StPO intensiv: Wechselnde Aussagen und Beweiswürdigung

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 21.12.2010

Eine durchaus interessante Entscheidung des BGH aus dem BtM-Strafrecht, die sich mit einem weit verbreiteten Phänomen in STrafverfahren befasst: Wie muss die Beweiswürdigung aussehen, wenn ein Zeuge oder ein Beschuldigter seine Aussage inhaltlich im Verfahren ändert und das Gericht eine der Aussagen glaubt?


"...Der Zeuge W. hat ersichtlich mehrfach, beginnend von der ersten Einlassung als Beschuldigter am 1. Juli 2008 bis hin zu seiner Vernehmung in der gegen den Angeklagten gerichteten Hauptverhandlung, seine Aussage geändert und abwechselnd den Zeugen Sa. oder den Angeklagten als eigentlichen Betäubungsmittellieferanten belastet. Diese unkonstanten Angaben, die offenbar auch den Tatzeitraum betreffen, hätten für das Landgericht Anlass für eine besonders sorgfältige Würdigung der Aussage des Zeugen W. sein müssen. Dabei hätte die Kammer die Entstehung der einzelnen Angaben des Zeugen sowie ihre jeweiligen Inhalte im Einzelnen darlegen und vor allem - unter besonderer Berücksichtigung der von dem Zeugen für den jeweiligen Aussagewechsel gegebenen Erklärungen - erörtern müssen, aus welchem Grunde sie sich welcher Tatversion anschließt. Diesen Anforderungen ist die Kammer nur zum Teil gerecht geworden. So hat sie zwar in (noch) genügender Weise erläutert, dass aus ihrer Sicht die Korrektur der ursprünglichen Angaben durch die polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 der Glaubhaftigkeit der dabei gemachten, jetzt der Entscheidung zugrun-de gelegten Angaben nicht entgegenstehe (vgl. UA S. 9). Sie hat sich aber nicht hinreichend mit dem zweiten Aussagewechsel des Zeugen unmittelbar nach der ersten Korrektur in den polizeilichen Vernehmungen in seiner eigenen Haupt-verhandlung am 4. Dezember 2008 auseinander gesetzt. Es wird schon nicht klar, ob sich der Zeuge hierzu in der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten geäußert hat; ebenso wenig erhellt sich, warum dieser nochmalige Aussagewechsel aus Sicht der Kammer für die Glaubwürdigkeit des Zeugen keine Rolle spielt. Die Ausführungen der Kammer in diesem Zusammenhang, die sich lediglich mit dem Umstand befassen, warum das Urteil gegen den Zeugen W. als Lieferanten den Zeuge Sa. nennt, greifen zu kurz, wenn sie sich mit den Aussagen von Prozessbeteiligten an dem damaligen Verfahren auseinandersetzen, anstatt die Frage zu stellen, aus welchem Grund der Zeuge W. entsprechende Angaben in seinem Verfahren gemacht hat und ob dies für deren Glaubhaftigkeit von Bedeutung ist.

Die Auseinandersetzung mit dieser Frage war umso mehr geboten, als nichts dafür ersichtlich ist, dass der von dem Zeugen für den ersten Aussagewechsel angegebene Grund, er habe sich von dem Angeklagten zunächst bedroht gefühlt und sei schließlich erst infolge der veränderten Sicherheitssituation in der Untersuchungshaft zu wahren Angaben hinsichtlich des Lieferanten bereit gewesen (vgl. UA S. 9), in dem bis zu seiner Hauptverhandlung dauernden kurzem Zeitraum entfallen sein könnte. Mit dem Umstand, dass der Zeuge in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung gleichwohl zu seiner ursprünglichen Aussageversion zurückgekehrt ist, hätte sich das Landgericht deshalb - insbesondere vor dem Hintergrund der Feststellung, dass er ausdrücklich er-klärt haben soll, keine vorsätzlich falschen Angaben in den polizeilichen Vernehmungen vom 27. Oktober und 21. November 2008 gemacht zu haben - eingehend auseinandersetzen müssen. Dies war im Übrigen nicht deshalb entbehrlich, weil das Landgericht mögliche Falschbelastungsmotive des Zeugen (UA S. 10: Absprache mit dem Zeugen Sa. ; § 31 BtMG) erörtert und deren Vorliegen verneint hat, weil auch das Fehlen solcher Motive den zweimaligen Aussagewechsel nicht erklären kann..."

BGH, Beschluss vom 18.11.2010 - 2 StR 497/10 -

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