ARGE Stralsund kämpft erfolgreich gegen sittenwidrig niedrige Löhne

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.01.2011

Die ARGE Stralsund kämpft erfolgreich gegen sittenwidrig niedrige Löhne von Leistungsbeziehern nach dem SGB II. Häufig muss sie "Hartz IV" als Aufstockungsleistung an Personen gewähren, deren Einkommen zu gering ist, um ein auskömmliches Dasein zu bestreiten. Wenn diese Arbeitsentgelte sittenwidrig niedrig sind, steht den Betroffenen aus § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung, im Zweifel also der Tariflohn zu. Die Differenz zwischen dem gezahlten und dem hiernach geschuldeten Entgelt geht - bis zur Höhe der "Hartz IV"-Leistungen - nach § 115 SGB X auf die ARGE über, die sie bei den Arbeitgebern einklagt. Mit Recht, wie das LAG Mecklenburg-Vorpommern jetzt entschieden hat (Urt. vom 2.11.2010 - 5 Sa 91/10, BeckRS 2011, 65752):

Soweit eine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b SGB II (ARGE) an einzelne erwerbsfähige Hilfsbedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II) zahlt, die gleichzeitig in einem geringfügigen Arbeitsverhältnis tätig sind, in dem sie sittenwidrig niedrig vergütet werden, geht der nicht erfüllte Teil der Arbeitsentgeltforderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf die ARGE nach § 115 SGB X über. Der Anspruchsübergang ist allerdings seiner Höhe nach beschränkt auf den Anteil der noch offenen Entgeltforderung, der bei ordnungsgemäßer Vergütung der Arbeitsleistung im Verhältnis zwischen dem Hilfsbedürftigen und der ARGE als Eigenanteil an den Kosten der Sicherung des Lebensunterhalts anspruchsmindernd anzusetzen gewesen wäre. Die noch offenen Anteile der Entgeltforderung verbleiben daher insbesondere im Umfang des pauschalierten Werbungskostenbetrages nach § 11 Abs. 2 SGB II in Höhe von 100 Euro und im Umfang der Anreizbeträge aus § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II beim Hilfsbedürftigen und gehen nicht auf die ARGE über.

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4 Kommentare

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Ich kann also selbst nicht die angemessene Vergütung einklagen, sondern muss abwarten, ob die ARGE tätig wird? Durch die höhere Vergütung würden der aufwendige Papierkram mit der ARGE entfallen. Oder kann ich auch klagen und Zahlung an die ARGE verlangen?

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@ Fragender (#1):

Als betroffener Arbeitnehmer, der ergänzend Arbeitslosengeld II bezieht, können Sie vom Arbeitgeber den Differenzlohn nur insoweit geltend machen, als er entweder nicht auf die ARGE übergegangen ist oder diese Sie zur Einziehung der Forderung ermächtigt. Einklagen können Sie also in jedem Fall

  • de pauschalierten Werbungskostenbetrag nach § 11 Abs. 2 SGB II (100 Euro)
  • die Anreizbeträge aus § 30 Satz 2 SGB II (20% des 100 Euro übersteigenden Einkommens bis 800 Euro und 10% des 800 Euro übersteigenden Einkommens bis 1200 Euro)
  • dasjenige nach § 612 Abs. 2 BGB geschuldete Arbeitsentgelt, das die Leistungen der ARGE übersteigt

Für alle übrigen Beträge brauchen Sie eine Ermächtigung der ARGE, weil Sie insoweit nicht mehr Inhaber der Forderung sind.

Es ist nur richtig, daß die ARGE dann selbst einklagen muß. Denn die ARGE braucht sich hier überhaupt nicht als der Wohltäter aufzuspielen.  Sie ist es, die genau diese niedrig bezahlte Stelle des Arbeitgebers aufnimmt und Vermittlungsvorschläge verschickt. Nicht nur das, sie drängt und nötigt dann den Hartz4-Empfänger, genau eine solche Stelle anzutreten und droht bei Nichtannahme Sanktionen an.

Private Arbeitsvermittler lehnen solche Jobangebote von vornherein ab, weil sie nicht zumutbar sind und schicken keine Bewerber auf solche Stellen.

Wer hats also gemacht? Diesmal nicht die Schweizer, sondern die Arbeitsagentur und ARGE selbst.

 

 

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