Gesetzentwurf soll Bekämpfung der Zwangsheirat verbessern

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 23.01.2011

Zwangsheirat ist in Deutschland ein ernst zunehmendes Problem geworden, seit immer mehr junge Migrantinnen öffentlich von ihren Erfahrungen berichten. 

Eine Zwangsheirat liegt vor, wenn mindestens einer der Eheschließenden durch Druck zur Ehe gezwungen wird und mit seiner Weigerung kein Gehör findet oder es nicht wagt, sich zu widersetzen, weil Eltern, Familie, Verlobte und Schwiegereltern mit den unterschiedlichsten Mitteln Druck auf sie oder - eher selten - ihn ausüben. Die Druckmittel reichen von emotionaler Erpressung und psychischem Druck, über physische und sexuelle Gewalt, Einsperren, Entführen und - in drastischen Fällen - bis hin zu so genannten Ehrenmorden. Zwangsheirat folgt aus einem patriarchalen traditionellen, manchmal sogar noch stammesgebundenen Familienverständnisses, das den Kindern kein Recht auf Selbstbestimmung zugesteht. In Deutschland  sind in erster Linie türkische Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund betroffen.

Die Bundesregierung will nun den Kampf gegen Zwangsverheiratungen verstärken. Der vorgelegte Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/4401) schafft ein eigenständiges Wiederkehrrecht für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen, die von der Rückkehr nach Deutschland abgehalten werden.

Daneben soll mit § 237 ein mit "Zwangsheirat" überschriebener eigenständiger Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen werden:

"(1)Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zur Eingehung der Ehe genötigt, wird mit Freiheitstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung von Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(2) Ebenso wird bestraft, wer zu Begehung einer Tat nach Absatz 1 den Menschen durch Gewalt, Drohung mit einem empfindlichen Übel oder durch List in ein Gebiet außerhalb des räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes verbringt oder veranlasst, sich dorthin zu begeben, oder davon abhält, von dort zurückzukehren.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe."

Um den Anreiz zu vermindern, Scheinehen einzugehen, soll die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, von zwei auf drei Jahre erhöht werden. Der Bundesrat plädiert in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf dafür, diese Anhebung noch einmal zu überprüfen. «Dabei sollte insbesondere die damit verbundene Gefahr, die Abhängigkeit der Opfer von Zwangsheirat von ihren Ehepartnern zu erhöhen, sorgfältig gegen die Vorteile abgewogen werden, die mit der Regelung zur Verhinderung von Scheinehen angestrebt werden», heißt es in der Stellungnahme. In ihrer Gegenäußerung verweist die Bundesregierung  darauf, dass die geltende Rechtslage in Fällen besonderer Härte eine Ausnahme vom Erfordernis der Mindestehebestandszeit vorsehe. Die Anwendungspraxis für diese Vorschriften sei «durch die im vergangenen Jahr veröffentlichte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz noch einmal präzisiert und verbessert worden». In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift sei unter anderem festgehalten, «dass im Falle einer Zwangsehe eine besondere Härte vorliegt und die Mindestehebestandszeit nicht zur Anwendung kommt».

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2 Kommentare

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Hm, zwei Bemerkungen

 

1. Warum wird die erzwungene Eheschließung bestraft, nicht aber die Eingehung einer Lebenspartnerschaft? (Gut, der tatsächliche Anwendungsbereich dürfte eher begrenzt sein.)

2.Warum die besondere Verwerflichkeitsklausel? Mir fällt gerade nichtmal ein Lehrbuchbeispiel ein, wie man jemanden nicht verwerflich zur Eingehung einer Ehe nötigen kann.

 

Oh, doch.

Die A soll abgeschoben werden. Verhindern könnte sie dies, in dem sie den (deutschen Staatsbürger) B heiratet. Eine Scheinehe lehnt sie aus Gewissensgründen jedoch ab. Da B gewiss ist, dass A in ihrem Heimatland aufgrund der dortigen Sicherheitslage Gefahr droht, zerrt er sie vor den Standesbeamten. Während des "Jawortes" drückt er ihr ein Messer in den Rücken, wobei er überzeugt ist, dass sich nur so die Lebensgefahr für A abwenden lässt.

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Wie bei der Nötigung (§ 240 Abs. 2) soll auch bei § 237 n.F. das Rechtswidrigkeitsurteil nicht schon aus dem Fehlen von Rechtfertigungsgründen folgen, sondern von einer gesamtbewertenden Feststellung abhängen. Die Rechtswidrigkeit ist also auch bei § 237 n.F. nicht einseitig im angewandten Zwangsmittel oder in dem angestrebten Zweck zu suchen. Vielmehr sind beide zueinander in Beziehung zu setzen. Der Begriff der Verwerflichkeit knüpft an sozialethische Wertungen an und setzt ein gesteigertes Unwerturteil voraus.

So weit so gut. Für einzelne Fallkonstellationen ist jetzt Fantasie gefragt. Ob sich in den Gesetzesmaterialien dazu etwas findet, entzieht sich derzeit meiner Kenntnis.

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