Angebot «Geld für Sex» erfüllt Straftatbestand der Beleidigung, aber nicht der aufgedrängte kurzzeitige Zungenkuss

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.01.2011

Fälle wie der jüngst vom OLG Oldenburg entschiedene beschäftigen die Praxis immer wieder: Der Angeklagte hatte einer ihm nur flüchtig bekannten 18-jährigen Frau Geld für die Vornahme sexueller Dienste angeboten. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn wegen Beleidigung nach § 185 StGB zu einer Geldstrafe. Der Angeklagte habe mit seinem Angebot zum Ausdruck gebracht, die junge Frau sei käuflich wie eine Prostituierte. Dies sei ihm bewusst gewesen und er habe die damit geäußerte ehrverletzende Herabsetzung billigend in Kauf genommen. Die Revision des Angeklagten zum OLG hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 06.01.2011 – 1 Ss 204/10, BeckRS 2011, 00925).

 

Dieser Sachverhalt ist anders gelagert als der am 15. 03. 2010 ebenfalls vom OLG Oldenburg (Az 1 Ss 23/10) entschiedene Fall, in dem ein Angeklagter eine Jugendliche gegen ihren Willen im Halsbereich geküsst hatte. Nach ständiger Rechtsprechung (jüngst auch OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45) liegt in einer solchen sexuell gefärbten Zudringlichkeit allein keine Kundgabe einer Herabsetzung oder Geringschätzung der Person – und damit keine strafbare Beleidigung vor (ebenso für den aufgedrängten kurzzeitigen Zungenkuss OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45).

 

Ob in Fällen sexualbezogener Handlungen der Tatbestand der Beleidigung vorliegen kann und gegebenenfalls unter welchen (zusätzlichen besonderen) Voraussetzungen, ist nicht so ganz einfach zu beantworten. Nach der Rechtsprechung ist das in § 185 StGB geschützte Rechtsgut der Ehre nicht mit dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung teilidentisch, so dass § 185 StGB kein bloßer Auffangtatbestand für Handlungen bildet, die die sexuelle Selbstbestimmung tangieren, aber nicht strafbar sind.

 

Gleichwohl greift bei einem sexuellen Bezug nicht stets eine Art „Sperrwirkung” für die Anwendbarkeit des Beleidigungstatbestands ein. So gibt es Einschränkungen zu dem Grundsatz, dass § 185 StGB keine lückenfüllende Aufgabe im Bereich der so genannten Sexualbeleidigung zukommt. Sexuelle Verhaltensweisen können neben einer Schamverletzung auch beleidigenden Charakter haben. Dabei ist zu fragen ist, ob das Verhalten des Täters „wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls” über die sonst mit der sexuellen Handlung „regelmäßig verbundene Beeinträchtigung hinaus” einen Angriff auf die Ehre enthält

 

Drei Bereiche sind zu unterscheiden:

 

(1) Das Verhalten des Täter enthält bei sexuellen Handlungen an Jugendlichen, die den Tatbestand eines Sexualdelikts nicht erfüllen, wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls über die sonst mit der sexuellen Handlung regelmäßig verbundene Beeinträchtigung hinaus einen Angriff auf die Geschlechtsehre des Tatopfers. Beispiel nach BGH NStZ 186, 453: Der 14-Jährigen fehlt das Verständnis für die Preisgabe der Geschlechtsehre; außergewöhnliche Praktiken, die über das Vorstellungsbild hinausgehen.

 

(2) Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt auch dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine herabsetzende Bewertung des Opfers liegt.

 

(3) Gegen den Willen der Jugendlichen vorgenommene sexualbezogene Handlungen, die mit dem regelmäßigen Erscheinungsbild eines Sexualdelikts nichts zu tun haben bzw. mit einem solchen nicht notwendig verbunden sind, verletzen dann deren sozialen Achtungsanspruch, wenn sie mit dem Erscheinungsbild eines Sexualdelikts nicht notwendig verbunden sind. Beispiel nach BGH NStZ 1988, 69: Der Täter legte seine Geldbörse auf den Gehweg, um Mädchen anzulocken , die er dann verdächtigte, ihm Geld entwendet zu haben. Ihr Bestreiten nahm er zum Anlaß, sie mit dem Vorwand, er wolle das entwendete Geld suchen, unter der Kleidung abzutasten.

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6 Kommentare

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Prostitution ist Dank rot-grüner pretty-women-Gesetzgebung ein Beruf wie jeder (fast) andere. Wie kann es also beleidigend sein jemand diesen Beruf zu unterstellen?

Muss man nun auch damit rechnen jemanden zu beleidigen, wenn man ihm für das Backen eines Kuchens Geld anbietet? Er könnte beleidigt darüber sein, dass man ihn für einen Bäcker hält.

Oder zeigt diese Entscheidung vielleicht auf, welcher Schwachsinn die (fast (!) vollständige) Gleichstellung der Prostitution mit normalen Berufen war?

Fragen über Fragen! :-)

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Komisches Gesetz. Warum sollte das eine Beleidigung sein, wenn ich eine Frau frage ob sie für 1000.-- Euro mit mir schlafen will ? Sie kann ja oder nein sagen und der Fall ist erledigt.

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Anders als in Gesetzen oder Gerichtsurteilen kommt es im wirklichen Leben darauf an, wie man fragt.

Wenn man einem anderne Menschen respektvoll und höflich und mit offensichtlichem Respekt und Zuneigung begegnet, und zum Ausdruck bringt daß man sich Zärtlichkeiten bzw. einen sexuellen Kontakt wünscht, und wenn man dabei zugleich im Gegenzug ein Geschenk (egal ob zum Beispiel einen goldenen Ring, oder auch wenn es ein Geldgeschenk wäre) anbietet, dann wird man so etwas jedenfalls außerhalb streng-reigiöser oder erzkonservativer Kreise wohl nicht als strafbare vorsätzliche Beleidigung zu bewerten haben (egal ob die Frau oder der Mann verheiratet oder unverheiratet ist).

Manchmal versuchen finaziell besser gestellte Personen ja auch andere (finaziell schlechter gestellte) Personen durch das Angebot einer Heirat, bei dem es ja faktisch meist um sehr viel mehr Geld geht als bei einer einmaligen Liebsdienstentlohung, zum Geschlechtsverkehr zu bewegen, und sowas müßte wenn man das Gerichtsrteil von 2011 konsequent weiterdenkt dann ja wohl erst recht strafbar sein, aber sowas wird von der Mehrheit wohl als tolerabel angesehen.

Solche Angebote bekommen übrigens nicht nur Frauen von Männern, sondern auch Frauen von Frauen und Männer von Männern, sowie personen diversen Geschlechts von Personen diversen Geschlechts.

Wer dagegen auf angeberhafte rüpelhafte dominanzorientierte Macho-Art durch Geld-Geprotze bzw. Geldangebote darauf aus ist den Mitmenschen einzuschüchtern bzw. zu dominieren und ihn zu etwas zu bestimmen was er eigentlich gar nicht will, dann dürfte solche eine widerwärtige Ärgernis erregende provokative rücksichtslos-arrogante Überheblichkeit sicherlich zugleich auch eine Beleidigung sein.

Die unter anderem dem Grundgesetz und ganz besonders Artikel 1 verpflichteten Gerichte sollten sich auch vor Urteilen hüten, mit denen sie (konsequent weitergedacht) Menschen, die sich auf derartige Angebote einlassen, quasi die Ehre absprechen.

Wer sich hauptsächlich in konservativen oder in stark geltungs-orientierten oder in alt-feministischen Kreisen bewegt, wird vielleicht wenig Erfahrung mit oder wenig Verständnis für Folgendes haben: 

Es gibt durchaus Menschen, die erwachsen sind und gerne selbstbestimmt leben, und die derartige Angebote annehmen, und die nicht ehrlos sind, sondern die ihre eigenen Interessen auf ihre eigene Art und Weise frei von moralischen Verurteilungen durch Dritte wahrnehmen möchten.

Vertreter der Obrigkeit sollten die Ehrvorstellungen welche sie für sich und ihre Kollegen haben, oder die Moralvorstellungen welche sie für sich und ihre Kollegen haben, oder gar die Zeitgeistideen alt-feministischer-politischer-Korrektheit, nicht der gesamten Bevölkerung überstülpen wollen.

Die Menschen sind sehr viel verschiedener, als es selbst lebenserfahrene Menschen annehmen, und die Lebenswirklichkeit vieler Menschen ist sehr viel vielfältiger und differenzierter, als es selbst die meisten Leute mit guter Menschenkenntnis glauben.

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Demnächst werden die hiesigen Frauen das Ziel erreicht haben, dass man es dem letzten Mann ausgetrieben hat, sein sexuelles Interesse kundzutun, d. h. sich "unangemessen zu verhalten". Diese Art von Überzivilisation wird das Ende unserer abendländischen Zivilisation sein, denn es ist wie überall: Auf die Dosis kommt es an!

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Hallo Gast 2022-08-23 14:09 h:

Widerspruch.

Hierzulande will die Mehrheit der Frauen das nicht.

Allerdings wächst in den Massenmedien und in den politischen Gremien der Anteil der Vertreter von Ideen des Femininismus, die oft gemeinsam mit Ideen von political-correctness und cancel-culture daherkommen, und von engagierten Aktivist(inn)en sekundiert werden, erheblich, und damit nimmt zugleich der Konformitätsdruck auf die Mehrheitsgesellschaft, insbesondere auf die Mittelschicht (die Oberschicht kann sich derzeit noch oft von erzieherischer Fremdbestimmung und von nicht gesetzlich geregelten Zeitgeist-Zwängen quasi freikaufen, und die Unterschicht genießt immer noch oft eine Art Narrenfreiheit) zu.

Nicht "die Frauen" sind schuld an den faktischen Freiheitseinschränkungen und faktischen sozialen Zwängen, sondern kleine und "fleißige" und bseonders engagierte Aktivistinnen, die behaupten ein Mandat von "den Frauen" (also allen Frauen?) zu haben, obwohl sie in Wirklichkeit von den Frauen kein Mandat haben.

Aber, wie es in den USA bereits einige Zeit üblich ist, treten nun auch bei uns vermehrt Aktivisten und Aktivistinnen auf, die behaupten, ein Mandat von bestimmten Menschen zu haben und in deren namen zu sprechen, obwohl diese Leute in Wirklichkeit gar kein Mandat haben, sondern die Bürge rund Bürgerinnen quasi bevormunden und entmündigen und erziehen und denen die Welt erklären und denen Verhaltensweisen vorschreiben wollen, und sich in einer Art unechten Geschäftsführung ohne Auftrag sich wie selbsternannte Vormünder aufführen.

Im manchen Strömungen des radikal-extremistischen politischen Islamismus verfahren deren Verteter oder Missionare ja auch nach dem Motto "und willst Du nicht mein Bruder sein, so schlag ich Dir den Schädel ein" - so gewalttätig sind radikale Feministinnen zwar normalerweise nicht, aber sie sprechen wohl häufig und weitgehend, indirekt, quasi Allen, die sich nicht an deren ideologischen Vorgaben orientieren, den guten Willen oder die Moral oder die Geschäftfähigkeit und ihre Selbstbestimmungsrechte ab. Der Trend zur ideologisch-missionarischen Zwangsbeglückung nimmt bei Aktivistengruppen zu, welche die welt in Gut und Bböse einteilen, und für sich in Anspruch nehmen, daß ihre ideologisch-moralischen Ziele höherwertig seien als geltendes Recht, und insbesondere höherangig als die Freiheit, und als die Rechte erwachsener mündiger Bürger zur Selbstbestimmung.

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