Richtervorbehalt bei Blutprobenentnahme: Weg damit! - Teil 2

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2010

Nur ein Nachtrag - Jetzt liegt auch eine Stellungnahme des Deutschen Richterbundes vor: Richterbund begrüßt Initiative Niedersachsens zur Neuordnung der Anordnungskompetenz für die Entnahme von Blutproben

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24 Kommentare

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Ist ja klar, da überwiegend dann wohl auch das richterliche Entspannungsbedürfnis, schließlich haben Sie dann damit nichts mehr zu tun. ;-)

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@simon:

Wenn ein richterlicher Bereitschaftsdienst eingerichtet wird, muss dafür entsprechendes Personal eingestellt werden. Und wenn man es wie der 3. Senat des OLG Hamm sieht, muss ein solcher Bereitschaftsdienst 24 h an 7 Tagen die Woche eingerichtet werden. Mit entsprechenden Folgen für den Personalbedarf. Oder die vorhandenen Richter nehmen Freizeitausgleich für die Nacht- und Wochenenddienste in Anspruch, dann verlängern sich halt die Verfahrensdauern in ihrem Dezernat. Aber halt: dafür gibt es ja dann wieder nach neuesten Plänen einen pauschalierten Anspruch auf Schadenersatz wegen Verfahrensverzögerung. Der dann vor anderen Gerichten festgestellt werden muss. Die wieder aus dem vorhandenen Personal oder aus neu eingestellten Richtern besetzt werden.......................................................

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Durch einen 24/7 Bereitschaftsdienst geht doch nur dann wirklich richterliche Arbeitszeit verloren, wenn das Personal neben der Telefonbetreuung nur TV schaut. Wer die restlichen 95% der nächtlichen Arbeitszeit ebenfalls für dienstliche Zwecke nutzt, der kann quantitativ und qualitativ eine Menge schaffen.

Und mir kann niemand erzählen, dass Nachtschichten bei VW und Co zu 100% unproduktiv sind.

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Sie sehen das falsch. Der Bereitschaftsdienst wird z.B. derzeit weitgehend (sowohl bei StA als auch bei Gerichten) so abgeleistet, dass man für eine Woche am Stück ein Handy und ggf. ein mobiles Fax mit nach Hause bekommt. Und dann NEBEN den normalen Dienstzeiten und ohne irgendeine Entlastung hinsichtlich der normalen Dezernatsarbeit nachts und am Wochenende mehrfach durch Anrufe aufgeweckt wird (probieren Sie das doch mal übungshalber aus und bestellen Sie beim telefonischen Weckdienst ein paar Anrufe zwischen 22 und 6 Uhr, stehen Sie dann auf, schreiben einen Kurzsachverhalt auf  - als Ersatz für den GiV-Vermerk oder einen  Beschlussantrag -das sorgt für entspannten Schlaf und Ausgeglichenheit am Folgetag ). Es handelt sich um echte zusätzliche Bereitschaftsdienstzeiten, die z.B. in der freien Wirtschaft (s. EuGH-Entscheidung zu ärztlichen Bereitschaftsdiensten) vergütungs-und/oder überstundenausgleichspflichtig sind.

Abgesehen davon würden Sie als Richter sicher für Freude aller Beteiligter sorgen, wenn Sie in "die restlichen 95% der nächtlichen Arbeitszeit" (oder am Wochenende) produktive Hauptverhandlungstermine ansetzen. Oder als Ermittlungsrichter z.B.  in Jugendschutzsachen Kinder als Zeugen vernehmen (nebst Anwesenheitsrecht des Verteidigers des inhaftierten Beschuldigten, der sich über Nachttermine freut und den Beschuldigten nebst Vorführdienst der JVA) .Sie können nachts und am Wochenende in der Regel auch nicht mit Rechtsanwälten telefonieren (wegen Terminsabsprachen o,ä,) .  Allenfalls können Sie in der 95-%-Zeit Akten bearbeiten. 

Da ich auch in einer größeren Anwaltskanzlei gearbeitet habe, kann ich bestätigen dass sich auch dort  der Nachteinsatz auf Ausnahmefälle, beschränkt, alleine deshalb, weil Mandanten auch gerne mal schlafen und nicht zu Besprechungen kommen wollen. Bei Auslandsmandanten mit Zeitverschiebung kann das natürlich auch anders sein, ist aber nicht der Regelfall.
.

Es ist eben etwas anderes, ob ich einen Beruf ausübe, der es notwendig macht, mit anderen zu kommunizieren (die dann auch verfügbar und ggf. persönlich anwesend sein müssen), oder ob ich an der CNC-Maschine oder der Fertigungsstraße stehe, die problemlos 24/7 läuft.

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Wenn ein telefonischer Bereitschaftsdienst zu Hause dahin ausartet, dass man regelmäßig vielfachst angerufen wird, dann ist der Arbeitgeber in der Pflicht, den Bereitschaftsdienst in volle Arbeit umzuwandeln.
Wenn die Anrufe nur gelegentlich und nur max. 1 bis 2 mal pro "Schicht" anfallen, dann stören sie auch nicht weiter. Dem Arbeitgeber bleibt aber in seiner eigenen Organisationspflicht, zu prüfen, ob die Einrichtung eines Bereitschaftsdienstes (bei teilweisem Ausgleich der Stunden ohne Leistungspflicht des AN) oder eine reguläre nächtliche Arbszeit (voller Ausgleich bei voller Leistungspflicht des AN) sinnvoller ist.

Und beschweren sich nicht gerade Richter (oder waren es die Anwälte), dass Richter nicht mehr die Zeit haben, um Akten zu studieren, obergerichtliche Entscheidungen zu lesen, vernüftig zu begründen, ... Kann man alles nachts machen, ohne dass man Kundenkontakt benötigt.

Übrigens: Was passiert eigentlich heute, wenn ein zur Blutentnahme Auserkorener vor der Entscheidung selbst den Richter sprechen will, um sich zu erklären? Kann ihm dies verwehrt werden? Was sind die Konsequenzen bei Nichtgewährung?

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Unter den Akademikern insbesondere klassisch Ärzte, jedoch auch viele andere und zudem ein großer Teil der Arbeiterschaft haben Nachtschichten. Wer in dieser Zeit wirklich verantwortungsvoll inhaltlich arbeitet und zudem nur mal gelegentlich ans Telefon/ Fax geht, schafft das gleiche Aktenarbeitspensum, wie am Tage, durch die nächtliche Ruhe wohl eher mehr. Ein Nachteil ist für den Richter nicht ersichtlich, es überwiegen hingegen ganz klar die rechtsstaatlichen Interessen der Beschuldigten.

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02.15 Uhr. Bei Richter Schläfrig klingelt das Telefon.

"POM Fritz hier. Wir haben da einen Autofahrer, also ich glaube, der ist betrunken."

Richter: "Wie kommen Sie darauf?"

Fritz: "Er riecht nach Alkohol, lallt und hat rote Augen".

Richter: "Haben Sie ihn gefragt, ob er Bluter ist?"

Fritz:"Moment bitte..... Willy, frag ihn mal, ob er Bluter ist...... Er sagt nein, Herr Richter."

Richter: "Gut. Dann ordne ich hiermit eine Blutprobe an".

Müde, aber stolz wieder einmal die rechtsstaatlichen Interessen des Beschuldigten gewahrt zu haben, geht Richter Schläfrig zu Bette.

Polemik in allen Ehren, sie ist manchmal sicher unterhaltsam, hier hingegen angesichts der Auswirkungen auf Beschuldigte nicht so sehr angebracht. Schließlich interessieren den verantwortungsbewußten Richter auch die Umstände des Falles, was polizeiliche Willkür zu reduzieren hilft. Denn eine solide Grundrechtsprüfung nach Staatsrecht II dürften wohl die wenigsten Polizeibeamten im Hinterkopf haben, geschweige denn beherrschen, auch etwa Kriminologie und Rechtssoziologie dürften bei Nichtjuristen zu den exotischsten Randgebieten aus einer Parallelwelt zählen.

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@ Henriette
Welche kriminologischen, rechtssoziologischen und staatsrechtlichen (II?) Überlegungen sind Iher Meinung nach bei einem Verdacht auf eine nächtliche Trunkenheitsfahrt anzustellen?

@11 Hallo Herr Burschel, es geht ja dabei nicht nur um Trunkenheitsfahrten, man las auch schon von willkürlich anmutenden Blutentnahmen aus Gründen etwa von Meinungsverschiedenheiten, Beleidigungen, abnormalem politischen Verhalten o.a., alles also ohne Richtervorbehalt weit wahrscheinlicher.

 

PS: In Staatsrecht II finden an den Unis heute die Grundrechtsvorlesungen und -prüfungen statt.

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Was bitte ist abnormales politisches Verhalten und welcher TB koennte dadurch verwirklicht sein?

Bei einer Beleidigung koennte sich die Blutprobe spaeter zugunsten des Beschuldigten auswirken

@Henriette:

Wenn Sie tatsächlich meinen, dass nur Volljuristen in der Lage sind, Polizeivollzugsdienst zu leisten, weil man ja ständig "Grundrechtsprüfungen" , rechtssoziologische und kriminologische Analysen anstellen muss, leben Sie anscheinend in einer sehr elfenbeinfarbigen Welt. Bis Sie Ihr Gutachten niedergelegt haben, ist die BAK auch bei geübten Trinkern vermutlich auf Null abgebaut. In der Regel muss auch bei Eingriffsmaßnahmen lediglich geprüft werden, ob die einfachgesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Und hierzu sind die meisten  PVB ganz gut in der Lage, soweit sie selbst nach der StPO tätig werden dürfen.

Angesichts der Examensergebnisse im 1. juristischen Staatsexamen sind offenbar ca. 30 % aller Kandidaten nach 8 Semestern +x weder zur zutreffenden Anwendung einfachen Rechts oder Verfassungsrechts in der Lage, weitere 20-30 % mit Ach und Krach. Und wenn man nur Volljuristen mit Staatsnote einstellen wollte, dürfte kaum ausreichend Personal für den Bedarf an PVB vorhanden sein.

 

Außerdem soll der (ich wiederhole mich : im Grundgesetz im Gegensatz etwa zu Wohnungsdurchsuchungen NICHT verankerte) Richtervorbehalt bei körperlichen Eingriffen nach dem Gesetzesentwurf NUR für Blutentnahmen und NUR bei Verkehrsdelikten fallen.

Fakt ist, dass Bereitschaftsrichter selbstverständlich nicht zum Anhalteort fahren werden, um sich ein Bild von der Person des Beschuldigten zu machen, weil in der Regel bis zur Ankunft so viel Zeit verstreicht, dass GiV wegen drohenden Beweismittelverlustes in vielen Fällen (gerade bei Trunkenheitsfahrten) zu bejahen ist. D.h. sie sind auf eine mündliche Schilderung der PVB angewiesen (oder eine kurze schriftliche Fax-Mitteilung). Und dass anders als bei Durchsuchungsbeschlüssen (für die im GG ein Richtervorbehalt steht) eben keine schöne Akte vorliegt, die man sich in Ruhe durchlesen kann, um zu prüfen, ob ein Anfangsverdacht gegeben ist etc. Es geht um Eilmaßnahmen, da bei einem Täter, der bei einer Trunkenheitsfahrt angetroffen wird, ein BAK-Abbau stattfindet, der ggf. dazu führt, dass ein Tatnachweis nicht mehr zu führen ist (v.a. im Grenzbereich zur absoluten Fahruntüchtigkeit).

Soweit ich weiß, gibt es in solchen traditionellen Unrechtsstaaten wie Großbritannien und Frankreich einen derartigen Richtervorbehalt nicht.

 

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Fakt ist, dass...

... der Richtervorbehalt auch bisher de jure nicht gegeben ist und die Nachtschichtszenarien völlig überflüssig sind:

Quote:
Die Anordnung steht dem Richter, bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch Verzögerung auch der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen (§ 152 des Gerichtsverfassungsgesetzes) zu.

Das Einzige was wegfällt ist 

- die Verpflichtung, zu den üblichen Bürozeiten einen Richter hinzuzuziehen

- die Verpflichtung, einzelfallbezogene Tatsachen zu dokumentieren, um die Gefährdung des Untersuchungserfolgs zu begründen -- s. http://lexetius.com/2007,335 : 

Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist (vgl. BVerfGE 103, 142 [160]; BVerfGK 2, 310 [315 f.]; 5, 74 [79]). Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung  (vgl. BVerfGE 103, 142 [156 f.])

Nachdem das BVerfG aber genau dies als erforderlich ansieht, spricht einiges dafür, dass ein derartiges Gesetz als verfassungswidrig kassiert werden wird. Eine tatsachenbezogene Einzelfallprüfung müsste eigentlich als "Hemmschwelle" bzw. Mindestvoraussetzung für einen Grundrechtseingriff beibehalten werden -- das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist jedenfalls höher einzuordnen als das "Recht" auf Blutprobenentnahme ohne Dokumentation der Umstände.

Ein ungehemmter Grundrechtseingriff durch die Exekutive ohne zumutbare vorherige richterliche Kontrolle oder Dokumentation des Einzelfalls ist jedenfalls vor dem Hintergrund der bisherigen Entscheidungen des BVerG nicht zu erwarten.

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Mein Name schrieb:

Nachdem das BVerfG aber genau dies als erforderlich ansieht, spricht einiges dafür, dass ein derartiges Gesetz als verfassungswidrig kassiert werden wird. Eine tatsachenbezogene Einzelfallprüfung müsste eigentlich als "Hemmschwelle" bzw. Mindestvoraussetzung für einen Grundrechtseingriff beibehalten werden -- das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist jedenfalls höher einzuordnen als das "Recht" auf Blutprobenentnahme ohne Dokumentation der Umstände.

 

Ein ungehemmter Grundrechtseingriff durch die Exekutive ohne zumutbare vorherige richterliche Kontrolle oder Dokumentation des Einzelfalls ist jedenfalls vor dem Hintergrund der bisherigen Entscheidungen des BVerG nicht zu erwarten.

Das sagt das BVerfG mithin nicht. Die von Ihnen zitierte Entscheidung führt Art. 19 Abs. 4 GG und die Dokumentationspflicht als vorverlagerte Pflicht für die Möglichkeit einer richterlichen Überprüfung an, lässt aber die Frage nach der Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ausdrücklich dahinstehen, vgl. a.a.O. die Rn. 14 f. sowie Rn. 23. Insoweit sei auch auf BVerfG(K), Beschluss vom 11.06.2010, Az.: 2 BvR 1046/08, hingewiesen.

Im Übrigen tendiert das BVerfG dahin, den Eingriff in die körperliche Unversehrtheit "abwägungsweise" als nicht weiter schwerwiegend zu erachten, vgl. BVerfG(K), Beschluss vom 28.07.2008, Az.: 2 BvR 784/08, Rn. 11.

 

 

 

 

@mein Name:

Sie unterstellen dem BVerfG einen Zirkelschluss mit Schnörkelchen, der so nicht in der Entscheidung steht:

Ihr Argument: Weil in 81a StPo ein Richtervorbehalt steht, muss bei Anordnung ohne Richter die GiV - Entscheidungsgrundlage dokumentiert werden  (und jetzt kommt der Fehlschluss:) also ist die Dokumentation von Verfassungs wegen erforderlich.

Abgesehen davon, dass schon in Ihrem Zitat aus der BVerfG-Entscheidung nur steht, dass das , was das einfache Gesetz vorschreibt, durch die Gerichte zu prüfen ist, geht Ihr Schluss zu weit. Denn wenn im Gesetz (81a) kein Richtervorbehalt steht, mithin die PVB aus eigener Kompetenz die Anordnung treffen können, muss logischerweise auch nicht eine Eilkompetenz dokumentiert werden.

Und da im GG Art. 2 II nur etwas von Gesetzesvorbehalt und nicht von Richtervorbehalt steht, sehe ich die von Ihnen genannten Probleme nicht.

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@Henriette

Entgegen der offensichtlich in Kreisen von (angehenden) "Juristen" weit verbreiteten Meinung ist der durchschnittliche Polizeibeamte nicht dumm und ungebildet. In NRW ist ein Fachhochschulabschluß (Bachelor) die Voraussetzung für eine Übernehme in den Polizeidienst. Von daher ist ihr Kommentar diesbezüglich nicht sachgerecht, sagt aber auf psychologischer Ebene viel über ihre Einstellung gegenüber der Polizei aus. Dies ist aber hier nicht das Thema und deshalb will ich mich damit nicht weiter aufhalten.

Die willkürliche Anordnung von Blutproben durch die Polizei ist in meinen Augen eine unbewiesene Legende, sieht sich der betreffende Polizeibeamte doch bei durch Blutprobenergebnis nachweislich unrechtmäßiger Anordnung selbst einer Strafverfolgung ausgesetzt. Aus diesem Grund ist ein solches Verhalten weder logisch, noch ist mir als Führungskraft einer der größten Behörden im Land NRW bekannt.

Ich kann im Rückblick auf 25 Dienstjahre und Beteiligung an unzähligen Blutproben nach/wegen Verkehrsdelikten aus der Praxis nur den von Herrn Burschel skizzierten Verfahrensablauf bestätigen.

In all den Fällen wollte lediglich 1 Richter am Sonntag, vormittags, den Beschuldigten anhören und gab als Zeitrahmen bis zur Anhörung mindestens eine Stunde Wartezeit (Hinzuziehen eines Protokollführers etc.) an. Angesichts dieser Verfahrensweise verlor die Staatasanwältin die Nerven und verzichtete auf die richterliche Entscheidung und auf die Anordnung einer Blutentnahme. Die Strafverfolgung war damit wirkungsvoll torpediert.

Darüber hinaus werden in NRW keine Blutentnahmen mehr zur Feststellung der Schuldfähigkeit angeordnet, es sei denn es liegen s.g. Kaptaldelikte vor und dann auch nur unter Beteiligung der Staatsanwaltschaft, die ohnehin allein  befugt ist, den Antrag auf Anordnung einer Blutentnahme zu stellen.

 Ob sich dadurch der Beschuldigte nach z.B. einer gefährlichen Körperverletzung tatsächlich im Nachhinein besser steht mag dahin gestellt sein, ließ sich doch bis vor einiger Zeit noch auf ein aussagekräftiges Blutprobenergebnis zurückgreifen, müssen nun die durchaus subjektiven im s.g. Torkelbogen festgehaltenen Feststellungen des bearbeitenden Polizeibeamten ausreichen.

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@18 Davon redet keiner, doch erstens sind eine FH-Ausbildung, Studien gibts/ gabs nur an der Uni (vor dem Modul-Bologna-Wahnsinn) und zweitens ein Bachelor keinerlei Qualitätsindiz, eine möglichst umfassende Kontrolle der Exekutive daher stets angezeigt.

 

Nachdem die Argumente für einen Richtervorbehalt fortbestehen und weit überwiegen, kann die Diskussion als beendet betrachet werden.

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@19 das ein Studium kein Qualitätsmerkmal ist, ist mir völlig klar, Intelligenz manifestiert sich nicht in wohlklingenden Titel. Den Brückenschlag dazwischen und möglichst umfassender Kontrolle der Exekutive kann ich nicht nachvollziehen. Nach wie vor habe ich hier noch keine harten praktischen Argumente gegen die Abschaffung eines Richtervorbehaltes gehört. man kann rechts- und verfassungstheoretisch sicherlich trefflich darüber streiten, dennoch darf man die Praxis nicht aus den Augen verlieren. Theorien, die sich in der praktischen Ausführung nicht bewähren müssen weiterentwickelt werden, sonst überholt einen das Leben. Noch immer kann mir niemand konkret Mißbrauchsfälle nennen oder auch nur anführen in welchem groben Prozentbereich polizeiliche Maßnahmen in diesem Bereich beanstandet wurden. An der Uni gehörte und weiterverbreitete Gerüchte sind eine schlechte Entscheidungshilfe oder gilt für die Polizei die so viel zitierte Unschuldvermutung nicht?

Übrigens halte ich es für ein seltsames Rechts- und Demokratieverständnis eine Diskussion im Basta-Stil als beendet zu betrachten. Wenn das so für sie gelten mag, ist das OK, aber ich glaube kaum, daß hier für alle Interessierten gesprochen werden kann.

Vielleicht könnten Herr Burschel oder Herr Krumm aus der Gerichtspraxis Fälle anführen, bei den die Blutprobenanordnung (abgesehen vom Richtervorbehalt) durch die Polizei zu Unrecht erfolgte. Wieich bereits anführte blicke ich auf eine lange Erfahrung zurück und war an unzähligen Blutproben im bereich Straßenverkehr maßgeblich beteiligt. Davon wurde lediglich 1 Maßnahme vor Gericht wegen unklärbarer Fragen zum Nachtrunk beanstandet, wobei die Anordnung der Blutprobe aber gerichtlich bestätigt wurde.

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@Burschel:

 

Ihr Beispiel zeigt die traurige Realität des richterlichen Bereitschaftsdienstes, der in dieser Form den Vorgaben des BVerfG nicht im Ansatz gerecht wird.  Ein effektiver richterlicher Bereitschaftsdienst muß natürlich so aussehen, wie ein Bereitschaftsdienst in jedem anderen Bereich. Der Richter sitzt mit angezogener Hose und gepackten Köfferchen (mit einer Auswahl der schönsten StPO-Kommentare, möglichst jünger als 10 Jahre) an seinem Schreibtisch und eilt im Falle eines Anrufs schleunigst zur Polizeistation, um sich ein eigenes Bild zu machen. Von dem blutentnehmenden Arzt erwartet er das ja auch. Der Arzt kann schließlich auch nicht den Polizeibeamten telefonisch eine Anleitung zum Blutentnehmen geben.  Und apropos: der festnehmende Polizeibeamte arbeitet ja auch nachts...

 

Weshalb ist von Richtern zuviel verlangt, was von jedem anderen Arbeitnehmer oder Beamten erwartet wird - Einsatz und Mobilität? Die Gerichtsverwaltungen müssen entsprechend dafür Sorge tragen, daß Richter, die des nachts oder am Wochenende einen so ausgestalteten Bereitschaftsdienst hatten, einen Freizeitausgleich erhalten. Im übrigen kann man die Nacht auch prima nutzen, um noch ein paar Akten zu bearbeiten...

 

Wer hier mit Einwänden kommt wie: "... aber am nächsten Tag müde in der Verhandlung... dienstrechtlich problematisch... nicht mit der richterlichen Unabhängigkeit vereinbar... *heul* *zeter*...", stellt seinen wichtig-wichtigen persönlichen Status offenbar über den Rechtsschutz des Bürgers.  Das sind die gleichen Richter, die sich beschweren, wenn im Hotel um 21.00 Uhr die Bar zumacht oder sie um 19.00 Uhr vor verschlossenen Geschäften stehen. Der Servicegedanke soll offenbar nur für andere gelten. Es wär schön, wenn die Richterschaft des 19. Jahrhunderts endlich im 21. Jahrhundert ankäme.

 

Vielleicht sollte man Richtern im Notfall aber auch nur telefonische Beratung durch einen Bereitschaftsdienst gewähren ("Herzinfarkt? Nehmen Sie zwei Aspirin und rufen Sie nächste Woche wieder an. Personalknappheit, ärztliche Unabhängigkeit, morgen wichtige Operation, Sie verstehen?" oder: "Ihr Haus brennt? Unser Tipp: mit Wasser löschen! Leider können wir um diese Uhrzeit nicht persönlich vorbeikommen. Und schließlich geht es nur um schnödes Eigentum und nicht um Freiheit oder körperliche Unversehrtheit..."). Dafür hat ein Richter sicher Verständnis.

 

Wenn ich das Trauerspiel betrachte, das sich am hiesigen Amtsgericht abgespielt hat, bevor sich das Präsidium nach Jahren des Widerstandes der Mehrheit der Richter dazu durchringen konnte, die Vorgaben des BVerfG (§ 31 Abs. 1 BVerfGG!) teilweise umzusetzen und wenigstens an einigen Stunden am Wochenende (aber lachhafterweise natürlich nicht in der relevanten Zeit zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr!) einen Bereitschaftsdienst einzurichten, fehlen einem ob solcher Lebensfremdheit die Worte.

 

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@Klabauter

 

Zitat: "Fakt ist, dass Bereitschaftsrichter selbstverständlich nicht zum Anhalteort fahren werden, um sich ein Bild von der Person des Beschuldigten zu machen, weil in der Regel bis zur Ankunft so viel Zeit verstreicht, dass GiV wegen drohenden Beweismittelverlustes in vielen Fällen (gerade bei Trunkenheitsfahrten) zu bejahen ist."

 

In der Regel trugen die Germanen rote Bärte... Mit Verlaub, aber das ist in meinen Augen Unsinn.

 

1. Muß der Arzt ja auch erst zur Polizeistation kommen. Wieso sollte der Arzt einen kürzeren Anfahrtsweg haben? In den meisten kleinen und mittleren Städten ist die Polizeistation (oftmals gibt es nur eine im Ort) in der Nähe des Amtsgerichts. Das deckt schon einmal 80% der Bevölkerung ab. Und selbst in größeren Städte dürften mehr als 30 Minuten Anfahrtszeit kaum anfallen. Ich habe schon vielen Blutentnahmen beigewohnt. Meist wartet man so lange auf den Arzt, daß vor diesem Hintergrund das von manchen Richtern vorgebrachte Argument, bis zu ihrem Eintreffen drohe ein Beweismittelverlust, völlig an Zugkraft verliert.  Schauen Sie mal in die Akten, wann die polizeilichen Kontrollen erfolgten und wann der Arzt endlich Blut abgenommen hat. Bis dahin wäre ein Richter schon längst vor Ort gewesen, um die Sache zu prüfen. Das ist also nur eine Ausrede aus Bequemlichkeit.

 

2. Für Fälle, in denen erkennbar ein Beweismittelverlust droht, gibt es immer noch die "Gefahr in Verzug", die eine richterliche Anordnung entbehrlich macht.

 

3. In den vielen Fällen, in denen jemand erkennbar sturzbetrunken ist, bedarf es nach der Rechtsprechung überhaupt keiner Blutentnahme, um die Fahruntauglichkeit sicher festzustellen. In solchen Fällen droht aber auch kein Beweismittelverlust. Denn selbst der geübteste Trinker baut entgegen Ihrer Ansicht nicht in 1-2 Stunden 1,5 Promille oder mehr ab.

 

4. Warum überhaupt noch präventiver richterlicher Rechtsschutz? Kann man doch alles im Nachhinein kontrollieren. Eine effektive richterliche Kontrolle findet im Vorfeld ohnehin nicht statt. Die Fälle, die einem im Jahr begegnen, in denen ein Richter einen Antrag auf Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme abgelehnt oder modifiziert hat, kann man an der Hand eines Schreinermeisters abzählen. Dieser Befund wurde übrigens durch mehrere wissenschaftliche Studien bestätigt.

 

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1. Muß der Arzt ja auch erst zur Polizeistation kommen. Wieso sollte der Arzt einen kürzeren Anfahrtsweg haben? In den meisten kleinen und mittleren Städten ist die Polizeistation (oftmals gibt es nur eine im Ort) in der Nähe des Amtsgerichts. Das deckt schon einmal 80% der Bevölkerung ab. Und selbst in größeren Städte dürften mehr als 30 Minuten Anfahrtszeit kaum anfallen. Ich habe schon vielen Blutentnahmen beigewohnt. Meist wartet man so lange auf den Arzt, daß vor diesem Hintergrund das von manchen Richtern vorgebrachte Argument, bis zu ihrem Eintreffen drohe ein Beweismittelverlust, völlig an Zugkraft verliert.  Schauen Sie mal in die Akten, wann die polizeilichen Kontrollen erfolgten und wann der Arzt endlich Blut abgenommen hat. Bis dahin wäre ein Richter schon längst vor Ort gewesen, um die Sache zu prüfen. Das ist also nur eine Ausrede aus Bequemlichkeit.

Da kann ich als Praktiker nur bedingt zustimmen. In den Großstädten sind speziell am Wochenende zu den relevaten Zeiten mehrere Ärzte im Dienst, der zeitliche Verzug liegt dort bei maximal 30 bis 45 Minuten. Bei zu prognostizierender längerer Wartezeit wird i.d.R. ein nahegelegenes Krankenhaus zum Zweck der Blutentnahme aufgesucht.

Im ländlichen Gebiet fällt im Normalfall, auch wegen der geringeren Polizeidichte und Stärke, weniger an Maßnahmen an, sodaß es höchst selten zu Überschneidungen von gleichgelagerten Fällen kommt.

 

2. Für Fälle, in denen erkennbar ein Beweismittelverlust droht, gibt es immer noch die "Gefahr in Verzug", die eine richterliche Anordnung entbehrlich macht.

Und eben diese Gefahr im Verzuge wird von vielen Kritikern so nicht gesehen.

 

3. In den vielen Fällen, in denen jemand erkennbar sturzbetrunken ist, bedarf es nach der Rechtsprechung überhaupt keiner Blutentnahme, um die Fahruntauglichkeit sicher festzustellen. In solchen Fällen droht aber auch kein Beweismittelverlust. Denn selbst der geübteste Trinker baut entgegen Ihrer Ansicht nicht in 1-2 Stunden 1,5 Promille oder mehr ab.

Solche Fälle sind mir nicht bekannt. Sie würden auch nicht der Wirklichkeit entsprechen. Der geübte Trinker, um nicht zu sagen Alkoholiker redet und benimmt sich mit einer BAK von 2 Promille mitunter wie ein völlig nüchterner Mensch, wohingegen ein Gelegenheitstrinker bereits nach 2 Bier einen angeschlagenen Eindruck hinterläßt. Dies sind alles subjektive Feststellungen, die vor Gericht völlig zu Recht angefochten werden können. Denkbar und wünschenswert wäre, die Ergebnisse eines Testes mit dem Dräger Evidential vor Gericht als Beweis zuzulassen, wie es bereits bei Owi bis 0,25 mg/l gängige Praxis ist.

 

4. Warum überhaupt noch präventiver richterlicher Rechtsschutz? Kann man doch alles im Nachhinein kontrollieren. Eine effektive richterliche Kontrolle findet im Vorfeld ohnehin nicht statt. Die Fälle, die einem im Jahr begegnen, in denen ein Richter einen Antrag auf Anordnung einer Ermittlungsmaßnahme abgelehnt oder modifiziert hat, kann man an der Hand eines Schreinermeisters abzählen. Dieser Befund wurde übrigens durch mehrere wissenschaftliche Studien bestätigt.

Volle Zustimmung. Jahrelang wurden ohne nennenswerte Beanstandungen Blutproben von der Polizei unter dem Hinweis auf Gefahr im Verzuge angeordnet. Rechtsdogmatisch natürlich nicht korrekt, aber dennoch sind niemanden (offensichtlich außer in an den Universitäten kursierenden Legenden) tatsächliche Nachteile entstanden.

Leider ist es oftmals so, das realitätsferne Theoretiker sich Richtlinien ausdenken, mit denen die Praktiker sich dann herumschlagen müssen.

Wenn doch praktisch kein Handlungsbedarf besteht, warum dann die Theorien nicht auf den Prüfstand stellen und die rechtlichen Voraussetzungen nicht der Lebensrealität anpassen?

In 90 % aller Trunkenheitsfälle im Straßenverkehr liegt ein Alco-Test-Ergebnis als solide (und dokumentierte) Entscheidungsbasis vor. Die Adressatenregelung steht zu einem noch höheren Prozentsatz fest. Warum also unnötig viele Personen beschäftigen und deren Zeit verschwenden, wenn das Ergebnis ohnehin feststeht. Ich kann mir kaum vorstellen, daß ein Richter eine Blutprobe nicht anordnet, wenn ihm ein Alco-Test-Ergebnis von 0,75 mg/l übermittelt wird und der Adressat feststeht.

Wie ich bereits anführte wird in NRW bei Delikten, zu deren Verwirklichung die Alkoholkomponente nicht Tatbestandsmerkmal ist, ohne hin keine Blutprobe mehr angestrebt (Ausnahme Kapitaldelikte, dann aber StA). Allein dadurch hat sich die Anzahl der Blutproben erheblich reduziert.

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