Aus der NJW: 12 Monate Fahrtenbuch nach Rotlichtverstoß

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 03.02.2011
Straßenverkehrssachen

So kann es gehen, wenn man tatsächlich oder angeblich nicht weiß, wer denn so mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist (VGH München NJW 2011, 326):

"...Am 7. 5. 2009 missachtete der Fahrer eines Kraftfahrzeugs, dessen Halterin die Ast. ist, in B. das Signal einer Lichtzeichenanlage, die bereits länger als eine Sekunde „rot” zeigte. Die zu diesem Vorfall angehörte Ast. beantragte mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 5. 6. 2009 Akteneinsicht. Gleichzeitig teilte sie mit, zur Person des Fahrzeugführers könnten derzeit keine Angaben gemacht werden. Auch nach gewährter Akteneinsicht äußerte sich die Ast. zu der Frage, wer das Tatfahrzeug im Tatzeitpunkt geführt hatte, nicht. Mit Schreiben vom 5. 8. 2009 teilte der Polizeipräsident in B. der Ast. mit, dass das gegen sie eingeleitete Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt worden sei, da der Täter nicht habe festgestellt werden können. Durch insoweit für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 12. 11. 2009 verpflichtete das Landratsamt F. die Ast., für das Tatfahrzeug sowie für Nachfolgefahrzeuge ab sofort für die Dauer von zwölf Monaten ein Fahrtenbuch zu führen.....

Zu Unrecht macht die Ast. geltend, es sei unverhältnismäßig, die am 7. 5. 2009 begangene Zuwiderhandlung zum Anlass zu nehmen, um von ihr die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer eines Jahres zu verlangen.

Ob die Zeitspanne, für die ein Fahrtenbuch zu führen ist, mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, sie insbesondere den betroffenen Fahrzeughalter nicht unangemessen belastet, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Durch eine Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden (BVerwGE 98, BVERWGE Jahr 98 Seite 227 [BVERWGE Jahr 98 Seite 230] = NJW 1995, NJW Jahr 1995 Seite 2866). Die Fahrtenbuchauflage dient damit einem doppelten Zweck: Zum einen soll sichergestellt werden, dass im Falle der Begehung weiterer Verkehrsverstöße deren Ahndung nach Maßgabe des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts möglich ist, und dass gegebenenfalls auch präventive fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen ergriffen werden können. Zum anderen soll künftigen Führern der von der Fahrtenbuchauflage erfassten 

Fahrzeuge zum Bewusstsein gebracht werden, dass sie für den Fall der Begehung von Verkehrsdelikten auf Grund der Fahrtenbucheintragungen als Täter ermittelt und mit Sanktionen belegt werden können; bereits hierdurch lassen sich gegebenenfalls weitere Verkehrsverstöße unterbinden.

Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage kommt vor allem dem Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung Bedeutung zu. Je schwerer das mit einem Kraftfahrzeug begangene Delikt wiegt, desto eher wird es gerechtfertigt sein, dem Halter eine längere Überwachung der Nutzung seines Fahrzeugs zuzumuten. Denn mit zunehmender Schwere des ungeahndet gebliebenen Verstoßes wächst das Interesse der Allgemeinheit, der Begehung weiterer Zuwiderhandlungen vergleichbarer Schwere entgegenzuwirken. Das Gewicht eines Verkehrsverstoßes ergibt sich regelmäßig aus seiner Gefährlichkeit für die Sicherheit des Straßenverkehrs sowie daraus, in welchem Grad der Fahrzeugführer vorwerfbar gehandelt hat. In den von § STVZO § 31a STVZO § 31A Absatz I StVZO erfassten Fällen wird Letzteres allerdings zumeist nicht festzustellen sein. Daher ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Behörde bei der Bemessung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage maßgeblich an der – abstrakten – Gefährlichkeit der Verkehrszuwiderhandlung orientiert (vgl. VGH Mannheim, NZV 2002, NZV Jahr 2002 Seite 431 = VRS 103 [2002], VRS Band 103 Seite 140 [VRS Band 103 Seite 141]). Hierbei kann sie auf die Bewertungen abstellen, die in den einschlägigen Straf- und Bußgeldvorschriften sowie in der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung mit der Einordnung eines Delikts in das Punktsystem zum Ausdruck gebracht worden sind (so i.E. auch BVerwGE 98, BVERWGE Jahr 98 Seite 227 [BVERWGE Jahr 98 Seite 229f.] = NJW 1995, NJW Jahr 1995 Seite 2866). Anlass zu einer längerfristigen Fahrtenbuchauflage kann vor allem dann bestehen, wenn mit der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung ein Straftatbestand verwirklicht wurde oder wenn eine Ordnungswidrigkeit inmitten steht, die nach den Bestimmungen der Bußgeldkatalog-Verordnung nicht nur mit einer Geldbuße, sondern auch mit einem Fahrverbot zu ahnden ist. Hier kommt auch eine mehrjährige Fahrtenbuchauflage in Betracht (VGH Mannheim, NZV 2002, NZV Jahr 2002 Seite 431 = VRS 103 [2002], VRS Band 103 Seite 140 [VRS Band 103 Seite 141]).

Die mit einem Fahrzeug der Ast. am 7. 5. 2009 begangene Ordnungswidrigkeit wiegt schwer. Das Missachten eines roten Wechsellichtzeichens durch einen Fahrzeugführer wäre, wenn die Rotphase – wie hier – bereits länger als eine Sekunde andauerte, auch nach der am Tattag geltenden Fassung der Nr. 132.3 der Anlage zur Bußgeldkatalog-Verordnung (damals zuletzt geändert durch die 45. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 26. 3. 2009, BGBl I, 734) mit einer Geldbuße von 200 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden gewesen. Nach der Nr. 4.8 der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung hätte ein solches Verhalten ferner die Eintragung von vier Punkten im Verkehrszentralregister nach sich gezogen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick darauf, dass andere Verkehrsteilnehmer in einer solchen Situation nicht mehr damit rechnen müssen, dass ein Fahrzeug die Ampelanlage passiert, hat der VGH Mannheim im Beschluss vom 28. 5. 2002 (NZV 2002, NZV Jahr 2002 Seite 431 = VRS 103 [2002], VRS Band 103 Seite 140 [VRS Band 103 Seite 141]) sogar die Verhängung einer zweijährigen Fahrtenbuchauflage als adäquate Reaktion auf einen derartigen Rotlichtverstoß angesehen...."
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