhaft zu freiwilligem Umgang mit seiner Mutter zu bewegen, zwangsweise gegen den Vater durchgesetzt werden. Wollte man – auf dem Umweg über solche Zwangsmaßnahmen – den Willen R. brechen, der angesichts seines Alters von inzwischen fast 13 Jahren erhebliches Gewicht mit Blick auf sein zunehmendes Bedürfnis nach Selbstbestimmung hat, so beeinträchtigte dies zum einen sein Selbstwertgefühl stark, was seine Persönlichkeitsentwicklung gefährdete. Zum anderen bärge dies die leicht vorhersehbare und unmittelbare Gefahr, dass R. seine Mutter noch mehr ablehnt und sich gerade dadurch noch stärker mit seinem Vater solidarisiert. Dies wiederum machte nicht nur die Hoffnung auf eine erneute Annäherung R. an seine Mutter völlig zunichte, sondern bedeutete zugleich eine Verstärkung der bereits durch Symbioseelemente gekennzeichneten Beziehung R. zu seinem Vater. Dann würde R. noch stärker in eine psychisch ungesunde Isolierung von der sozialen Außenwelt gedrängt. Dass diese der Auflockerung bedarf, hat das Familiengericht im Verfahren 17 F 409/10 SO zu Recht angenommen und – erste – Maßnahmen ergriffen, um R. etwas aus der Vereinnahmung durch den Vater und dessen Familie herauszunehmen, indem es dem Vater die Weisung erteilt hat, R. in der schulischen Nachmittagsbetreuung anzumelden und darauf hinzuwirken, dass R. daran teilnimmt.

Solch fortschreitende Ablehnung der Mutter durch R. wäre auch deshalb für diesen gefährdend, weil sich dadurch aller Voraussicht nach die Qualität seines Willens veränderte. Die Sachverständigen haben festgestellt, dass der in Bezug auf den Umgang mit seiner Mutter ablehnende Wille R. zurzeit noch nicht als eigener Wille verinnerlicht ist, sondern R. im Verhalten den Wünschen seines Vaters folgt. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den aussagekräftigen Beobachtungen des Umgangspflegers, der unter anderem – kurz gewendet – berichtet hat, dass R. sich selbst anlässlich der Umgangstermine dabei ertappt hat, positive Gefühle für die Mutter zu haben, sich dies aber dann nicht gestattet hat. Außerdem zeigt sich die Richtigkeit dieses sachverständigen Urteils auch darin, dass die Gründe, die R. gegen den Umgang vorbringt, zwar aus subjektiv-kindlicher Sicht noch im Ansatz begreiflich sein mögen, indessen bei objektivierter Betrachtungsweise auch unter Berücksichtigung der Spannbreite möglicher kindlicher Empfindungen nicht belastbar genug sind, um eine derart radikale Ablehnung des anderen Elternteils völlig nachvollziehbar erscheinen zu lassen.

Setzte man mithin den Umgang zwangsweise durch, so stünde zu erwarten, dass R. mehr und mehr seine auf dem Loyalitätskonflikt beruhende Ablehnung der Mutter – die für ihn zurzeit der einzig emotional gangbare Ausweg ist – als eigenen, autonom gebildeten Willen erlebt, zumal er bei fortdauernden Umgangskontakten immer wieder mit dem gegen den Umgang gerichteten Willen seines Vaters konfrontiert werden würde. Die dann zu gewärtigende Verinnerlichung des väterlichen Willens mit der Folge einer auch innerlich erlebten Entfremdung R. von seiner Mutter hätte das Gegenteil dessen zufolge, was die Mutter erstrebt, und wäre dann umso schwerer aufzubrechen.

Der Senat schließt sich daher der Auffassung des Familiengerichts an, dass der hohe psychische Druck, der derzeit auf R. lastet, von ihm genommen werden muss. In der Abwägung der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel erweist sich – auch im Lichte des bei Umgangsausschlüssen strikt zu wahren Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – vorliegend allein der Umgangsausschluss als geeignet, einer weiteren Gefährdung R. entgegenzuwirken. Nur hierdurch kann die Belastung R. auf ein ihn nicht mehr gefährdendes Maß zurückgeführt werden, weil alle anderen umgangsrechtlichen Alternativen entweder schon erfolglos vom Familiengericht versucht worden sind oder aber mit einer Vollstreckung einher gehen würden, die – wie aufgezeigt –R. Wohl gefährdete.

OLG Saarbrücken v. 24.01.2011 - 6 UF 116/10

 

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4 Kommentare

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Wieder mal ein Gerichtsbeschluss, der "Kindeswohl" mit "Grabesruhe" verwechselt. Wenn das alles so ist, wie dargestellt, dann wird dieser Junge später mal unfähig zu einer echten Beziehung zum anderen Geschlecht sein und mindestens eine langjährige Therapie brauchen, wenn er nicht vorher als Vergewaltiger oder Schlimmeres hinter Gittern landet.

 

Wie gesagt, wenn das alles so ist. Was mir allerdings zu denken gibt, ist der Vergleich mit 

http://blog.beck.de/2010/11/01/der-wille-des-kindes

Umgekehrtes Szenario, Sohn lebt bei der Mutter und ist an einem Kontakt zum Vater nicht sehr interessiert. Hier ist es dann auf einmal alleine ein Problem des Vaters, die Rolle der Mutter bleibt völlig im Dunkeln und eine Umgangsanordnung wird gar nicht erst in Betracht gezogen. Ja es wird dem Vater sogar negativ angerechnet, dass er den Rechtsweg einschlägt....

 

Gibt es eigentlich auch Urteile, wo das Gericht die Schuld allein bei der Mutter sucht?

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Umgangsausschluss als Lösung des Problems Umgangsboykott.

Leider absolut kein Einzelfall, sondern deutscher Standard.

Der Gipfel des Zynismus ist das Urteil eines norddeutschen OLG, in dem der Vater für die, die vom Gericht erwarteten negativen Folgen des Umgangsauschlusses verantwortlich gemacht werden soll, weil er den Ausschluss nicht hinnehmen wollte!

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Wegen Qualitätsurteilen wie diesem ist Deutschland wiedermal vom EGMR für sein menschenverachtendes und kinderfeindliches Rechtssystem abgewatscht worden.

Ein echter Qualitätsbeweis.

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Vielleicht sollten sich die Frauen und Herren Richter beim Thema Umgangsboykott endlich mal an die Urteile aus Straßburg halten.

 

Gestern wurde Deutschland vom EGMR wieder einmal wegen Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist verurteilt.

http://www.n-tv.de/politik/Vater-erhaelt-Schmerzensgeld-article2579346.html

 

Die deutschen Gerichte hätten nichts gegen die "Obstruktion" durch die Mutter unternommen, hieß es in dem Urteil.

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