Bundesverwaltungsgericht verlangt Kohärenz im Glücksspielrecht

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 29.11.2010

Das Glücksspielrecht und insbesondere das Recht der Sportwetten sind eine in der Bundesrepublik seit vielen Jahren sowohl politisch als auch rechtlich umstrittene Materie des öffentlichen Rechts. Das kann kaum verwundern, da hier wirtschaftliche Interessen privater und staatlicher Wettanbieter mit der Staatsaufgabe des Schutzes vor Spielsucht kollidieren. Darüber hinaus stellt sich in Zeiten der weltweiten Zugänglichkeit entsprechender Angebote über das Internet die Frage, ob und inwiefern Verbote bzw. eine Begrenzung von Glücksspielen durch staatliche Monopole überhaupt Sinn machen können, zumal in vielen Staaten der Europäischen Union liberalere Regeln gelten.

Die Auseinandersetzung um die Zulässigkeit von Sportwetten, ja gar der Werbung für Sportwetten auf Mannschaftstrikots von Bundesligamannschaften, haben die deutschen und europäischen Gerichte in der Vergangenheit mehrfach beschäftigt. Zuletzt hatte sich der EuGH am 08.09.2010 (Carmen Media Group, Rs. 46/08; Markus Stoß u.a., verb. Rs. C-316/07, C-358/o7 bis C-360/07, C-409/ 07 und C-410/07) geäußert und dabei seine bereits in der Rechtssache Gambelli (Rs. C-243/01) geäußerte Rechtsansicht bestätigt und weiter konkretisiert. Der wesentliche Punkt für die Legitimität eines staatlichen Wettmonopols war in der europäischen Rechtsprechung dabei stets der Gesichtspunkt der Kohärenz der Maßnahmen zur Bekämpfung der Spielsucht. Allerdings hatte der EuGH verdeutlicht, dass grundsätzlich verschiedene Bereiche von Glücksspielen auch unterschiedlich geregelt werden dürfen. Dies hatten die Verfechter des staatlichen Sportwettenmonopols stets als Argument dafür herangezogen, weshalb das Monopol zulässig sei, obgleich Spielautomaten als mindestens gleichermaßen suchtgefährliche Spielmöglichkeit keinem Monopol unterworfen sind. In seiner neuesten Rechtsprechung hatte der EuGH allerdings klargestellt, dass ein kohärentes System der Spielsuchtbekämpfung etwa dann nicht vorliegen könnte, wenn Glücksspiele mit höherem Suchtpotenzial weniger Regulierung unterworfen und freier zugänglich sind als die dem staatlichen Monopol unterfallenden Sportwetten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung des EuGH in seinen Entscheidungen vom 24.11.2010 (Az.: 8 C 13/09, 8 C 14/09, 8 C 15/09) nunmehr im nationalen Recht konkretisiert und beim Wort genommen. Was von manchem Kommentator im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 08.09.2010 befürchtet bzw. erhofft worden war, findet sich nun in den Entscheidungen des BVerwG wieder: Das Gericht hat deutlich gemacht, dass das staatliche Sportwettenmonopol nur dann Bestand haben kann, wenn andere Glücksspiele mit gleichem oder höherem Suchtgefährdungspotenzial den Zielsetzungen entsprechend behandelt werden, um derentwegen das Sportwettenmonopol geschaffen wurde: "Das Ziel der Begrenzung der Wetttätigkeiten darf weder konterkariert noch dürfen ihm entgegenlaufende Ausgestaltungen in den anderen Glücksspielbereichen geduldet werden."

Das Urteil wird für die politischen Entscheidungsträger Anlass sein, über die politische Gestaltung des Glücksspielwesens noch einmal grundsätzlich nachzudenken. Das Sportwettenmonopol in seiner jetzigen Form wird sich wohl nur halten lassen, wenn auch sonstige Glückspielbereiche, etwa Spielautomaten, einer deutlich schärferen Überwachung oder gar dem Monopol unterworfen werden. Alternativ wird man über eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes auch in Deutschland nachdenken müssen.

Rechtsanwälte Dr. Ludger Giesberts, LL.M., und Dr. Thilo Streit, LL.M.

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Der Einschätzung der Anwälte Giesberts und Streit, wonach die Entscheidungen des BVerwG vom 24.11.2010 für die politischen Entscheidungsträger Anlass sein wird, über die politische Gestaltung des Glücksspielwesens noch einmal grundsätzlich nachzudenken, ist zuzustimmen. Die Bundesländer hatten die Problematik eines dualen Glücksspielsystems mit restriktiven Regelungen für das staatliche Angebot einerseits und sehr liberalen Regelungen für das private Angebot andererseits (insbesondere in gewerblichen Spielhallen) frühzeitig erkannt und den Bund schon vor Jahren aufgefordert,die in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes geregelten Bereiche des  gewerblichen Automatenspiels (Spielverordnung) und der Pferdewetter den Zielen und Maßstäben des Glücksspielstaatsvertrages anzupassen (Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 13.12.2006).

 

 

 

Zur Vermeidung einer Ausuferung des Glücksspielwesens und als zwangsläufiger Folge der Spielsucht kann eine sozialverträgliche Lösung nur darin bestehen, dass die Regelungen für das gewerbliche Automatenspiel den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages umgehend angepasst werden. Denn Experten aus der Suchtforschung und der gesundheitlichen Aufklärung haben immer wieder - auch vor dem BVerfG und dem Bundestag - glaubhaft dargelegt, dass ein erweitertes Glücksspielangebot nach eindeutigen Erkenntnissen der epidemiologischen Forschung untrennbar mit einer Ausweitung der Spielsucht und des problematischen Spielverhaltens verbunden ist. Dies wird durch Erfahrungen in anderen Staaten klar bestätigt.

 

Heinz Diegmann, Saarbrücken, Ministerialrat a.D. und Mitautor des Buches "Praxishandbuch für das gesamte Spielrecht", Verlag Kohlhammer 2008

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