Dammbruch beim OLG KOblenz

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.11.2010

Bislang waren die PKH/VKH-Unterlagen für die Gegenseite streng geheim. Die Geschäftsstelle hat peinlich genau darauf geachtet, dass das sog. PKH-Heft bei einer Akteneinsicht nicht an die Gegnseite mitgeschickt wird.

Das OLG Koblenz hat nun entschieden, dass ein getrennt lebender Ehegatte bei einem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe für ein familienrechtliches Verfahren gegen den anderen Ehegatten diesem seine Vermögensverhältnisse offenbaren muss.

Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat beim Amtsgericht beantragt, ihr die Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Für dieses gerichtliche Verfahren hat sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Dem Antrag war die Erklärung der Ehefrau über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beigefügt. Das AG Diez hat nach Anhörung der Antragstellerin beschlossen, die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfeantrag an den Ehemann als Antragsgegner zu übermitteln. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Recht zur Übersendung der Unterlagen, da zwischen den Beteiligten weder Trennungs- noch Kindesunterhaltsansprüche anhängig gemacht worden seien. Eine andere Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren zukünftig alle Unterlagen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Gegenseite zugänglich gemacht werden könnten. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG Koblenz keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht hat die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigt, wonach die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite zu übermitteln sind. Ein getrennt lebender Ehegatte, der Verfahrenskostenhilfe für ein familienrechtliches Verfahren gegen den anderen Ehegatten beantragt, müsse hinnehmen, dass das Familiengericht seine Angaben zu Einkommen und Vermögen dem anderen Ehegatten zur Überprüfung zusendet, selbst wenn es in dem beantragten familiengerichtlichen Verfahren nicht um unterhaltsrechtliche Auskunftsansprüche geht.

Nach der Ergänzung des § 117 Abs. 2 ZPO durch Einfügung des Satzes 2 durch das FGG-Reformgesetz sei dem Gericht grundsätzlich die Befugnis eingeräumt worden, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gegner zur Einsichtnahme und Stellungnahme zuzuleiten. Die Regelung solle nach der Begründung des Gesetzgebers dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken wied. Voraussetzung hierfür sei, dass zwischen den Beteiligten nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts ein Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen besteht. Vorliegend bestehe ein solcher Anspruch nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB (Auskunftsanspruch unter getrennt lebenden Ehegatten). Bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs könnten die Beteiligten grundsätzlich jederzeit gegenseitig Auskunft verlangen. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie von der Antragstellerin befürchtet, sei daher ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Mithin reiche die bloße Existenz eines Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus. Es sei nicht Voraussetzung, dass der Auskunftsanspruch konkret fällig oder er Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens ist.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat über die Beschwerde abweichend vom gesetzlichen Regelfall nicht in Einzelrichterbesetzung, sondern in der Besetzung mit drei Richterinnen und Richtern entschieden und hat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Auf dessen Entscheidung bin ich - wenn es dazu kommen sollte - gespannt

OLG Koblenz v. 04.11.2010 - 4 WF 872/10

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