BVerfG: Gestohlene Steuerdaten dürfen verwertet werden

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 03.12.2010

In dem heftig geführten Streit darüber, ob gestohlene Daten über Steuersünder im Strafverfahren verwertet werden dürfen, wenn der Staat sie gerade zu diesem Zweck vom Täter angekauft, bezog das BVerfG vorgestern (Beschluss vom 9.11. 2010 - 2 BvR 2101/09) eindeutig Stellung: Es geht nicht um den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, sondern lediglich um "schnöde" Bankkontakte (Pressemitteilung des BVerfG hier).

Mit dieser Entscheidung tritt nach Auffassung  des BVerfG die Gefahr, dass damit ein Geschäftsmodell für "Diebe" entstehen könnte, hinter dem Willen zurück, der Staat möge sich um Steuergerechtigkeit kümmern. Zu Straftaten auffordern darf er aber nicht.

Das Echo auf die Entscheidung war - soweit ersichtlich - weitgehend positv. Darauf, ob die Gegenauffassung sich nach diesem Votum nochmals zu Wort meldet, bin ich gespannt.

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7 Kommentare

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Lieber Herr von Heintschel-Heinegg,

die Entscheidung war (fast) erwartbar, denn die eigentliche Crux der Angelegenheit, nämlich, ob staatliche Bedienstete in offizieller Mission solche illegal spionierten Daten ankaufen dürfen, wurde ja nicht behandelt. Man hat unterstellt, dass die Amtsträger sich beim Ankauf strafbar gemacht haben und meinte, selbst dann würde eine Verwertung nicht gegen das GG verstoßen.

Ich bin insofern der Meinung, dass spätestens dann, wenn daraus ein absehbares "Geschäft" wird, nämlich Datenklau, um an staatliche Behörden zu verkaufen, man sich nicht mehr darauf wird zurückziehen können, man habe die Daten ja angeboten bekommen und nichts mit der Straftat zu ihrer Erlangung zu tun gehabt. Die Argumentation, man könne privat ermittelte Beweise auch dann verwerten, wenn sie illegal erlangt seien, solange die Straftat zu ihrer Erlangung nicht vom Staat selbst angeleitet worden sei, bricht dann in sich zusammen. Also: Der Nichtannahmebeschluss ist zutreffend, aber m.E. nicht unbedingt für zukünftige Fälle, sollten diese sich - wie jetzt absehbar - wiederholen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Spannend wird es, wenn den Ermittlungsbehörden auch in anderen Strafverfahren Beweismittel von Privaten nur gegen Geld angeboten werden. Wie weit will der Staat dann gehen, wo ist die Grenze zu ziehen? Was ist etwa ein Hinweis für die Aufklärung eines Mordes wert? Hängt das von der gesellschaftlichen Stellung des Tatopfers ab oder der Medienaufmerksamkeit des Falles ab? Oder zahlt der Staat nur dann für Hinweise, wenn seine eigenen pekuniären Interessen berührt sind?

 

Die nunmehr vom BVerfG zumindest teilweise gebilligte Praxis ist nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, sondern könnten den unschönen Eindruck erwecken, der Staat dürfe oder mache für Geld alles.

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Ich will es einmal so formulieren: wenn das BVerfG entscheiden würde das es ncht rechtmäßig ist, dann würde die Politik entscheiden das es rechtmäßig zu machen ist und sich die entsprechende Gesetzesgrundlage/Ausnahmeregelung für derartiges Handeln "besorgen" bzw. sich die Legitimation selbst geben.

Im übrigen trifft ein moralisch ähnlich gelagertes Vorgehen auch auf Fälle zu welche sich z.B. auf Basis von SWIFT-Daten (über den Umweg aus den USA) o.ä. ergeben können.

 

Was das BVerfG zu entscheiden hätte ist m.E. also ob es sich der Staat moralisch leisten kann so etwas zu tun. Von der Politik erwartet man eine solche Entscheidung nicht mehr wirklich.

 

Grüße

ALOA

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@denny crane:

Mit den aufgrund der Kontendaten-CDs erlangten Steuermehreinnahmen könnte man doch locker auch ein paar Ankäufe von Beweismitteln für Nichtsteuerstraftaten finanzieren ;).

Abgesehen davon: wer im Inland Beweismittel, die er nicht selbst beschafft hat (wie bei den gebrannten Steuer_CDs), sondern "gefunden" (z.B. Tatwerkzeug bei einem Mord) nur gegen Belohnung herausrücken will, sollte sich vorher noch mal die Kommentierung zu § 258 durchlesen. Allgemeine "sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen"  (im Sinne der "xy-ungelöst-Formel") werden schon heute im Einzelfall entlohnt, und zwar unabhängig von der Prominenz des Opfers. Und mit Beträgen, die nicht reich machen.

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Die Anbieter der Steuer-CDs dürften sich ebenfalls strafbar gemacht haben; das ist ja gerade das Gegenargument und die Position von Liechtenstein und der Schweiz. Das scheint aber dem BVerfG gleichgültig zu sein. Deshalb wird man in anderen Fällen nicht entgegenhalten können, wer Beweismittel nicht oder nur gegen Geld herausrücke, mache sich im Inland strafbar. Das mag zwar sein, dürfte den Staat aber konsequenterweise nicht daran hindern, auch in anderen Fällen für die Aufklärung von Straftaten Geld zu zahlen. Die fällige Geldstrafe kann ja gleich vom Kaufpreis abgezogen werden...

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@ Denny Crane #2: "Wie weit will der Staat dann gehen, wo ist die Grenze zu ziehen?"

einfach mal den Beschluss durchlesen, z.B. ab Rdnr. 43:

Quote:
Unabhängig davon besteht von Verfassungs wegen kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnen Beweise stets unzulässig wäre ... Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten ... 

 Die Strafgerichte gehen in gefestigter, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, demzufolge jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist ... Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden ... Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist  ... Die strafgerichtliche Rechtsprechung geht daher davon aus, dass insbesondere das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot nach sich ziehen kann ... 

Die Unzulässigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht ohne weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot ... Dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung ... Ein Beweisverwertungsverbot ist von Verfassungs wegen aber zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind, geboten ... Ein absolutes Beweisverwertungsverbot unmittelbar aus den Grundrechten hat das Bundesverfassungsgericht nur in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist ...

Das Landgericht hat die Frage, ob die Beschaffung der Daten rechtswidrig oder gar strafbar gewesen ist, nicht abschließend beurteilt, sondern für die Beurteilung der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, unterstellt, dass sich die Amtsträger nach innerstaatlichem Recht rechtswidrig verhalten oder sogar Straftatbestände verwirklicht hätten. Damit hat das Landgericht die von den Beschwerdeführern insoweit für sich in Anspruch genommenen Positionen bei der Prüfung des für eine Durchsuchung erforderlichen Anfangsverdachts hinreichend berücksichtigt

Beweismittel, die von Privaten erlangt wurden, sind - selbst wenn dies in strafbewehrter Weise erfolgte - grundsätzlich verwertbar (h.M.) ... Dies bedeutet, dass allein von dem Informanten begangene Straftaten bei der Beurteilung eines möglichen Verwertungsverbotes von vornherein nicht berücksichtigt werden müssen.

Amtsgericht und Landgericht sind davon ausgegangen, dass der Bundesnachrichtendienst die Daten im Wege der Amtshilfe lediglich entgegengenommen und weitergeleitet habe. Weder der Bundesnachrichtendienst noch die Strafverfolgungsbehörden hätten veranlasst, dass die Daten hergestellt, beschafft oder auf sonstige Weise erfasst worden seien. Der Informant habe sich vielmehr von sich aus an den Bundesnachrichtendienst gewandt.

 Soweit die Gerichte aufgrund ihrer Abwägung zu dem Ergebnis kommen, dass ein Verwertungsverbot für die gewonnenen Daten nicht besteht, wird der fachgerichtliche Wertungsrahmen nicht überschritten. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass es sich bei den unterstellten Rechtsverletzungen um schwerwiegende, bewusste oder willkürliche Verfahrensverstöße handelt, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind. 

-> Beweisverwertungsverbot laut BVerfG sicher nur dann,

1. wenn der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist

2. wenn die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer acht gelassen worden sind

ansonsten:  jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden

 

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Meines Erachtens kommt der Entscheidung des BVerfG nicht die grundsätzliche Bedeutung zu, die ihr vielfach beigelegt wird. Das BVerfG hat sich - so mein Verständnis - darauf beschränkt, zu prüfen, ob eine Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots der Verwendung der Daten im Ermittlungsverfahren entgegensteht. Es hat eine Fernwirkung verneint und sich mit der Frage eines Beweisverwertungsverbots in der Sache deswegen nicht mehr auseinandergesetzt.

Der im Ausgangsbeitrag herangezogene Aspekt der Steuergerechtigkeit wurde vom BVerfG überhaupt nicht thematisiert. Im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung des BFH (v.a. BFHE 198, 7 und 215, 12) erscheint es auch ohne weiteres denkbar, daß zwar ein strafprozessuales Verwertungsverbot bejaht, ein steuerliches allerdings verneint wird, so daß die materielle Steuergerechtigkeit trotz eines strafrechtlichen Verwertungsverbots verwirklicht werden könnte. Der Druck zur Selbstanzeige (der dem Fiskus die Durchsetzung des Steueranspruchs wesentlich erleichtert) würde dann natürlich entfallen.

Interessant - und vom BVerfG nicht thematisiert - ist auch, wie zu entscheiden wäre, wenn die Bankdaten zugleich den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren, weil die Kontodaten etwa Hinweise auf medizinische Behandlungen enthalten.

Insofern dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.

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