Vertypte und nicht vertypte...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.11.2010

...Strafmilderungsgründe - ein immer wieder fehlerträchtiges juristisches Gebiet wenn es um "minder schwere Fälle" geht. Der BGH Beschluss des 2. Strafsenats vom 29.9.2010 - 2 StR 463/10 hatte gerade einmal wieder solch einen Fall (aus dem allgemeinen Strafrecht). Zwar hatte das LG zahlreiche Milderungsgründe aufgeführt, diese aber nicht in der richtigen Reihenfolge geprüft. Richtig ist es so: Erst nicht vertypte (allgemeine) Milderungsgründe, dann vertypte!


".....Das Landgericht hat eine Strafrahmenmilderung nach § 213 StGB rechtsfehlerhaft nicht geprüft. Unter den gegebenen Umständen hätte sich das Gericht aber zu der Erörterung gedrängt sehen müssen, ob nicht jedenfalls die Voraussetzungen eines sonst minder schweren Falles des Totschlages nach § 213 Alt. 2 StGB vorlagen. Bereits an dieser Stelle wären die im Rahmen der konkreten Strafzumessung zugunsten des Angeklagten angeführten Strafmilderungsgründe (frühzeitiges Geständnis, ernsthafte Reue, alkoholbedingte Enthemmung, spontaner Tatentschluss und anfängliche Notwehrsituation) unter Berücksichtigung der Strafschärfungsgründe zu würdigen gewesen. Hätten nach Bewertung des Tatrichters die allgemeinen Strafmilderungsgründe allein zur Begründung eines minder schweren Falles nicht ausgereicht, hätte auch der vertypte Strafmilderungsgrund des § 21 StGB neben allen anderen, in den Urteilsgründen dargestellten Milderungs- und Erschwerungsgründen im Rahmen einer Gesamtbewertung erörtert werden müssen.

Der Strafausspruch kann auf diesem Rechtsfehler beruhen. Zwar hat das Landgericht die fakultative Strafrahmenmilderung nach § 21 StGB bejaht und den nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 212 StGB zugrunde gelegt. Doch schon der einfach gemilderte Strafrahmen des § 213 StGB wäre für den Angeklagten günstiger, wobei auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei zutreffender Gesamtwürdigung der Strafrahmen des § 213 StGB wegen des - zur Begründung des minder schweren Falles womög-lich nicht benötigten - vertypten Strafmilderungsgrundes noch einmal herabgesetzt worden wäre.

Der Senat kann trotz der nicht unangemessen hohen Strafe nicht sicher ausschließen, dass der Tatrichter unter Zugrundlegung eines anderen Strafrahmens zu einer niedrigeren Strafe gelangt wäre.

...."

 

 

 

 

 

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