Versorgungsausgleich und Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes - Die Lösung?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 28.12.2010

Seit der Entscheidung des BGH vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 (= NJW 2008, 1378) müssen sich Gerichte, Anwälte und Beteiligte im Versorgungsausgleich mit dem Problem quälen, dass die sog. Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes unwirksam sind, eine verfassungskonforme Neuregelung jedoch noch nicht in Sicht ist.

Eine möglichen Ausweg für das neue Versorgungsausgleichsrecht aus diesem Dilemma hat nun das OLG Köln aufgezeigt.

Nach § 19 Abs. 1 VersAusglG findet nämlich ein Wertausgleich hinsichtlich eines Anrechts, das nicht ausgleichsreif ist, nicht statt. Nach Absatz 2 Nr. 1 ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, wenn es dem Grunde oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist.

Das Gericht muss also feststellen, dass die Versorgung bei der ZVK nicht bei der Scheidung ausgeglichen werden kann (§ 19 I VersAusglG). Dem Berechtigten bleibt der Ausgleich nach der Scheidung (= schuldrechtlicher Versorgungsausgleich).

Hinsichtlich der übrigen (ausgleichsreifen) Anrechte gilt § 19 III VersAusglG.

OLG Köln v. 29.11.2010 - 27 UF 148/10

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9 Kommentare

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Mutiger Ansatz. Vermutlich war § 19 Abs. 1 VersAusglG nicht für diesen Fall gedacht. Nachdem aber in den Jahren 2007 bis 2009 ein Stau von einigen tausend abgetrennten Versorgungsausgleichsfällen nur wegen dieser Frage (VBL) entstanden war, ist das vielleicht eine Lösung, die eine geregelte Abarbeitung erlaubt.

Man muß aber auch bedenken, daß es in den VBL-Fällen zu z.T. sowieso nur um ein Änderungspotential von nur wenigen Euro oder gar Cent Rente pro Monat geht. Da hat sich mir nie erschlossen, warum die Verfahren überhaupt abgetrennt wurden. Sind die Eheleute unter 50, wird bei Versorgungsausgleich doch oft sowieso nur das Fell eines Bären verteilt, der gerade mal gezeugt wurde. Wie stattlich dieser Bär sein wird, wenn er denn in ferner Zukunft einmal erlegt wird, weiß außer ein paar Astrologen doch eh keiner. Aber bei "VBL" muß alles ganz genau sein.

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Aber bei "VBL" muß alles ganz genau sein.

Scheint ganz unterschiedlich gehandhabt zu werden.

Die ZVK Thüringen teilt mir seit einiger Zeit mit, ich solle auf Grundlage ihrer Auskunft entscheiden. Man werde auf keinen Fall ein Rechtsmittel einlegen.

Hopper schrieb:

Aber bei "VBL" muß alles ganz genau sein.

Scheint ganz unterschiedlich gehandhabt zu werden.

Die ZVK Thüringen teilt mir seit einiger Zeit mit, ich solle auf Grundlage ihrer Auskunft entscheiden. Man werde auf keinen Fall ein Rechtsmittel einlegen.

Das ist ja ganz nett. In den Verfahren nach altem Recht hat nach (damaliger) Auskunft einiger Gerichte regelmäßig ein am Verfahren beteiligter anderer (großer) Versicherungsträger Rechtsmittel eingelegt - und wenn die Differenz auch nur einen Cent ausmachte. Klar, daß der Versorungsausgleich grundsätzlich abgetrennt wurde, wenn die "VBL" dabei war. Das ist ja nun wohl keine Thema mehr, wenn den Übertragung der Rechte im jeweiligen System stattfindet. Die Zeche bezahlen aber nun die damals ausgebremsten Exeheleute.

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Das Problem liegt nicht nur in IV ZR 74/06 oder in der typischen undefinierbaren Verwaschenheit des §19 VersAusglG, sondern in der Grundkonstruktion des Versorgungsausgleichs, ja sogar in der Idee der Versorgungsausgleichs selber. Komplex war er immer, in höchstem Masse Juristenbeschäftigung, wie die grosse Zahl der Entscheidungen dazu zeigt und die Herausbildung eigener Versorgungsausgleichsexperten, hochbezahlte Leute wie Voucko-Glockner. Schon der erste Satz des Abschlussberichts der Kommission "Strukturreform des Versorgungsausgleichs" lautet: "Das Recht des Versorgungsausgleichs ist eine schwierige Materie".

Die darauf folgende Reform hat daran nichts geändert, ausser dass ein geschiedener Rentner jetzt schlechter gestellt wird als ein Verheirateter, der bis zum Lebensende seine erarbeitete Rente bezieht.

Wie üblich im Familienrecht lehnen die meisten Länder das deutsche Modell ab. Selbst Nachbarn wie Österreich, die sonst gerne auf gleicher Linie liegen, kennen keine vergleichbaren Regelungen. Dort erhält man eine Geschiedenenwitwenrente. In Frankreich ist selbst das unbekannt. Derart weitreichende und komplexe Verschiebungsmechanismen mittels einer Realteilung wie in Deutschland sind im Prinzip ein Unikat, das zähe Festhalten daran wird nicht verstanden.

Diese totale Entkoppelung von eigener Erwerbstätigkeit und dem sich daraus ergebenden Ertrag führt zwangsläufig dazu, dass immer weniger Leute einen Sinn in eigener Erwerbstätigkeit sehen.

Weder die "Pflichtigen" noch die "Berechtigten" haben eine Veranlassung etwas ausschließlich zum Wohl anderer zu tun.

Der Versuch, den Eigennutz zum Antrieb für Erwerbstätigkeit durch Propaganda und Repressalien zu ersetzen, hat noch nie länger als 50-70 Jahre funktioniert, wie man im östlichen Teil von Europa anschaulich sehen konnte.

Und auch das Siechtum von Staaten wie Nordkorea oder Kuba zeigt, dass man damit jede Gesellschaft zugrunde richten kann.

Noch schneller, als mit der Reduktion der Reproduktion durch Kriminalisierung der Väter.

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Das Recht des Versorgungsausgleichs ist eine schwierige Materie.

Das stimmt, Herr Untermann. Schwierige Probleme soll es auch in der Mathematik geben, hört man. Ich halte mich da immer raus, weil ich von Mathe keine große Ahnung habe.

Das "technische" Randproblem des Ausgleichs der Versorgungen bei den ZVK erscheint mir nicht angebracht, eine Grundsatzdiskussion über den Sinn (oder Unsinn) des Versorgungsausgleichs anzuzetteln. Keine ernstzunehmende politische Partei in D hat jedenfalls die Abschaffung des VA auf ihre Fahnen geschrieben.

Die These, der VA führe zu nordkoreanischem oder kubanischem Siechtum, erscheint mir i.Ü. etwas gewagt.

Eben das war mein Argument: Es handelt sich nicht nur um ein spezielles technisches Randproblem. Genau diese angeblichen "Randprobleme" im Versorgungsausgleich bilden ein übermächtiges, unbeherrschbares und teures Gewusle. Komplexe Systeme, die nicht einmal axiomatisch begründet sind können gar nicht anders als immer neue unbeherrschbare Kombinationen zu generieren. Ich denke, das wissen sie auch, sicherlich haben sie auch die Fachliteratur im Regal stehen, die das indirekt unterlegt, Bücher wie der Hauß und der Borth mit fast tausend Seiten.

Mal am Beispiel der Winterreifenpflicht erklärt, die auch für Motorräder gilt, so dass es jeder versteht: Man könnte sicherlich streng abgeschottet über ein Urteil über die Schuld an einem Unfall diskutieren, wird aber bei genauer Betrachtung nicht umhin können, die grundsätzliche Konstruktion des Gesetzes zu kritisieren, weil es in seiner Fehldefiniertheit ignoriert, dass es für viele Krafträder überhaupt keine Winterreifen gibt.

Die Komplexität des Versorgungsausgleichs beruht auf der Komplexität der verschiedenen sozialen Sicherungssysteme.

Ihre Abneigung gegen den Versorgungausgleich hat vermutlich andere Gründe.

Komplex wird es erst, wenn diese Sicherungssysteme für etwas benutzt werden, für das sie nicht konstruiert sind: Eine Realteilung über einen Zeitabschnitt. Trivial, wie bei anderen Dingen, man teile einmal einen Schokoweihnachtsmann aufs zehntel Gramm genau: Streuverluste, Bruchstücke, Versuch geht nur wenn er ausgepackt ist...

Detrimentum facere - das ist die Wurzel der Abneigung.

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