EuGH: Deutsche Telekom muss 12,6 Millionen Euro Bußgeld zahlen (Missbrauch Marktmacht)

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 14.10.2010

Die Mühlen der EU-Justiz mahlen langsam, aber stetig: 

Der EuGH hat heute die Entscheidung der EU-Kommission (2003) und das Urteil des Europäischen Gerichts (2008) in erster Instanz wegen Missbrauchs der beherrschenden Stellung auf den Märkten für Festnetz-Telefondienste durch die Deutsche Telekom und damit die verhängte Geldbuße gegen sie in Höhe von 12,6 Millionen Euro bestätigt. Das Gericht habe bei seiner Entscheidung 2008 keine Rechtsfehler begangen, heißt es in der EuGH-Pressemitteilung.

Das Urteil enthält wichtige Grundsätze für die Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle und des sektorspezifischen Regulierungsrechts in der Praxis (Preis-Kosten-Schere als eigenständige Missbrauchsform i.S.v. Art 102 AEUV).  Lesenswert sind auch die Klarstellungen zur Reichweite des EG-Wettbewerbsrechts auf Entgelte, welche bereits einer Vorabregulierung durch nationale Regulierungsbehörden unterliegen.

Link: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2010-10/cp100104de.pdf (Pressemitteilung) und

http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de&newform=newform&alljur=alljur&jurcdj=jurcdj&jurtpi=jurtpi&jurtfp=jurtfp&alldocrec=alldocrec&docj=docj&docor=docor&docop=docop&docav=docav&docsom=docsom&docinf=docinf&alldocnorec=alldocnorec&docnoj=docnoj&docnoor=docnoor&radtypeord=on&typeord=ALL&docnodecision=docnodecision&allcommjo=allcommjo&affint=affint&affclose=affclose&numaff=C-280%2F08&ddatefs=&mdatefs=&ydatefs=&ddatefe=&mdatefe=&ydatefe=&nomusuel=&domaine=&mots=&resmax=100&Submit=Suchen (Urteilstext)

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8 Kommentare

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ein wenig konkreter bzw. Zitate der wichtigsten Rdnrn. dürfen es schon sein, wenn das blog nicht zu einer reinen Linkveranstaltung werden soll, oder?

nun denn (Fettdruck von mir):

Quote:
164    Zwar ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels, wie aus den Randnrn. 38 bis 43 des vorliegenden Urteils hervorgeht, davon auszugehen, dass die Rechtsmittelführerin (d.i. die Telekom), wie das Gericht im angefochtenen Urteil und die Kommission in der streitigen Entscheidung festgestellt haben, keinen Handlungsspielraum zur Änderung der genannten Zwischenabnehmerentgelte hatte.

165    Die Rechtsmittelführerin kann sich jedoch, um die Untauglichkeit des Kriteriums der Margenbeschneidung darzutun, im Rahmen der vorliegenden Rüge nicht auf die Prämisse stützen, dass die Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste von den nationalen Regulierungsbehörden zu hoch festgesetzt worden seien. Selbst wenn man annimmt, dass, wie die Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, die Beschwerden von Wettbewerbern, die zu der streitigen Entscheidung geführt hatten, auf diesen Umstand gestützt waren, ist nämlich davon auszugehen, dass eine solche Prämisse, wie bereits in den Randnrn. 48 und 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Grenzen des vorliegenden Rechtsmittels überschreitet.

166    Folglich ist die Rüge der Rechtsmittelführerin nicht zu prüfen, die Margenbeschneidung sei aufgrund des Umstands das falsche Kriterium, dass sie zur Vermeidung des vorgeworfenen Missbrauchs im vorliegenden Fall angesichts ihrer von den nationalen Regulierungsbehörden zu hoch festgesetzten Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste keine andere Möglichkeit habe, als ihre Endkundenentgelte für Endkundenzugangsdienste missbräuchlich zu hoch festzusetzen, da eine solche Rüge auf einer hypothetischen Prämisse beruht, die der Überprüfung durch den Gerichtshof im vorliegenden Rechtsmittelverfahren entzogen ist.

167    Im Übrigen ist zu dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin, die Eignung des Kriteriums der Margenbeschneidung hänge von der Höhe des von der nationalen Regulierungsbehörde festgesetzten Zwischenabnehmerentgelts für Vorleistungszugangsdienste ab, festzustellen, dass die Missbräuchlichkeit der Preispolitik der Rechtsmittelführerin im Sinne von Art. 82 EG, die Gegenstand des angefochtenen Urteils ist, wie sich aus dessen Randnrn. 166 bis 168 ergibt, aus der Unangemessenheit der Spanne zwischen den fraglichen Zwischenabnehmerentgelten und ihren Endkundenentgelten für Endkundenzugangsdienste hervorgeht, die zu einer Beschneidung der Margen ihrer zumindest ebenso effizienten Wettbewerber führt. Wie das Gericht in Randnr. 223 des angefochtenen Urteils, die mit dem vorliegenden Rechtsmittel nicht angegriffen worden ist, ausgeführt hat, ist daher die Unangemessenheit der Preispolitik der Rechtsmittelführerin im Sinne von Art. 82 EG an das Vorliegen der Margenbeschneidung als solche und nicht an deren genaue Spanne geknüpft.

168    Folglich ist die Höhe der Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste als solche untauglich, um die Stichhaltigkeit der vom Gericht zur Anwendung von Art. 82 EG auf die in Rede stehende Preispolitik getroffenen Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

169    Dagegen ist zur Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Rüge zu untersuchen, ob das Gericht insbesondere in den Randnrn. 166 und 168 des angefochtenen Urteils zu Recht angenommen hat, dass die Preispolitik der Rechtsmittelführerin selbst dann, wenn diese nicht über einen Handlungsspielraum zu Änderung ihrer Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste verfügt habe, als missbräuchlich im Sinne von Art. 82 EG eingestuft werden könne, sofern die Spanne zwischen diesen Zwischenabnehmerentgelten und den Endkundenentgelten für Endkundenzugangsdienste unabhängig von der Frage, ob sie jeweils für sich allein missbräuchlich seien, unangemessen sei, sofern also, wie es in diesem Urteil heißt, diese Spanne entweder negativ sei oder nicht ausreiche, um die produktspezifischen Kosten der Rechtsmittelführerin für die Erbringung ihrer eigenen Dienste zu decken, so dass ein ebenso effizienter Wettbewerber wie die Rechtsmittelführerin bei der Erbringung von Endkundenzugangsdiensten nicht mit ihr in Wettbewerb treten kann.

170    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 82 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Ausfluss des allgemeinen, der Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft gesetzten Ziels ist, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt. Mit der beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 82 EG ist somit die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens gemeint, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem sie ihm die Möglichkeit verschafft, sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und letztlich den Verbrauchern gegenüber in einem nennenswerten Umfang unabhängig zu verhalten (vgl. Urteile vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 38, und vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission, C‑202/07 P, Slg. I‑2369, Randnr. 103).

 

Quote:
172    Zur Missbräuchlichkeit der Preispolitik der Rechtsmittelführerin ist festzustellen, dass nach Art. 82 Abs. 2 Buchst. a EG die unmittelbare oder mittelbare Erzwingung von unangemessenen Preisen ausdrücklich verboten ist.

173    Im Übrigen ist die Aufzählung der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 82 EG nicht abschließend, so dass es sich bei den dort genannten Verhaltensweisen nur um Beispiele für einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung handelt. Denn diese Bestimmung enthält keine erschöpfende Aufzählung der Arten der nach dem EG-Vertrag verbotenen missbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung (vgl. Urteil British Airways/Kommission, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

174    Indem Art. 82 EG die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung verbietet, soweit dadurch der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden kann, erfasst er die Verhaltensweisen eines beherrschenden Unternehmens, die auf einem Markt, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Unternehmen abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteile Hoffman-La Roche/Kommission, Randnr. 91, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, Randnr. 70, vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission, C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 69, vom 15. März 2007, British Airways/Kommission, Randnr. 66, und France Télécom/Kommission, Randnr. 104).

175    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind für die Feststellung, ob das Unternehmen in beherrschender Stellung diese Stellung durch die Anwendung seiner Preispolitik missbräuchlich ausgenutzt hat, sämtliche Umstände zu berücksichtigen und muss untersucht werden, ob diese Verhaltensweise darauf abzielt, dem Abnehmer durch die Gewährung eines Vorteils, der nicht auf einer ihn rechtfertigenden wirtschaftlichen Leistung beruht, die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich zu machen oder zu erschweren, den Konkurrenten den Zugang zum Markt zu verwehren, Handelspartnern für gleichwertige Leistungen ungleiche Bedingungen aufzuerlegen und ihnen damit einen Wettbewerbsnachteil zuzufügen oder die beherrschende Stellung durch einen verfälschten Wettbewerb zu stärken (vgl. in diesem Sinne Urteile Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, Randnr. 73, und British Airways/Kommission, Randnr. 67).

176    Da Art. 82 EG somit nicht nur Verhaltensweisen erfasst, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch solche, die sie durch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs schädigen, trägt das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil France Télécom/Kommission, Randnr. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

177    Folglich verbietet Art. 82 EG einem beherrschenden Unternehmen u. a. eine Preispolitik, die für seine gegenwärtigen oder potenziellen ebenso effizienten Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfaltet, d. h. eine Verhaltensweise, die geeignet ist, seinen Wettbewerbern den Zugang zum Markt und seinen Vertragspartnern die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen oder Handelspartnern zu erschweren oder gar unmöglich zu machen, und damit seine Stellung stärkt, indem andere Mittel als diejenigen eines Leistungswettbewerbs herangezogen werden. Unter diesem Gesichtspunkt kann nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, Randnr. 73, AKZO/Kommission, Randnr. 70, und British Airways/Kommission, Randnr. 68). 

178    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin nicht bestreitet, dass selbst dann, wenn sie keinen Handlungsspielraum zur Änderung ihrer Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste hat, die Spanne zwischen diesen Entgelten und ihren Endkundenentgelten für Endkundenzugangsdienste für ihre gegenwärtigen oder potenziellen ebenso effizienten Wettbewerber eine Verdrängungswirkung entfalten kann, sofern deren Zugang zu den betreffenden Dienstleistungsmärkten durch die Margenbeschneidung, zu der eine solche Spanne führen kann, zumindest erschwert wird.

179    In der mündlichen Verhandlung hat die Rechtsmittelführerin jedoch geltend gemacht, dass sie aufgrund des im angefochtenen Urteil für die Feststellung eines Missbrauchs im Sinne von Art. 82 EG herangezogenen Kriteriums unter den Umständen des vorliegenden Falles angesichts der Regulierung ihrer Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste durch die nationalen Regulierungsbehörden gezwungen sei, ihre Entgelte für Endkundenzugangsdienste zu Lasten ihrer eigenen Endkunden anzuheben.

180    Aus den Randnrn. 175 bis 177 des angefochtenen Urteils geht zwar bereits hervor, dass Art. 82 EG insbesondere den Verbraucher durch einen nicht verfälschten Wettbewerb schützen soll (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 16. September 2008, Sot. Lélos kai Sia u. a., C‑468/06 bis C‑478/06, Slg. 2008, I‑7139, Randnr. 68).

181    Der bloße Umstand jedoch, dass die Rechtsmittelführerin ihre Endkundenentgelte für Endkundenzugangsdienste anheben müsste, um die Beschneidung der Margen gegenüber Wettbewerbern, die ebenso effizient sind wie sie, zu vermeiden, kann für sich allein nicht dem vom Gericht zur Feststellung eines Missbrauchs nach Art. 82 EG herangezogenen Kriterium seine Stichhaltigkeit nehmen.

182    Diese Margenbeschneidung führt nämlich dadurch, dass das Maß des auf dem Markt für Endkundenzugangsdienste herrschenden Wettbewerbs, der gerade durch die Anwesenheit der Rechtsmittelführerin bereits geschwächt ist, weiter verringert und deren beherrschende Stellung damit gestärkt wird, auch zu einer Schädigung der Verbraucher, indem deren Wahlmöglichkeiten und damit die Aussicht, dass die Endkundenentgelte auf längere Sicht wegen des Wettbewerbs durch zumindest ebenso effiziente Wettbewerber auf dem genannten Markt sinken, eingeschränkt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil France Télécom/Kommission, Randnr. 112).

183    Unter diesen Umständen hat das Gericht, sofern die Rechtsmittelführerin, wie in den Randnrn. 77 bis 86 des vorliegenden Urteils ausgeführt, über einen Handlungsspielraum zur Verringerung oder Beseitigung einer solchen Margenbeschneidung durch Anhebung ihrer Endkundenentgelte für Endkundenzugangsdienste verfügt, daher zu Recht in den Randnrn. 166 bis 168 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass diese Margenbeschneidung angesichts ihrer möglichen Verdrängungswirkung auf zumindest ebenso effiziente Wettbewerber wie die Rechtsmittelführerin bereits für sich allein einen Missbrauch im Sinne von Art. 82 EG darstellen kann. Das Gericht musste daher nicht zusätzlich feststellen, dass die Zwischenabnehmerentgelte für Vorleistungszugangsdienste bzw. die Endkundenentgelte für Endkundenzugangsdienste bereits für sich allein missbräuchlich waren, da sie zu hoch waren bzw. Verdrängungswirkung hatten.

184    Infolgedessen ist die Rüge der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe zur Feststellung eines Missbrauchs im Sinne von Art. 82 EG ein falsches Kriterium herangezogen, als teils unzulässig, teils unbegründet zurückzuweisen.

da kommen mir zwei Fragen:

1. werden die Konkurrenten der Deutschen Bahn ebenfalls klagen? Schließlich werden sie massiv benachteiligt  und der EuGH hat entschieden, dass die Ausrede "die Regulierungsbehörde hat ja schon etwas festgesetzt, also haben wir einen Freibrief, die Preise in diesem Rahmen - alternativ: nach eigenem Gutdünken - gestalten" nicht gilt.

2. wann wird ein marktbeherrschendes Oligopol wie im Strom- oder Tankstellenmarkt endlich einem einzelnen marktbeherrschenden Unternehmen "gleichgestellt"? Die Schäden für die Volkswirtschaft (im Sinne von Dividendengewinne für wenige Aktionäre auf Kosten der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung mit der Wirkung, dass Kaufkraftverluste die Binnennachfrage schwächen und die Konjunktur abwürgen mit der Folge von Arbeitslosigkeit) sind mindestens genauso groß wie die von marktbeherrschenden Einzelunternehmen! Ein derartig antisoziales Verhalten muss dringend sanktioniert werden...

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Zu 1: Gerade um die Frage, wie man das "massive Benachteiligen" rechtlich fasst, geht es ja in der DTAG-Entscheidung. Sie hat ausführlich zum Maßstab der Kommission des "as efficient competitors" Stellung genommen und diese gebilligt. Diese Grundsatzentscheidung lässt sich nun auf andere Branchen übertragen. Auch bei der Bahn wäre - in einem möglichen Verfahren - zu fragen, ob die Marge zwischen Netzentgelten für Konkurrenten und den eigenen Endkundenpreisen kostendeckend wären, wenn man die eigenen Kosten der Bahn zu Grunde legt. Wäre dort aber schwerer zu berechnen, weil Züge oft unterschiedlich ausgelastet sind und so die Einnahmeseite ziemlich flexibel ist.

Zu 2: Ein "Oligopol" wird von Art. 102 AEUV dann erfasst, wenn eine sog. kollektive marktbeherrschende Stellung vorliegt. Die Kriterien dafür wurden zunächst in Airtours heraufgearbeitete. Das EuG hat dann in Impala ein paar (inzwischen korrigierte) Schlüsse daraus gezogen. Der EuGH hat schließlich in SonyBMG (Rechtsmittel zu Impala) die heute herrschende Doktrin für die notwendigen Voraussetzungen aufgestellt. (alle drei Entscheidungen sind lesenswert).

Ist letztlich in der Theorie nicht furchtbar kompliziert , aber schwierig in der Praxis: Es bedarf, grob gesagt, eines transparenten Marktes, der den Teilnehmern auch ohne Absprachen ein Zusammenwirken erlaubt. Zweitens müssen Mechanismen festgestellt werden, die den "Abweichler" auf Linie halten können. Wer vom Preis der anderen abweicht, muss also bestraft werden können. Das ist oft schwer nachzuweisen. Ich denke, das Kartellamt ist dabei, das auszuloten.

 

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2. wann wird ein marktbeherrschendes Oligopol wie im Strom- oder Tankstellenmarkt endlich einem einzelnen marktbeherrschenden Unternehmen "gleichgestellt"?

 

Im Strommarkt wird es über die Mehrheitsbeteiligungen von RWE und E.ON und über § 36 GWB funktionieren. Der EuGH hat im Übrigen in seinen "La Crespelle"- und "Almelo"-Entscheidungen (und wohl auch "TV Magill") ein unabhängiges Nebeneinander von marktbeherrschenden Unternehmen einem einzelnen Unternehmen gleichgestellt. Auch der BGH (KZR 82/07) hat sich dem angeschlossen.

Will sagen: Es geht. Nur die Landgerichte (und teilweise auch die OLGs) tun sich damit noch schwer.

 

 

 

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@Descartes: Sorry, aber Magill (RTE) ist überholt, was die Anwendung von Art. 102 AEUV auf kollektiv marktbeherrschende Unternehmen angeht. SonyBMG C-413/06 ist insoweit die aktuelle Leitentscheidung für die kollektive Marktbeherrschung.

La Crespelle betrifft im Kern ein anderes Problem, nämlich lokale Gebietsmonopole, die räumlich aneinander angrenzen. Da ging es im Prinzip um Einzelmarktbeherrschung.

Ohne Einzelmarktbeherrschung oder kollektive Marktbeherrschung aber keine kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht. -> Die Bundesnetzbehörde (als Regulatorin) kann natürlich früher eingreifen...

LG
O

 

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@Olaf Weber: Es mag grundsätzlich stimmen, dass die Magill-Entscheidung überholt ist, allerdings hat sich der BGH noch in KZR 82/07 ("Reisestellenkarte") ausdrücklich auf die Magill-Entscheidung berufen (vgl. Rn 32). Und dies war nach der SonyBMG-Entscheidung.

La Crespelle passt insoweit auf den deutschen Strommarkt, als das die deutschen Stromverteilnetze (876 an der Zahl) lokale Monopole darstellen, die formal unabhängig voneinander sind. Letztendlich handelt es sich dabei um den vorgelagerten Markt der Netzdurchleitung im Verhältnis zur Endkundenversorgung als nachgelagerten Markt.

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@Descartes: Einverstanden. Aber das BKartA oder die Landeskartellbehörden brauchen La Crespelle im Grunde ja nicht, um Einzel-Marktbeherrschung auf regionalen Märkten anzunehmen. (Siehe Gasmarkt, Wasser und Kabel). Da ist mehr der Missbrauch problematisch. Denn den (klassischen) Preismissbrauch durch zu hohe Preise hat ja schon ewig keine Kartellbehörde mehr festgestellt.

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@Olafinho: Da liegt das Problem. Die deutschen Kartellbehörden sind über §§ 111 EnWG, 130 GWB entmündigt worden. Eine Preis-Kosten-Schere wie im Fall "Deutsche Telekom" können sie kraft Gesetzes gar nicht mehr feststellen, da die Kartellbehörden die durch die BNetzA genehmigten Netzentgelte (vorgelagerter Markt) als sachlich gerechtfertigt hinnehmen müssen (vgl. § 30 I Nr. 5 EnWG).

Da kommen Sie also nur mit Art. 102 AEUV weiter. Die erste Hürde ist dann das Tatbestandsmerkmal "wesentlicher Teil des gemeinsamen Marktes". Ohne "La Crespelle" bzw. "Reisestellenkarte" ist dann bereits Schluss, da die Netzentgelte bezogen auf das (meist sehr kleine) jeweilige Verteilnetz gebildet werden. 

 

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