BGH hebt Urteil gegen Berliner "Drogenarzt" auf - Wieder einmal gibt der Aspekt der Selbstgefährdung den Ausschlag

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 02.02.2011

Den auf psychotherapeutische Behandlungen spezialisierten 51 Jahre alten Arzt hatte das Landgericht Berlin u. a. wegen Körperverletzung mit Todesfolge und der Überlassung von Betäubungsmitteln mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn mit einem dauerhaften Berufsverbot für eine Tätigkeit als niedergelassener Arzt und als Psychotherapeut belegt (hier Prozessbericht von Stefan Berg).

 

Nach den Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte sog. psycholytische Sitzungen durch. Bei diesen Gruppensitzungen wurden Patienten durch Drogen in ein "Wachtraumerleben der Objektumgebung" versetzt. Ziel dieser in Deutschland wissenschaftlich nicht anerkannten Methode soll es sein, an unbewusste Inhalte der Psyche zu gelangen. Im September 2009 führte der Angeklagte eine Intensivsitzung durch, in deren Rahmen sich sechs Gruppenmitglieder zur Einnahme des Rauschgifts MDMA bereiterklärten. Wegen eines ihm unterlaufenen Wiegeversehens übergab er an diese jedoch mindestens die zehnfache Menge der beabsichtigten Menge, woraufhin es bei ihnen zu heftigen körperlichen Reaktionen kam. Trotz der von der herbeigerufenen Notärztin veranlassten Hilfsmaßnahmen verstarben zwei Gruppenmitglieder an Multiorganversagen aufgrund der Überdosis MDMA. Weitere Teilnehmer konnten nach intensivmedizinischer und stationärer Behandlung gerettet werden.

 

Zu seiner Verteidigung in diesem Fall äußert sich der auch als Schriftsteller sehr bekannt gewordene Berliner Rechtsanwalt Ferdinand von Schirach in seinem Interview bei LTO.

 

Der BGH (Urteil vom 11.1.2011 - 5 StR 491/10 liegt noch nicht vor; nur die hier wiedergegebene Pressemeldung) hat das Urteil auf die Revision des Angeklagten hin aufgehoben und das Verfahren an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen die Annahme eines vorsätzlichen Körperverletzungsdelikts nicht. Angesichts der freiwilligen Drogeneinnahme und dadurch erfolgten Selbstgefährdung der Gruppenmitglieder sei zur Begründung einer Strafbarkeit hiernach eine vom Vorsatz des Angeklagten umfasste Handlungsherrschaft erforderlich gewesen. In der erneut durchzuführenden Hauptverhandlung wird vorrangig eine kritische Überprüfung der Angaben des Angeklagten zu einem vorgeblichen Wiegefehler vorzunehmen sein. Danach wird zu beurteilen sein, ob eine Vorsatztat oder lediglich ein fahrlässiges Tötungsdelikt vorliegt.

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