Love Parade-Unglück - zwei Monate nach den tragischen Ereignissen - im Internet weitgehend aufgeklärt

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 23.09.2010

Die im Titel dieses Beitrags aufgestellte Behauptung ist bewusst plakativ gewählt und mag auch anmaßend klingen. Ich denke aber, man kann sie in der Tendenz belegen.

Die von den verschiedenen beteiligten "Akteuren" unmittelbar nach den Ereignissen angekündigten Aufklärungsbemühungen zielten von Anfang an v.a. dahin, die Veranwortung auf jeweils die anderen Verantwortlichen abzuwälzen und die eigene Verantwortung zu leugnen oder in Frage zu stellen. Dieses Gebaren ist es, dass die verletzten Opfer und Angehörigen massiv befremdet und empört hat.

Dabei dürfte, wie ein lesenswerter Beitrag zu den rechtlichen Fehlern bei der Genehmigung der loveparade auf docunews richtig ausführt, bei einer gesetzmäßig durchgeführten Planung und Genehmigung einer solchen Veranstaltung die Verantwortlichkeit niemals unklar sein.

Recherchen im Internet (nur einige Beispiele: loveparade2010doku, lothar evers, Dr. Wittsiepe, bluemoonsun) haben schon zu Ergebnissen geführt, die weit detaillierter sind als in anderen Medien bekannt wurde. Die Gründe dafür sind nicht, dass das Internet im Allgemeinen besser geeignet wäre als andere Medien, aktuelle Ereignisse aufzuklären und zu bewerten. Internetforen und blogs haben vielmehr spezifische Schwächen, die einer objektiven Tatsachenermittlung regelmäßig eher abträglich sind: Fehlen einer Organisation, Anonymität der Beiträge, Sammelbecken von abstrusen Verschwörungstheoretikern, Auseinanderfallen von Engagement und Fähigkeiten bei den einzelnen Personen. Zudem zerfasert eine solche Internetrecherche tendenziell häufig zwischen verschiedenen teilweise ideologisch zerstrittenen Plattformen. All das lässt sich auch diesmal finden, aber bei den Recherchen zur Love Parade sind besondere Bedingungen zusammengekommen, die es ermöglichten, wesentlich weiter zu kommen als sonst. Weitere Links zu den wichtigsten dieser Recherchen finden Sie in meinem früheren Beitrag.

1. Die Betroffenen (womit ich hier alle Besucher und Interessierte meine, die potentiell in die Situation hätten kommen können) entstammen ganz überwiegend der Generation, die mit Internetforen, Twitter, Blogs, Videodatenbanken wesentlich mehr anfangen kann als mit Zeitungen, Rundfunk, Fernsehen.
2. Es steht mit den auf youtube und anderen Plattformen hochgeladenen Filmen und Fotos sowie Augenzeugenberichten eine riesige Menge an Datenmaterial zur Verfügung, deren Sichtung und Sortierung (u.a. durch eine aufwändige Synchronisation vieler Besuchervideos) unter den Bedingungen des Internet wesentlich besser gelingen kann als innerhalb eines einzelnen Arbeitsauftrags bei Polizei oder Staatsanwaltschaft. Jeder kann diese Filme anschauen, verifizieren, auf Details hinweisen, Thesen aufstellen, belegen und verwerfen.
3. Die Tendenz einer Zerfaserung - ein spezifisches Problem der Internetrecherche - wurde etwas gebremst durch eine gewisse  Konzentration auf wenige Seiten und die Vernetzung dieser Seiten. Das Ziel der "Aufklärung" hat diese Seiten verbunden. Zudem haben einzelne Rechercheure mit ihren Seiten entscheidende Akzente gesetzt - auch der Einzeljournalismus ist keineswegs überflüssig in den Zeiten des Internet..
4. Das große, nachhaltige Interesse wird durch die ständige Verfügbarkeit aller Texte, Filme, Dokumente verstärkt. Nicht nur, wenn gerade ein Artikel in der Zeitung steht oder ein Filmbericht im TV gelaufen ist, sondern dauerhaft kann sich im Internet jeder informieren über die Fortschritte bei der Aufklärung und kann diese durch Einsicht in die Text- und Bildquellen unmittelbar nachvollziehen. Man kann "am Ball" bleiben, auch wenn das allg. öffentliche Interesse nachlässt bzw. von anderen Ereignissen überdeckt wird.
Ich bin sicher, ich habe noch nicht alle Aspekte aufgeführt.

Nun zur "Aufklärung" des Love Parade-Unglücks, soweit ich sie heute zusammenfassend beschreiben kann (updates sollen nicht ausgeschlossen sein):

Schon bei der Planung der LoPa hat man nicht beachtet, dass der ohnehin problematische gemeinsame Ein- und Ausgang zwischen den Tunneleingängen und der oberen Rampe zwar knapp die erwarteten Besucherströme in einer Richtung verkraften konnte, aber nicht die (vorab angenommenen) Besuchermengen in beiden Richtungen. Durch Ein- und Ausgang hätten über mehrere Stunden hinweg laut Planung in der Summe hundertausend und mehr Personen pro Stunde geschleust werden sollen. Trotz des erkennbaren Widerspruchs (60.000 Personen/Stunde  maximaler Durchgangsstrom in einer Richtung unter optimalen Bedingungen, 100.000 Personen/Stunde in gegenläufigen Richtungen für den Nachmittag geplant) wurde dieses unstimmige Konzept von den Veranstaltern geplant und von den zuständigen Behörden genehmigt.
Dass die Tunnel problematisch waren, war zwar jedem bewusst, aber man "plante" dieses Problem weg, indem man meinte, den Zustrom sicher steuern zu können. Für die Steuerung des Abstroms während der Veranstaltung (z.T. mehr als 50.000 Personen/Stunde wurden am Nachmittag erwartet) gab es kein Konzept. Und weder die zu einer Besuchersteuerung notwendige Anzahl von Ordnern, noch die dazu von den Experten vorab geforderten Lautsprecher waren am Veranstaltungstag vorhanden.

Das für die Veranstaltung geforderte Sicherheitskonzept enthielt eine Lücke gerade in dem (von allen) zuvor als sicherheitstechnisch problematisch angesehenen  Eingangsbereich (der auch unklar mal dem Veranstaltungsgelände mal dem Straßengelände zugewiesen wurde und keinerlei Fluchtwege aufwies). Ein Konzept dafür, was man tun könne, wenn es dort zu Stauungen kommt, war nicht vorhanden. Entgegen dieser Lücke, die aus den veröffentlichten Dokumenten (einschließlich der Entfluchtungsanalyse) erkennbar ist, wurde die Veranstaltung genehmigt.
Die Auflagen der Genehmigung, die u.a. beinhalteten, die Zuwege und Fluchtwege von Hindernissen frei zu halten, wurden in eklatanter und gefährlicher Weise missachtet. Die Zu- und Abgangsrampe wies am Veranstaltungstag noch etliche Hindernisse auf: Zur Personenstromsteuerung ungeeignete Bauzäune, Brezlbuden, Polizeifahrzeuge hinter weiteren Bauzäunen. Ein Gulli und ein Schlagloch mit Baumwurzel wurde - Gipfel der Rücksichtslosigkeit - mit einem Bauzaun abgedeckt (am besten hier zu sehen). Mit hoher Wahrscheinlichkeit gab im Gedränge ein Stolpern oder Verhaken in diesem Bauzaun den unmittelbaren Ausschlag für viele der Todesfälle.

Als es dennoch zu Stauungen (wie nach der Entfluchtungsanalyse vorhersehbar und unvermeidlich zunächst  am oberen Rampenende) kam, fehlte das Konzept für diesen Fall. Das "Pushen" durch Ordner und "Wegziehen" durch die Floats konnte bei der Anzahl der Besucher, die die Veranstaltung gerade verlassen wollten, nicht funktionieren: Es waren dort insgesamt zu viele Personen in beiden Richtungen für diesen Engbereich.

Man war nun auf ein adhoc-Konzept angewiesen und auf die Hilfe der Polizei. Die Polizei sperrte daraufhin an einer Engstelle auf der Mitte der Rampe den Zu- und Abgang. Gleichzeitig wurden in den Tunneln Sperren errichtet, um den Zugang zur Rampe zu hindern. Beide Sperrpositionen waren höchst ungeeignet. Sie widersprachen den vorab gegebenen Empfehlungen (Stauungen im Tunnel unbedingt vermeiden) und hatten erkennbar keine Entlastung zur Folge, sondern eine bloße Verlagerung und Verschärfung der Gefährdung. Durch die Platzierung der Sperre auf der Rampenmitte konzentrierte sich das Gedränge nunmehr im unteren Drittel der Rampe und an den Tunnelausgängen. Da die feststeckenden Besucher (die teilweise schon stundenlang auf den Zuwegen verbracht hatten) weiterhin nicht per Lautsprecher  informiert wurden, suchten sie selbst Auswege aus dem Dilemma - Masten, v.a. Treppe, Container, mit der Folge, dass sich das Gedränge in den Richtungen dieser vermeintlichen Auswege noch verschärfte und es hier über Minuten zu Massenturbulenzen kam.
Die Sperren in den Tunneln wurden schon zeitlich vor der Sperre auf der Rampenmitte aufgelöst bzw. überrannt, so dass sich das Gedränge auf dem unteren Rampendrittel nochmal verschärfte. Offenbar war auch die Funk-Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden und sogar der Polizei untereinander gestört. Niemand wusste zeitweise, was er oder die anderen taten, welche Sperren geöffnet, welche geschlossen waren. Zu spät wurde eine Sperre am oberen Rampenende aktiviert, und die Abströmenden über die zweite Rampe (Korrektur: Abströmende zunächst blockiert, später über die Notausgänge) geschickt. Und auch als der Weg nach oben wieder relativ "frei" war, konnten das die im Gedränge feststeckenden nicht erkennen - niemand informierte sie.

Die genannten Umstände führten - zusammen - zur Katastrophe. Entgegen den vorherigen Ankündigungen (Sicherheit hat Vorrang) hat man diese in entscheidenden Punkten vernachlässigt. Bei allen drei "Akteuren" (Veranstalter, Stadt, Polizei) lassen sich meiner Meinung nach fahrlässige Handlungen und  Unterlassungen feststellen, die Tod und Verletzung zurechenbar mitverursachten und zu einer Anklageerhebung wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) oder Körperverletzung (§ 229 StGB) führen könnten. Die genaue institutionelle "Zuständigkeit" für jede dieser Fahrlässigkeiten ist allerdings noch in der Diskussion, auf den entsprechenden Internetseiten und hier im Blog. Und die im Strafrecht notwendige individuelle Zurechnung ist m.E. Sache der Staatsanwaltschaft.

Hier im Beck-Blog wurden zwar kaum Tatsachen unmittelbar recherchiert, aber zum Teil intensiv mit juristischer Schlagseite diskutiert. Mein Beitrag zu dieser Aufklärung war vergleichsweise gering.  Die Kommentarsektion ist  aber mit anderen Aktivitäten im Netz verknüpft und dadurch profitiert die hiesige Diskussion von den Früchten dortiger Recherche. Das Echo und die weiteren Reaktionen haben mich außerordentlich überrascht: Der Beitrag ist einer der am häufigsten angeklickten und der mit Abstand am häufigsten kommentierte Beitrag hier im Blog. Die Kommentare waren häufig weiterführend und fundiert und infolgedessen habe ich den Ausgangsbeitrag alle paar Tage aktualisiert.  

Die Diskussion und Recherche im Internet ist natürlich nicht beendet. Es gibt noch viele Details, die nicht vollständig aufgeklärt sind, und es gibt sicherlich noch weitere Belege für die schon aufgeklärten Fakten.

Möglicherweise gibt es auch an meinen obigen Erwägungen zutreffende Kritik, die ich gerne aufgreifen werde.

(Letztes update dieses Beitrags - Link eingefügt - am 12.11.2010, 14.10 Uhr)

Update am 8.Juni 2011:

Links zu den weiteren Diskussionen hier im Beck-Blog:

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 23000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 8000 Abrufe)

Mai 2011 (bisher über 1000 Kommentare; über 7000 Abrufe)

AKTUELL: Juli 2011

 

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@Herr Licht,

Ich zitiere meinen ersten Satz, geschrieben am 28.07 (!), also ein  paar Tage nach der LoPa:

"Viele der derzeit bekannt gewordenen Fakten zum Love Parade-Unglück sind für die Todesfälle nicht bedeutsam, da sie zwar möglicherweise pflichtwidrige Handlungen belegen, nicht aber einen unmittelbaren Zusammenhang mit den Todesfällen - so hat die Festellung, das Gelände sei zum Zeitpunkt der Katastrophe nicht überfüllt gewesen, gar keine Bedeutung, denn es ging um ein lokales Gedränge (eine so gen. Massenturbulenz) auf der Zugangsrampe, nicht um ein Gedränge auf dem Gelände. Auch ist es unerheblich, ob, wann und  in welcher Breite Fluchtwege vom Gelände genehmigt wurden bzw. ein ausreichendes Brandschutzkonzept für das Gelände vorlag, denn diese haben bei der Katastrophe überhaupt keine Rolle gespielt."

Das hier untersuchte Ereignis fand nicht bei der Entleerung des Geländes statt, das ist jedem, der sich mit der Materie beschäftigt hat, bekannt. Ich bitte Sie nochmals eindringlich, beim Thema zu bleiben.

 

Sehr geehrtes Flusspferd,

in der Veranstaltungstechnik wurde ein Großschadensereignis allgemein erwartet, weil bei zu vielen Veranstaltungen generell gegen elementare Sicherheitsregeln verstoßen wird. Es hat sich in vielen Bereichen eine "Bad Practice" statt einer "Best Practice" etabliert.Dies erklärt meiner Meinung nach das unabhängige Versagen vieler beteiligter Personen und Organisationen. Die Planung des Besucherinlasses hatte allerdings eine bisher nicht gekannte Negativqualität.

Es wäre kontraproduktiv und rechtswidrig, bei einem bestimmten Maß von Mißachtung von Sicherheitsvorschriften zu sagen, sie seien tolerabel. Es gibt sicherlich eine kritische Masse an Fehlern, bei der eine Katastrophe aunausweichlich eintreten muss. Bei der Loveparade bedurfte es nicht einmal eines Unfalls, eines Brandes oder eines unvorhergesehenen Ereignisses, um die Katastrophe auszulösen.

Sicherheitsvorschriften haben hingegen den Zweck, selbst bei Unfällen, Bränden und unvorhergesehenen Ereignissen jederzeit die Sicherheit aller Besucher zu gewährleisten. Das ist ein ganz anderes Niveau an Sicherheit, das allerdings zu Recht gesetzlich gefordert ist. Die Sicherheit von Veranstaltungen (nicht nur Open Air) erreicht das geforderte Niveau im Regelfall nicht. Bereits die Investition weniger Arbeitsstunden kann die Sicherheit erheblich verbessern. Im beruflichen Alltag erlebe ich z.B. immer wieder Verblüffung von Kollegen, wenn auf von mir betreuten Veranstaltungen Rettungswege tatsächlich immer frei, nicht zugerümpelt und stolperfrei begehbar sind...

Leichte Verstöße werden in ihrer Gefährlichkeit oft unterschätzt, aber massiv und oft begangen. Gefährdungsanalysen als planerisches Werkzeug haben dieser Unterschätzung eigentlich ein Ende bereitet.

Deswegen habe ich in dem Artikel auf Docunews die klare Regelung der Verantwortlichkeiten dargestellt. Die Ordnungswidrigkeitsbestimmungen in der SBauVO sind extra geschaffen worden, um allen Beteiligten unmissverständlich klar zu machen, dass man sich bei Missachtung von Sicheheitsvorschriften strafbar macht. Es gibt diesbezüglich keine "beschränkten Fehler". Es gibt auch keine "Personen mit beschränkter Übersicht", dafür sind Sicherheitsunterweisungen vorgeschrieben.

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Sehr geehrter Herr Licht,

es ist für Besucher nicht einfach festzustellen, ob eine Veranstaltung sicher ist. Fachleute sehen da auf den ersten Blick mehr. Aber die Frage ist sehr interessant. Ich schaue mal, ob ich eine Checkliste für Besucher erstellen kann. Wie im Artikel erwähnt, ist öffentlicher und politischer Druck zur Einhaltung der Sicherheitsvorschriften willkommen.

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@Meister für Veranstaltungstechnik,

@Flusspferd

danke für die interessante Erörterung. Ist es nicht auch so, dass bei der LoPa die SBauVO nur zur Anwendung kam, weil das Gelände total umzäunt war und bei anderen Events andere Regelungen gelten?

Anders als bei "jeder großen Kirmes" hat der Veranstalter mit der Umzäuning natürlich ein höheres Maß an Verantwortung. Er hat definitv Gäste und nicht nur Durchgangsverkehr, wie z.B. bei einem Stadtfest, das i.d.R. von vielen Seiten offen ist und damit auch ganz andere Entfluchtungsmöglichkeiten bietet (so war die LoPa m.W. früher auch). Ist das so in etwa korrekt?

Viele Grüße

Der Klenk

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Hallo Klenk,

 

ich weiß nicht, welche Vorschrift zur Anwendung kam. Aber ich denke auch, dass die Umzäunung einen Unterschied machte. Bei einer Kirmes ist z.B. die Festlegung, was innen und was außen ist, in gewisser Weise willkürlich, wodurch auch die Festlegung von Rettungsweglängen in den Außenbereich reine Definitionssache. Bei der  Loveparade sollte das aber klar gewesen sein. Spätestens ab der ersten Kontrolle war Veranstaltungsgelände. Aber selbst darüber scheint man sich unter den Beteiligten ja nicht einig gewesen zu sein. Es ist auch klar warum. Wenn der Tunnel zum Gelände gehörte, hätte es Bereiche gegeben, von denen aus der kürzeste Rettungsweg hinaus aus dem Gelände über 200 Meter lang und zum nächsten nicht-überdachte Punkt über 100 Meter lang gewesen wäre.

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Die Versammlungsstättenverordnung gilt nur für Räume und für umbaute (z.B. umzäunte) Gelände im Freien.

Sie definierte das Gelände der Loveparade eindeutig. Alles andere wird von den beteiligten Seiten allenfalls behauptet.

Für Veranstaltungen im Freien, die nicht umzäunt sind, gilt sie nicht.

Das heißt jedoch nicht, dass es dafür keine anderen Sicherheitsvorschriften gäbe. Aber diese hier im Einzelnen zu diskutieren, würde für diesen Thread zu weit führen.

 

Allerdings haben sich hier nun einige Interessierte und auch Fachleute zum Thema Veranstaltungssicherheit eingefunden. Wäre es nicht eine gute Idee, im Rahmen des Beck-Blogs auch einen Thread zu allgemeineren Fragen der Veranstaltungssicherheit zur Verfügung zu stellen?

Ich persönlich würde mich z.B. sehr gerne mit anderen darüber austauschen, inwiefern einige Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung für ihre Anwendung in der Praxis klarer formuliert werden könnten und habe im Internet noch nicht wirklich einen Ort hierfür gefunden.

Die Loveparade regt jedoch derlei Diskussionen an. Es wäre sicher sehr gut möglich, auch noch weitere Fachleute zum Gedankenaustausch zu gewinnen.

Und es wäre wirklich sehr, sehr sinnvoll, in diesem Punkt einen Anstoß zu geben.

 

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Sehr geehrter Herr Meister f. Veransaltungstechnik,

danke. Wer bitte fertigt Gefährdungsanalysen? Hätte das TraffGo oder Schreckenberg gekonnt?

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Sehr geehrte Blog-Leser und Jura-Profis,

da ich Juralaie bin, ist mir trotz aufmerksamen Verfolgens dieses und des Vorgängerblogs immer noch nicht ganz klar, wie eine Straftverfolgung im Falle der Lopa aussehen kann. Ich habe verstanden, dass eine juristische Strafverfolgung nur gegen einzelne, natürliche Personen erfolgen kann, nicht aber gegen Firmen oder Institutionen. Bedeutet dies nun, dass, falls die Staatsanwaltschaft ein grobes Verschulden z.B. der Lopavent GmbH festgestellt hat, in der Folge der oberste Verantwortliche (im Bsp. also Schaller) oder ein Unterverantwortlicher angeklagt wird?
Falls dem nicht so sein sollte, denke ich, dass die Lopa vorbildlich für andere Veranstalter stehen könnte, nach dem Motto: "Mir als Veranstalter kann nix passieren, wenn etwas schiefgeht, sofern ich, wie damals bei der Lopa, einfach keine Schuld eingestehe."

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Sehr geehrter Herr Schenk,

die strafrechtliche Verantwortlichkeit muss individuell bestimmt werden, d.h. es muss einer (oder mehreren) Einzelperson/en aus der jeweiligen Institution ein fahrlässiges Tun oder Unterlassen, das für die Folgen ursähclich war, nachgewiesen werden. Dies trifft nicht unbedingt den jeweiligen "Chef" einer Institution, aber dies ist auch nicht auszuschließen. Denkbar wäre etwa (rein hypothetisch) Folgendes: C, Chef der Firma X,  plant eine Veranstaltung auszurichten. Er beauftragt mit den Einzelheiten der Planung A und B, die beide nach ihren Fähigkeiten (Ausbildung etc.)  geeignet sind, eine solche Veranstaltung zu organisieren. A und B machen aber fahrlässig grobe Fehler, in deren Folge andere zu Tode kommen. In diesem Fall wäre C  strafrechtlich dadurch entlastet, dass er (weil er etwa von Veranstaltungsorganisiation nichts versteht) kompetente Kräfte damit beauftragt hat. Er hätte dann nicht fahrlässig gehandelt. Anders wäre es aber, wenn die Fehler durch bestimmte Vorgaben des C unvermeidlich wurden, wenn C entgegen Warnungen durch A und B die Veranstaltung explizit so angeordnet hätte, wenn C ungeeignete Personen mit der Organisation beauftragt hätte, oder wenn er die Fehler erkannt hätte, aber nicht rechtzeitig dagegen eingeschritten wäre.

Ich hoffe, die Sache ist damit etwas klarer.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

ich versuch's mal beispielhaft mit einem Lösungssschema (übernommen von Mario C. aus dem Winnenden-Thread) für die Genehmigungsbehörde bzw. den genehmigenden Beamten. Korrekturen und Ergänzungen jederzeit willkommen, ebenso weitere Schemata für

A) den Verantwortlichen, der die Zugangsbeschränkungen für den Tunnel freigegeben hat, so dass dieser überfüllt wurde und es an der Rampe plötzlich proppenvoll wurde

B) den Verantwortlichen, der den Zugang zum LP-Gelände nicht als Fluchtweg geöffnet hat

C) den, der den/die Einsatzwagen mit Blaulicht und Signal an die Rampe gefahren hat bzw. diesen Einsatz angeordnet hat

D) den, der die Entscheidung getroffen hat, eine hervorstehende Wurzel und einen defekten Gullideckel mit einem wippenden Bauzaun abzudecken

E) den, der entschieden hat, die Polizisten vor Ort nicht mit Funkgeräten auszurüsten, sondern auf die Stabilität des Handynetzes zu vertrauen (bei mehreren hunderttausend Menschen auf wenigen km²!)

also los:

I. Tatbestand

1. Erfolg

→ (+), Tod von 21 Menschen

2. Handlung

→ (+), Genehmigung entgegen der Sonderbauverordnung des Landes NRW (Breite der Fluchtwege nur 155m anstatt der vorgeschriebenen 440m; höchstens 30m bis zum nächsten Rettungsweg im Zugangstunnel nicht gewährleistet)

3. Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie

→ (+), wäre die Veranstaltung nicht genehmigt und durchgeführt worden, wäre der tatbestandliche Erfolg nicht eingetreten

4. Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt

a) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

→ (+), Verstoß gegen SBauVO ist objektiv sorgfaltswidrig

b) Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts

→ der eingetretene Erfolg und der wesentliche Kausalverlauf müssen objektiv aus Sicht eines beobachtenden Dritten (und nicht aus Sicht des Täters) vorhersehbar gewesen sein

→ das ist der Fall, wenn der eingetretene Erfolg und der Kausalverlauf nicht außerhalb der Lebenserfahrung liegen und man mit dem Erfolgseintritt rechnen musste

→ (+)/(-) andere Großveranstaltungen sind ohne Todesopfer durchgeführt worden, aber Reduzierung der Fluchtwege um ein Drittel??? Andererseits: der Stauprofessor hat ja gegutachtet, dass es klappt (aber: die Rechenfehler im Gutachten müssen auch einem Nichtsachverständigen auffallen, und entgegen des Gutachtens wurden keine Lautsprecher für Durchsagen installiert!) 

c) objektive Vermeidbarkeit des Erfolgseintritts

→ objektive Vermeidbarkeit liegt vor, wenn jeder objektive Dritte den Erfolg hätte vermeiden können

→ (+), Genehmigungsbehörde hätte sorgfaltsgemäß handeln können, indem sie die Veranstaltung dort nicht zugelassen hätte

d) Objektive Zurechnung

aa) Rechtlich relevante Gefahr

→ (+ )SBauVO dient mit ihren Vorschriften gerade dazu, im Fall von Panik oder Feuer ausreichend Rettungsmöglichkeiten zu gewährleisten, also rechtlich relevante Gefahr 

bb) Realisierung im konkreten Erfolg

(1) Dritter verursacht den tatbestandlichen Erfolg eigenverantwortlich

→ nicht unwahrscheinlich, da sowohl Freigabe der Sperren für den Tunnelzugang erst den tödlichen Staudruck verursacht hat als auch Rolle der Poliziefahrzeuge nicht geklärt ist und die Stolperfalle Bauzaun/Wurzel/Gullideckel als Hauptursache für die Stürze und Todesfälle angesehen werden muss

→ (-) Realisierung im konkreten Erfolg nicht eindeutig belegbar

(2) Pflichtgemäßes Alternativverhalten

→ hat der Täter objektiv fahrlässig gehandelt, wäre aber der tatbestandsmäßige Erfolg auch bei fehlerfreiem Verhalten (sog. pflichtgemäßem Alternativverhalten) eingetreten, dann war der Erfolg unvermeidbar; es kommt dann nicht mehr auf die tatsächlich gegebene Pflichtverletzung an

→ Pflichtwidrigkeitszusammenhang (+), da ohne Genehmigung keine Loveparade

II. Rechtswidrigkeit

→ (+), es liegen keine Rechtfertigungsgründe vor

III. Schuld

1. Schuldfähigkeit (+)

2. Persönliche Vorwerfbarkeit der Handlung

a) Subjektive Sorgfaltspflichtverletzung

→ für die Schuld des Täters ist erforderlich, dass der Täter subjektiv nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage und fähig war, sorgfaltsgemäß zu handeln

→ (+), Genehmiger war in der Lage, sorgfaltsgemäß zu handeln

b) Subjektive Vorhersehbarkeit

→ der Täter muss in der Lage gewesen sein, vorherzusehen, dass er den Erfolg verursachen würde

→ musste der Genehmiger mit einem solchen Ausgang der Loveparade rechnen?

→ (-)? Massenveranstaltungen dieser Größe sind selten, Gutachten sprachen für eine Durchführbarkeit

3. Zumutbarkeit

→ schließlich muss es dem Täter zumutbar gewesen sein, die Sorgfaltspflicht zu erfüllen; dabei kommt es auf eine objektive und nicht auf eine subjektive Sicht des Täters an

→ (+), es war dem Genehmiger zumutbar, die Veranstaltung nicht zu genehmigen

IV. Ergebnis

→ (+)/(-)

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Mmh, da fehlt jetzt aber noch so einiges. So sind längst nicht alle Verstöße gegen die Versammlungsstättenverordnung bzw. Sonderbauverordnung aufgeführt.

Die Reduktion der Fluchtwege auf dem Festivalgelände ab Rampe aufwärts ist für die Todesfälle irrelevant.

Dafür sind andere Verstöße relevant, z.B. das Nichtvorhandensein von Flucht- / Rettungswegen im Bereich Einlassschleusen/Tunnel bis Rampe, inklusive fehlenden freizuhaltenden Spuren für Rettungs- und Einsatzfahrzeuge dort (wodurch es auch dazu kam, dass Polizeifahrzeuge durch die Menge fahren mussten).

 

Ich habe es im vorherigen Thread zum Thema schon einmal gesagt: Es ist wirklich sehr, sehr zu hoffen, dass die aufklärenden und anklagenden Stellen (Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft) veranstaltungsrechtliche Expertise einholen, und zwar nicht nur einen Kommentar von irgendwem. Vielmehr sollte entsprechende Expertise für die Aufklärung von Verantwortung und demnach Schuld umfassend herangezogen werden.

Durch eine entsprechende veranstaltungsrechtliche Betrachtung sind die einzelnen Verantwortlichkeiten und ein guter Teil der Versäumnisse und Fehler, die zu den Todesfällen führten klar darstellbar.

 

Ein sehr schönes Beispiel hierfür ist auch die Betreiber-Haftung. Wir hatten bereits festgestellt, dass der Eigentümer des jeweiligen Geländes laut Veranstaltungsrecht umfassende Pflichten hat und Verantwortung trägt, derer er sich auch durch Delegieren und Verträge nicht wirklich entledigen kann.

Ohne Betrachtung des Veranstaltungsrechts wären die entsprechenden Pflichten und Verantwortung der Betreiber vermutlich ganz einfach unter den Tisch gefallen.

 

Wird das Veranstaltungsrecht und die darin festgelegten Pflichten und Verantwortungen bei der Rechtsprechung zu diesem Fall außer Acht gelassen, so hätte dies schwerwiegende Folgen für die Veranstaltungsbranche.

Woran soll man sich denn als Veranstalter orientieren, wenn in einem Unglücksfalle das Veranstaltungsrecht vor den Gerichten keine Beachtung findet?

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Anm. zu "1:25 Gruppe weg von der Treppe " im linken Drittel kann man eine Gruppe sehen, die einen kleinen Kreis bildet und es schafft, vom Rande des Knäuels wegzukommen - ein Indiz dafür, dass "im Durchschnitt" genug Platz für alle war und der wesentliche Staudruck aus dem Westtunnel kam.

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Ich bin übrigens gespannt, ob die umfassende Betreiber-Verantwortung irgend eine Rolle spielen wird.

Wenn nicht, dann würde das für die Veranstaltungspraxis der Zukunft bedeuten: Vergesst das Veranstaltungsrecht (zumindest in diesem Punkt), Leute. Die darin betonte Betreiberverantwortung ist im Zweifelsfalle Makulatur.

 

Interessant ist daran im Falle der Loveparade folgender Punkt:

Laut Versammlungsstättenverordnung umfasste die Versammlungsstätte in diesem Fall nicht nur das Partygelände von der Rampe aufwärts, sondern - aufgrund der Einzäunung und der Einlassschleusen - auch den Bereich von den Einlassschleusen bis zur Rampe (inkl. Tunnel).

Laut Versammlungsstättenverordnung haben wir demnach hier zwei Betreiber:

1) Das Unternehmen, welches Eigentümer des Partygeländes ab Rampe ist und

2) die Stadt Duisburg für das Gelände zwischen Einlassschleusen und Rampe (inkl. Tunnel).

 

Aus der Veranstaltungsbranche wurden mir gegenüber von mehreren Leuten Zweifel daran geäußert, dass man eine Kommune in die Betreiber-Verantwortung ziehen könnte.

Das hieße jedoch zweierlei Maßstäbe für Rechtsprechung anzusetzen: Ist der Betreiber eine Privatperson oder ein privates Unternehmen, so wendet man auf ihn/es die Betreiberpflichten laut Veranstaltungsrecht an, handelt es sich um eine Kommune, so übersieht man dies einfach.

Eine weitere, befürchtete Möglichkeit besteht darin, die Betreiberpflichten in diesem Falle ganz zu übersehen, um diesen Aspekt gar nicht erst zu thematisieren.

 

Ich persönlich möchte mich diesen Befürchtungen nicht anschließen. Eher hielte ich es für wahrscheinlich, dass nicht jeder im Strafrecht bewanderte Ermittler ohne weiteres die Einzelheiten des Veranstaltungsrechts kennen kann, durch welches hierbei Verantwortung und Versäumnisse (welche auch zu den Todesfällen führten) in weiten, relevanten Teilen klar definiert werden.

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Die Leserin schrieb:

Interessant ist daran im Falle der Loveparade folgender Punkt:
Laut Versammlungsstättenverordnung umfasste die Versammlungsstätte in diesem Fall nicht nur das Partygelände von der Rampe aufwärts, sondern - aufgrund der Einzäunung und der Einlassschleusen - auch den Bereich von den Einlassschleusen bis zur Rampe (inkl. Tunnel).

Laut Versammlungsstättenverordnung haben wir demnach hier zwei Betreiber:
1) Das Unternehmen, welches Eigentümer des Partygeländes ab Rampe ist und
2) die Stadt Duisburg für das Gelände zwischen Einlassschleusen und Rampe (inkl. Tunnel).

Das Veranstaltungsgelände ist einheitlich zu betrachten und zu genehmigen, auch wenn es wie in diesem Fall aus zwei Teilen besteht. Zunächst wird die Nutzung der beiden Teile geklärt. Für das Privatgelände zwischen Lopavent und Aurelis. Für das Strassenland mit der Bezirksverwaltung. Ist diese Voraussetzung erfüllt, wird das Veranstaltungsgelände als Ganzes nach der Sonderbauverordnung genehmigt und abgenommen.

Die Behauptung für das öffentliche Strassenland sei eine Genehmigung durch die Bezirksverwaltung ausreichend, eine des Bauamtes nach Sonderbauverordnung verzichtbar gewesen, ist von der Stadt Duisburg und den sie unterstützenden Anwälten der Kanzlei Heuking in die Welt gesetzt und durch nichts belegt worden.
Eine der übelsten und nachhaltigsten Nebelkerzen dieses Joint Ventures.

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Lothar Evers schrieb:

Das Veranstaltungsgelände ist einheitlich zu betrachten und zu genehmigen, auch wenn es wie in diesem Fall aus zwei Teilen besteht. Ist diese Voraussetzung erfüllt, wird das Veranstaltungsgelände als Ganzes nach der Sonderbauverordnung genehmigt und abgenommen.

 

Sie haben völlig Recht.

Dennoch gibt es zwei Betreiber.

Das ganze Thema hatten wir doch schon einmal.

Die Genehmigung hat nichts mit der Anzahl der Betreiber zu tun.

Obwohl es einen Veranstalter, die Lopavent, gibt, sieht das Veranstaltungsrecht weitgehende Pflichten für den / die Betreiber vor, aus denen sie sich nicht durch einen Vertrag mit einem Veranstalter lösen können.

Nun glauben Sie doch bitte mal den Fachleuten.

 

Lesen Sie dafür bitte § 38 SBauV, Teil 1:

http://www.mbv.nrw.de/Service/Downloads/Bauverwaltung/Sonderbauten/1-Sonderbau-SBauVO.pdf

Dort heißt es:

(1) Der Betreiber ist für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich.

(2) Während des Betriebes von Versammlungsstätten muss der Betreiber oder ein von ihm beauftragter Veranstaltungsleiter ständig anwesend sein.

(3) Der Betreiber muss die Zusammenarbeit von Ordnungsdienst, Brandsicherheitswache und Sanitätswache mit der Polizei, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst gewährleisten.

(4) Der Betreiber ist zur Einstellung des Betriebes verpflichtet, wenn für die Sicherheit der Versammlungsstätte notwendige Anlagen, Einrichtungen oder Vorrichtungen nicht betriebsfähig sind oder wenn Betriebsvorschriften nicht eingehalten werden können.

(5)

1Der Betreiber kann die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4 durch schriftliche Vereinbarung auf den Veranstalter übertragen. 2Diese Person oder die von dieser mit der Leitung der Veranstaltung Beauftragten müssen mit der Versammlungsstätte und deren Einrichtungen vertraut sein. 3Die Verantwortung des Betreibers bleibt unberührt.

 

Durch diesen letzten Satz ist und bleibt der Betreiber in der gesamten, aufgeführten Verantwortung.

 

 

Und glauben Sie es bitte einmal, wenn Ihnen mehrere Veranstaltungsfachleute dazu erklären, was unter dem Betreiber zu verstehen ist.

 

So stellten Sie selbst im alten Thread diesen Link hier ein:

http://www.evvc.org/de/service/rechtsprechung/love-parade-2010loehr.html

Dort erklärt RA Volker Löhr: "Die genannten Pflichten obliegen in erster Linie dem Betreiber und nicht dem Veranstalter der Loveparade."

Er wusste jedoch nicht genau, wem das Veranstaltungsgelände gehört und sah dabei den Aspekt der zwei verschiedenen Betreiber noch nicht.

 

In diesem Film erklärt Jens Michow, Präsident des Bundesverbandes der Veranstaltungswirtschaft, die Betreiber-Haftung und wer der Betreiber ist:

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/nachrichten#/beitrag/video/1101444/Michow:-Grobe-Fehler-des-Veranstalters

Dabei stammt die Aufnahme von kurz nach der Veranstaltung und Jens Michow wusste nicht, dass das Gelände ab Rampe aufwärts der Firma Aurelis verkauft wurde. Er ging davon aus, dass das gesamte Veranstaltungsgelände der Stadt gehört.

 

(Bei beiden Beiträgen geht es mir lediglich um die Erklärung zum Betreiber und nicht um andere Aspekte, zu denen womöglich mittlerweile weitere Erkenntnisse vorliegen.)

 

Nachdem ich bereits erklärt hatte, dass der Betreiber der Eigentümer des Geländes ist, erklärte dies auch noch einmal in Beitrag 77 auf Seite 2 des alten Threads der Meister für Veranstaltungstechnik:

"Die Fa. Aurelis und damit über Umwege die DB war Eigentümer und damit automatisch Betreiber des Veranstaltungsgeländes. Jede Nutzungsänderungsgenehmigung einer Immobilie betrifft den Eigentümer der Immobilie. [...] Auch eine kostenlose Überlassung des Geländes ändert nichts an der Betreiberhaftung. Aurelis hat meines Wissens vor der Veranstaltung der Presse erklärt, dass Gelände für die Veranstaltung herrichten zu lassen; damit lagen auch die Rettungswege in der direkten Verantwortung von Aurelis. Die Halterhaftung bei Versammlungsstätten hat sich seit der Kaiserzeit bewährt - damals hatte man das Problem dass Immobilienbesitzer Theatergebäude an wesentlich finanzschwächere Theatercompanien verpachtet hatten; die Companien wären nach damaligem Geschäftsmodell in der Regel zur Haftung nicht in der Lage gewesen. Also hat man die Haftung damals ohne jede Möglichkeit der Haftungsabtretung da verankert, wo auch die Möglichkeit zur Haftung bestand - nämlich beim Besitzer der Immobilie."

 

Dabei gehe ich nicht davon aus, dass die DB noch etwas mit dem Festivalgelände zu tun hat.

Und unter "Besitzer" versteht er hier wohl auch Eigentümer.

Obendrein lässt er auch noch außer Acht, dass es für den Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe einen zweiten Betreiber gibt.

 

Sicher hat die Stadt Duisburg diese Zweiteilung auf Seiten der Betreiber genutzt, um den Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe zu einem irgendwie anders gearteten Gebiet zu erklären, es nicht mit in die Genehmigung des Bauamtes einzubeziehen etc.

Das zeigt doch aber, wie wichtig es ist, Veranstaltungsfachleute in die Aufklärung mit einzubeziehen.

 

Die Betreiber sind u.a. mitverantwortlich für

- die Geländeplanung mit Verengungen bzw. mangelhafter Fußgängerführung,

- den Zustand des Geländes (z.B. Gullideckel),

- das Sicherheitskonzept mit seinen Mängeln,

- die fehlenden Flucht- und Rettungswege im Bereich Einlassschleuse bis Rampe,

- die Nichteinhaltung der Auflagen des Bauamts (zusätzlich verengte Rampe),

- die mangelnde Kommunikation zwischen Ordnerdiensten, Polizei und Rettungsdiensten,

- fehlende Lautsprecher 

- und auch den nicht rechtzeitigen Abbruch der Veranstaltung .

 

Und noch etwas: Das Veranstaltungsrecht sieht nicht eine Verwässerung der Verantwortung dadurch vor, sondern eine doppelte Verantwortung.

Unter anderem durch die Betreiberhaftung für den Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe kommt die Stadt Duisburg nicht aus ihrer Verantwortung für das oben Aufgezählte heraus.

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Die Leserin schrieb:

Aurelis als Betreiber der Versammlungsstätte.

Ob nun der Eigentümer bzw Besitzet eines Grundstückes automatisch zum Betreiber einer Versammlungsstätte wird mögen die Sachverständigen klären.

Hier nur noch mal die Fakten.:
Die Aurelis war schon lange Besitzer des alten Güterbahnhofes, da sie solche Altbestände für die Deutsche Bahn verwertet.
Zwischen Lopavent und Aurelis gab es eine -bisher nicht öffentlichen- Herstellungs- und Überlassungsvertrag. für die Dauer der Loveparade.
Das Gelände selbst war zum Zeitpunkt der Loveparade bereits an die Krieger Gruppe (Möberl Höffner) verkauft. Der Eigentumsübergang war jedoch noch nicht erfolgt.

Eine Beantragung von Nutzungsänderung durch die Aurelis ist meines Wissens weder erfolgt noch vom Bauamt der Stadt Duisburg verlangt worden.
Mag sein, dass man so zum Betreiber einer Versammlungsstätte werden kann.
Im Interesse der Opfer, die einen weiteren potenten haftenden Mitspieler hätten, würde ich mich freuen.
Überzeugt wie sie bin ich allerdings nicht.

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@ Leserin #259: Verstöße gegen die Versammlungsstättenverordnung bzw. Sonderbauverordnung sind ein anderes Paar Schuhe. Dass es diese gab, steht wohl außer Frage.

In dem Schema geht es aber um fahrlässige Tötung nach StGB - die Frage ist ja, ob der Verstoß gegen die o.g. Verordnungen automatisch zu den Todesopfern geführt hat (wohl eher nicht), ob die Veranstaltung trotz dieser Verstöße hätte gutgehen können (möglicherweise) und ob es neben den o.g. Verstößen noch anderes Fehlverhalten gab (Sorgfaltspflichtverletzungen), die ursächlich für die Todesfälle waren (ziemlich sicher). Und dann noch, ob sich diese Sorgfaltspflichtverletzungen noch in ihrem Einfluss auf die Todesfälle so auf eine Person oder Organisation (mit einem Verantwortlichen) konzentrieren, dass sie auch ohne andere Sorgfaltspflichtverletzungen oder gar o.g. Verstöße (die aber keine Generalschuld bzw. Amnestie für alle nachgelagerten Fehler darstellen!) zu den Todesfällen geführt hätte. Nur dann kann man jemanden auch verurteilen - wenn sich die Sorgfaltspflichtverletzungen so verteilen, dass nichts für sich gesehen ursächlich war, sondern nur das zusammenwirken aller Faktoren, dann wird es wohl keine Schuldsprüche geben - so bitter das für die Opfer und ihre Angehörigen auch ist (und ein Grund mehr, Entschädigungen rasch zu regeln ohne vorherige Strafprozesse).

Daher würde ich Ihre Frage "Besteht im Falle der Loveparade die Gefahr, dass die juristische Verantwortung aufgrund verschiedener Verantwortlicher verdünnt wird wie eine verwässerte Suppe?" ebenfalls bejahen, aber ich sehe auch die Möglichkeit, dass die Einsatzleitung der Zugangssteuerung haftbar gemacht wird bzw. diejenigen, die den Anweisungen oder dem Veranstaltungskonzept eigenmächtig zuwidergehandelt haben.

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Mein Name schrieb:

In dem Schema geht es aber um fahrlässige Tötung nach StGB - die Frage ist ja, ob der Verstoß gegen die o.g. Verordnungen automatisch zu den Todesopfern geführt hat (wohl eher nicht)

 

 

Die Tatsache, dass es im Bereich Einlassschleusen bis Rampe keine Fluchtwege gab, hat ursächlich zu den Todesfällen beigetragen.

Die Leute suchten sich selbst Fluchtwege (Treppe, Masten, Container) bzw. erkämpften sie sich durch Überklettern und Umwerfen von Zäunen etc.

Da diese Fluchtwege die einzigen waren, strebten viele Menschen in die entsprechende Richtung. Das galt vor allem für die Treppe, die als Fluchtweg besonders geeignet erscheinen musste.

Hierdurch kam es zu örtlicher Verdichtung von Menschenmengen, die solchermaßen waren, dass durch die dadurch entstehenden Drücke Ohnmacht bzw. Kreislaufversagen und Panikgefühle ausgelöst wurden.

Schließlich überstiegen sogar Personen andere Menschen, um zur Treppe zu gelangen.

Alleine diese Missachtung der Versammlungsstättenverordnung hatte also Todesfälle zur Folge.

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Bei Beachtung der Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung wäre die Veranstaltung Loveparade nicht genehmigungsfähig gewesen.

Man hat sie dennoch genehmigt, damit gegen geltendes Recht verstoßen und durch dieses widerrechtliche Verhalten Todesfälle verursacht.

 

Die Planung der Wegesführung (zwei Tunnel, welche auf eine schmalere Rampe führen, an deren Kopf man durch die Geländebegebenheit und die Floatstrecke zwischen Gebäude und Böschungen eine Situation schuf, die zwangsläufig zu Menschenstaus führen musste) hatte zur direkten Folge, dass es zu starken Personendichten am Fuß der Rampe kam.

Zu gefährlichen Verdichtungen wäre es übrigens auch ohne die zusätzlichen Verengungen und Hindernisse auf der Rampe gekommen, schlicht aufgrund der Breitenmeter in der Wegesplanung.

Eine solche Verdichtung ohne Notausgänge zu schaffen, stellt eine hochgradige Gefährdung von Menschen dar. Die Wahrscheinlichkeit von Verletzten und Todesfällen ist hierbei sehr hoch.

Sie ist so hoch, dass es zynisch wäre, zu konstatieren, dass dies nicht als Ursache für die Todesfälle anzusehen ist, sondern ebenso auch alles hätte gutgehen können.

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Die Leserin schrieb:

Bei Beachtung der Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung wäre die Veranstaltung Loveparade nicht genehmigungsfähig gewesen.

Man hat sie dennoch genehmigt, damit gegen geltendes Recht verstoßen und durch dieses widerrechtliche Verhalten Todesfälle verursacht.

erster Satz stimmt, fett Hervorgehobenes stimmt aus juristischer Sicht  deswegen aber nicht automatisch (siehe auch die Diskussion um eine frei zugängliche Waffe mit Munition: ist der, der eine solche herumliegen lässt, direkt dafür verantwortlich, dass sie jemand stiehlt und damit Menschen umnringt? Verstoß gegen das Wafengesetz mit Geldstrafe ja, fahrlässige Tötung mit Freiheitsstrafe umstritten)

Die Leserin schrieb:

Die Planung der Wegesführung (zwei Tunnel, welche auf eine schmalere Rampe führen, an deren Kopf man durch die Geländebegebenheit und die Floatstrecke zwischen Gebäude und Böschungen eine Situation schuf, die zwangsläufig zu Menschenstaus führen musste) hatte zur direkten Folge, dass es zu starken Personendichten am Fuß der Rampe kam. Zu gefährlichen Verdichtungen wäre es übrigens auch ohne die zusätzlichen Verengungen und Hindernisse auf der Rampe gekommen, schlicht aufgrund der Breitenmeter in der Wegesplanung.

dies hätte bei entsprechender Zugangssteuerung durch die Tunnel vermieden werden können, so wie im Veranstaltungskoknzept durch die für die Eingangsbereiche zuständige Security-Abschnittsleitung vorgesehen.

Die Leserin schrieb:

Eine solche Verdichtung ohne Notausgänge zu schaffen, stellt eine hochgradige Gefährdung von Menschen dar. Die Wahrscheinlichkeit von Verletzten und Todesfällen ist hierbei sehr hoch.

Sie ist so hoch, dass es zynisch wäre, zu konstatieren, dass dies nicht als Ursache für die Todesfälle anzusehen ist, sondern ebenso auch alles hätte gutgehen können.

diese Verdichtung wurde aber nicht durch das Konzept selbst oder die Zugangsverengung geschaffen, sondern durch Sperre oben (durch Zurückhalten derer, die gehen wollten) und zu großen Besucherstrom durch den/die Tunnel - das Zulassen von Mastbesteigung (entgegen dem Ordnerauftrag laut Veranstaltungskonzept!) und Treppenbenutzung hat dann die Menge dort konzentriert. Wäre aber der Zugang über die Rampe frei gewesen, wären diese alternativen "Zugangswege" nicht attraktiv erschienen und es hätte die tödliche lokale Verdichtung nicht gegeben.

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Mein Name schrieb:

Die Leserin schrieb:

Bei Beachtung der Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung wäre die Veranstaltung Loveparade nicht genehmigungsfähig gewesen.

Man hat sie dennoch genehmigt, damit gegen geltendes Recht verstoßen und durch dieses widerrechtliche Verhalten Todesfälle verursacht.

erster Satz stimmt, fett Hervorgehobenes stimmt aus juristischer Sicht  deswegen aber nicht automatisch (siehe auch die Diskussion um eine frei zugängliche Waffe mit Munition: ist der, der eine solche herumliegen lässt, direkt dafür verantwortlich, dass sie jemand stiehlt und damit Menschen umnringt? Verstoß gegen das Wafengesetz mit Geldstrafe ja, fahrlässige Tötung mit Freiheitsstrafe umstritten)

 

Das sehe ich anders.

Eine Genehmigung ist etwas anderes als eine Waffe, die jemand nicht weggeschlossen hat.

Eine Genehmigung ist die Aushändigung der Waffe mit der ausdrücklichen Erlaubnis zur Benutzung.

 

Mein Name schrieb:

dies hätte bei entsprechender Zugangssteuerung durch die Tunnel vermieden werden können, so wie im Veranstaltungskoknzept durch die für die Eingangsbereiche zuständige Security-Abschnittsleitung vorgesehen.

 

Diese Planung war unrealistisch.

 

Mein Name schrieb:

diese Verdichtung wurde aber nicht durch das Konzept selbst oder die Zugangsverengung geschaffen, sondern durch Sperre oben (durch Zurückhalten derer, die gehen wollten) und zu großen Besucherstrom durch den/die Tunnel - das Zulassen von Mastbesteigung (entgegen dem Ordnerauftrag laut Veranstaltungskonzept!) und Treppenbenutzung hat dann die Menge dort konzentriert. Wäre aber der Zugang über die Rampe frei gewesen, wären diese alternativen "Zugangswege" nicht attraktiv erschienen und es hätte die tödliche lokale Verdichtung nicht gegeben.

 

Da kann ich mich nur wiederholen: Dadurch, dass man Personenströme durch zwei breitere Tunnel um eine Ecke auf eine schmalere Rampe führte und es in diesem Bereich keine Notausgänge gab, hat man von vornherein eine enorme Gefährdung der Besucher herbeigeführt.

Es hätte eine Menge Hättes geben müssen, damit nichts geschehen wäre.

Auf derlei Großveranstaltungen geschieht jedoch stets so einiges.

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Ferner sind laut Versammlungsstättenverordnung maximal 2 Personen pro Quaratmeter zulässig.

Bei der Planung von Versammlungsräumen ist demnach zu berücksichtigen, wie viele Personen sich voraussichtlich wann wo genau aufhalten werden.

Das Schaffen von voraussehbaren Stausituationen, die eine deutlich stärkere Verdichtung von Personen zur Folge hat - und das auch noch ohne Notausgänge und über Stunden hinweg (!!) - ist unzulässig und hierbei ebenfalls mitursächlich für die Todesfälle.

Auch die Entfluchtungsanalyse, die DAS maßgebliche Dokument war, auf deren Basis die Loveparade genehmigt wurde, zeigt solche Menschenverdichtungen über den Verlauf von Stunden hinweg glasklar auf, und zwar auch an Stellen (Rampe, Tunnelausgänge, Tunnel), an denen es keine Notausgänge gab.

 

Hier wurden sehenden Auges Planungen vorgenommen, welche in hohem Grade Menschen gefährdeten, gegen Veranstaltungsrecht verstießen und letztlich entscheidend zu den Todesfällen führten.

 

Das können Sie auch sehr schön nachvollziehen, wenn Sie sich andere Fallbeispiele ausdenken:

 

Was wäre geschehen, wenn die Polizei die Rampe gesperrt hätte, es aber gleichzeitig reguläre Notausgänge in vorgeschriebener Anzahl bzw. Breite im Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe gegeben hätte?

Dann wäre es - vorausgesetzt, man hätte diese geöffnet oder die Raver hätten sich eine Öffnung ebenso erkämpft - wohl nicht oder mit erheblich geringerer Wahrscheinlichkeit zu Todesfällen gekommen.

 

Was wäre geschehen, wenn man - der Versammlungsstättenverordnung entsprechend - in allen Planungen das gesamte Gelände von den Einlassschleusen an zur Versammlungsstätte gezählt und damit der Genehmigung durch das Bauamt unterworfen hätte?

Man hätte die Veranstaltung nicht genehmigt oder aber wesentliche Änderungen an der Planung vornehmen müssen (wobei ich daran zweifle, dass man die Loveparade auf diesem Gelände dem Veranstaltungsrecht entsprechend hätte irgendwie planen können).

 

Und so weiter. Spielen Sie ruhig weitere Szenarien durch, in denen die Vorschriften der Versammlungsstättenverordnung eingehalten worden wären.

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Damit möchte ich nicht sagen, dass die Polizei durch ihre Sperren nicht zu den Todesfällen beitrug. Da nun einmal keine Notausgänge vorhanden waren, sorgten die Sperren für eine vollständige und unverantwortliche Einkesselung der Menschen, ohne Chance, sich zu retten. Und sie wurden über einen Zeitraum aufrecht erhalten, der nicht nachvollziehbar ist.

 

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http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1232985/

Und das Einzige, der einzige Weg, der ihnen dann noch bleibt, ist eben, die Leute mit klaren Informationen und Anweisung zu versehen, um solche Stockungen schnellstmöglich wieder aufzulösen, wenn sie denn mal vorkommen.

http://www.dradio.de/aodflash/player.php?station=1&broadcast=196841&datu...

m.M.

vorhersehbar . und  schlecht organisiert.

fast keine "vernünftigen" Orientierungsmöglichkeiten für Ortsfremde.

Polizisten , Sanitäter und Ordner eingeschloßen.

PS:

in München haben sie dazugelernt.

es gibt jetzt  Hinweisschilder in Engstellen, die durch Baustellen-gitter entstehen .

"Bitte hier nicht stehen bleiben"

gibt es auch für Baustellengitter einen sogenannten Reibungskoeffizenten

der in die Berechnungen (nicht) einbezogen wurde.?

Stichwort Fleischwolf.

mffffgggg

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Mein Name

Frage: misslang ein erneutes Sperren, nachdem Rettungswagen durchgelassen worden waren?

Antwort: Ja, diese blieben offen. Zudem hatten die Polizisten die Ordner anscheinen kollektiv um 16.30-16.45 in Pause geschickt. Die Sperren wurden lt. Zeugen nicht mehr geschlossen, was wohl auch nicht mehr ging.

Aussage: bei gleichzeitiger Sperre zum Gelände, beides soweit ich weiß durch die Polizei veranlasst/durchgeführt

Ergänzung: wobei dies auch Wolfgang Rabe veranlasst haben könnte

Kreislaufzusammenbrueche im Tunnel fanden auch wegen Sauerstoffmangel statt, d.h. dass das Volumen-Menge-Verhältnis im Vorfeld keinerlei Bedeutung hatte, was ich ebenfalls grob fahrlässig finde.

ELAs wurden anderer Info nach aus Kostengruenden weg gelassen, was ja dann gröbst fahrlässig wäre.

Polizeiwagen: Wer sagt uns, dass es nicht zivilpolizisten waren, die von diesem abgeholt wurden? Was fest steht: die beiden warren völlig unverletzt!

 

 

Die Leserin

Aussage: Was wäre geschehen, wenn man - der Versammlungsstättenverordnung entsprechend - in allen Planungen das gesamte Gelände von den Einlassschleusen an zur Versammlungsstätte gezählt und damit der Genehmigung durch das Bauamt unterworfen hätte?

Ergänzung: Auch hier vermute ich den Juristenfuchs Wolfgang Rabe im Hintergrund. (Was kann man wie deichseln, um da und da ran zu kommen?)

Was beinhaltet die Betreieberverpflichtung, wissen Sie das?

 

Lothar Evers

Aussage: Die Behauptung für das öffentliche Strassenland sei eine Genehmigung durch die Bezirksverwaltung ausreichend, eine des Bauamtes nach Sonderbauverordnung verzichtbar gewesen, ist von der Stadt Duisburg und den sie unterstützenden Anwälten der Kanzlei Heuking in die Welt gesetzt und durch nichts belegt worden.

Frage: Wer käme evtl. in Betracht? Die Stadt DU, nehme ich an (?)

 

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Eines stimmt zuversichtlich: laut Abschlussbericht/Sachverhalt der Stadt Duisburg (zu finden hier: http://www.duisburg.de/ratsinformationssystem/bi/vo0050.php?__kvonr=20056110&voselect=20049862) verfügt die Feuerwehr der Stadt Duisburg über Tonbandaufnahmen der am Veranstaltungstag durchgeführten 19 Telefonkonferenzen der Einsatzleitungen (S.80).

War eine Genehmigung der Veranstaltung mit Ausnahmen von der SBauVO zulässig (Anlage 57)? - Antwort: nein, die VO sieht keine Ausnahmen vor (wie der Meister für VA-Technik bereits ausgeführt hat). Allerdings ist nicht beweisbar, dass ein Befolgen des Sicherheits- (Anlage 22) und Veranstaltungskonzepts (Anlage 23, S. 15f.: "Im mittleren Tunnelbereich (auf Höhe der Haupteingangsrampe) befindet sich die Security-Abschnittsleitung, die für die Eingangsbereiche zuständig ist. Von hier aus wird ständig die Eingangssituation überwacht und kontrolliert. Sollten sich Rückstauungen vom Veranstaltungsgelände bis zum Tunnel abzeichnen, wird hier umgehend die temporäre Sperrung der Einlass-Schleusen veranlasst.") zu den Todesfällen geführt hätte, die widerrechtliche Genehmigung also die maßgebliche Ursache war. Das gilt auch für den Verzicht auf Lautsprecheranlagen, die von Prof. Schreckenberg gefordert worden waren.

Üble Schlamperei insgesamt und sicher ist die Einschätzung der eingekauften Juristen falsch bis glatt gelogen (Abschlussbericht/Rechtslage S. 20ff.: "die Stadt Duisburg [hat ihre] ... Amtspflichten ... bei der Planung und Durchführung der Veranstaltung erfüllt. Sie hat rechtmäßig gehandelt. ... Im Fall der Loveparade lagen die Genehmigungsvoraussetzungen vor. ... Sämtliche Vorschriften der Sonderbauverordnung ... sind durch die Antragstellerin im Genehmigungsverfahren erfüllt worden."). Besonders bemerkenswert ist hier das juristische Doublethink: einmal darf von der SBauVO angeblich abgewichen werden, weil Gutachter durch Entfluchtungsanalysen berechnet haben, dass nur ein Drittel  der Rettungswege ausreichen (wobei das Thema Entfernung zu den Rettungswegen gar nicht erörtert wird!), ein andermal darf nicht abgewichen werden, weil für Lautsprecheranlagen "der klare Wortlaut der Vorschrift" gelten soll.

Ebenfalls wird nicht auf diesen Widerspruch eingegangen:

- am 21.7. erteilte das Bezirksamt Mitte die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis für die Karl-Lehr-Straße (Anlage 56) "im Rahmen des mit der Stadt Duisburg erarbeiteten Sicherheitskonzepts". Dieses bezieht sich wiederum auf alle anderen Pläne zur Loveparade, und diese sehen gleichzeitige Besucherströme zum Gelände hin und von ihm weg vor.

- ebenfalls am 21.7. erteile die Untere Bauaufsicht die Genehmigung für die Veranstaltung selbst (Anlage 56) unter der Auflage, dass "das Brandschutzkonzept ... in Verbindung mit der Entfluchtungsanalyse der Fa. TraffGo ... Bestandteil dieser Genehmigung [sind]." In diesem heißt es aber: "Durch die getrennten Zu- und Abwege kommen keine sich kreuzenden Personenströme vor" (!!!)

Diese Organisationsversagen in Form von widersprüchlichen Genehmigungen ist eindeutig der Stadt anzulasten.

Dennoch - Hauptursache für die Menschenmassen am Fuß der Rampe waren die Entscheidungen, die auch im Abschlussbericht/Sachverhalt bereits geschildert werden (s. auch Anlage 65): Sperrung der Hauptrampe ohne Öffnung der Nebenrampe bei gleichzeitigem Durchlass vieler Besucher in den Tunnel und zur Rampe - entgegen dem Sicherheitskonzept (das trotz der Genehmigungsproblematik als Grundlage für die Entscheidungen vor Ort als gültig betrachtet werden muss). Ob dies alleine auf dem "Mist" der Polizei gewachsen ist, zeigen hoffentlich die Konferenzmitschnitte - bemerkenswert jedenfalls, dass es neben einer allgemeinen auch eine Konferenzschaltung ohne Veranstalter gab...

 

 

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Hallo Herr Evers,

vielen Dank für die detaillierte Darstellung der Eigentumsverhältnisse. Der Blick in die entsprechenden Verträge ist dann wohl leider nur den Ermittlern vorbehalten.

Bleibt außerdem noch interessant, ob die Stadt Duisburg für den Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe als Betreiber angesehen werden kann.

 

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Hallo Mein Name,

zu der ersten Telefonkonferenz kam es meinen Informationen nach erst kurz vor den Todesfällen, so dass es zu spät war, noch etwas dagegen zu unternehmen. Man konferierte demnach also erstmalig, nachdem die Polizeisperren bereits aufgelöst bzw. zusammengebrochen waren.

In direkter Folge der Todesfälle tagte die Telefonkonferenz dann allerdings in kurzen Zeitabständen, um Beschlüsse zur entstandenen Krise zu treffen.

Insofern können diese Konferenzen wahrscheinlich nicht zeigen, auf wessen Mist die Sperrungen gewachsen sind.

Den vorliegenden Infos nach war dies ein Alleingang der Polizei, gegen den die Feuerwehr (eigener Bekundung nach) starke Bedenken hatte.

Oder haben Sie die Hoffnung, dass derjenige, der sie anordnete, darin namentlich genannt wurde?

Ich habe leider den Eindruck, dass die Verantwortlichen der Stadt Duisburg womöglich zunächst überhaupt nicht über das Vorhandensein dieser Sperren informiert waren, auch nach der Veranstaltung nicht.

Nach der Veranstaltung wurden diese Sperren übrigens zunächst einmal geleugnet, so dass Presse und Interessierte im Internet anfänglich wild darüber spekulierten, warum denn da über die Rampe bloß so gar kein Personenfluss mehr möglich war oder was sich dort sonst ereignet haben mochte.

 

Eigentlich hatte sich das Ordnungsamt vorbehalten, die Entscheidung über eine Sperrung des Festivalgeländes ggf. zu treffen, und zwar im Rahmen einer solchen Telefonkonferenz. Das Ordnungsamt erhielt jedoch seinem Einsatztagebuch nach (Anlage 6 des Abschlussberichts) vor und während der Sperrungen keinerlei Info darüber, was da in den Tunneln sowie vor und auf der Rampe geschah.

 

Die Stadt Duisburg sagt nun, es sei Sache des Veranstalters gewesen, diese Konferenz einzuberufen, was so jedoch nicht aus den dazu im Vorfeld der Veranstaltung getroffenen und protokollierten Beschlüssen hervorgeht (und auch eigentlich nicht sein kann, da es auch eine Konferenzleitung gab, zu welcher der Veranstalter keinen Zugang hatte, sondern nur die übrigen Beteiligten).

Der Crowd-Manager erklärte dem Spiegel, er habe nichts von Telefonkonferenzen gewusst. Entweder er lügt oder der Veranstalter hat es versäumt, ihn darüber zu informieren.

Spiegel-Artikel hierüber:

http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,715702,00.html

Fazit: Am Veranstaltungstag herrschte offenbar über die Telefonkonferenzen mangelnde Information und Unklarheit unter allen Beteiligten.

 

Im Ergebnisprotokoll der Polizei des Szenarienworkshops vom 20.07.2010 (Anlage 29 des Abschlussberichts) wurde dazu festgelegt: "Jeder der aufgeführten Behörden/Organisationen hat das Recht und die Möglichkeit, eine Telefonkonferenz zu initiieren." Zu diesen Aufgeführten gehören Landes- und Bundespolizei, Feuerwehr, Ordnungsbehörde und Veranstalter.

Weiter heißt es: "Die Entscheidung über eine (drohende) Überfüllung des Veranstaltungsgeländes und den damit verbundenen Maßnahmen (kein Einlass mehr auf das Gelände) wird in einer Telefonkonferenz besprochen. Die endgültige Entscheidung trifft die Ordnungsbehörde; die übrigen Teilnehmer der Telefonkonferenz nehmen eine Beratungsfunktion war."

Und im nächsten Absatz: "Bei einer Überfüllung der Wegführungen und einem damit verbundenen Druck auf die Einlassstellen entscheidet die Polizei eigenständig über die Einrichtung von Vorsperren und das Öffnen von Stichstraßen. Der Informationsfluss wird über Verbindungsbeamte gewährleistet."

Fazit: Die Unklarheit darüber, wo das Veranstaltungsgelände begann bzw. die Zuwegungen aufhörten, führte wahrscheinlich auch am Veranstaltungstag zu Verwirrung und womöglich zu diesem Alleingang der Polizei hinsichtlich der Sperrungen.

Allerdings ist in dem Protokoll von "Druck auf die Einlassstellen" die Rede, womit eindeutig die Einlassschleusen gemeint sein müssen. Auch Stichstraßen gibt es zwischen Schleusen und Rampe keine.

 

RP-Online sieht die in diesem Artikel geschilderte Planungspanne als Ursache für die unklaren Zuständigkeiten hinsichtlich einer evtl. Schließung des Festivalgeländes:

http://www.rp-online.de/niederrheinnord/duisburg/loveparade/Loveparade-Protokoll-belegt-Planungspanne_aid_890674.html

Aufgrund von welchem Chaos es nun ganz genau zu Unklarheiten kam -  konstatieren lässt sich auf jeden Fall folgendes: Trotz diverser Sitzungen im Vorfeld und eifrigem Schreiben und Verteilen von Protokollen gelang es offenbar keiner der beteiligten Seiten (Stadt Duisburg, Polizei, Veranstalter), ihre für die Sicherheit am Veranstaltungstag Zuständigen bzw. Beauftragten über die Vorgehensweise bezüglich der Telefonkonferenzen korrekt oder überhaupt zu unterrichten.

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Bezüglich der Genehmigung des Bauamts (nach Versammlungsstättenverordnung) wird mir hier noch viel zu sehr auf das Festivalgelände ab Rampe aufwärts gesehen, wo sich die Todesfälle ja gar nicht ereigneten.

 

Der springende Punkt ist doch, dass der Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe

GAR KEINE GENEHMIGUNG ALS VERSAMMLUNGSSTÄTTE HATTE.

Gar keine. Auch keine mit Einschränkungen oder Abänderungen.

Mit anderen Worten: In diesem Bereich der Versammlungsstätte hat die Veranstaltung ohne jede von der o.g. Verordnung vorgeschriebene Genehmigung stattgefunden !

Man hat stattdessen eine hierfür irrelevante Straßensondernutzungs-Genehmigung von Seiten einer Behörde erteilt, die für Versammlungsstätten gar nicht zuständig ist.

 

Dieses vollständige Versäumen - nicht nur der Erteilung der Genehmigung - sondern - viel schlimmer noch - jeglicher diesbezüglicher Betrachtung von Seiten der zuständigen Aufsichtsbehörde kann angesichts von Todesfällen kein nebensächliches Versäumnis sein.

 

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Die Leserin schrieb:
Der springende Punkt ist doch, dass der Bereich zwischen Einlassschleusen und Rampe

GAR KEINE GENEHMIGUNG ALS VERSAMMLUNGSSTÄTTE HATTE.

Gar keine. Auch keine mit Einschränkungen oder Abänderungen.

Mit anderen Worten: In diesem Bereich der Versammlungsstätte hat die Veranstaltung ohne jede von der o.g. Verordnung vorgeschriebene Genehmigung stattgefunden !

Man hat stattdessen eine hierfür irrelevante Straßensondernutzungs-Genehmigung von Seiten einer Behörde erteilt, die für Versammlungsstätten gar nicht zuständig ist.

Ehrlich gesagt wissen wir das nicht genau. Die Stadt Duisburg zeigt uns nämlich bis heute den Bauantrag nicht. Der ist aber beschieden worden. Schaut man sich die dazu gefertigten Baupäne an, so spricht nichts dafür, dass Lopavent eine Genehmigung erst ab Ende Tunnel / Aufgang Rampe beantragt hat und glaubte für den Rest brauche es keine.
Die Zäune, die Überwachungskameras, die Vereinzelungsanlagen sind in diesen Plan zum Bauantrag eingezeichnet. Warum wenn man diese genehmigung nur für ein erheblich kleineres Gelände haben wollte.

Ich fürchte: der Antrag bezog sich aif alle im Sektorplan mit "V" bezeichneten Areale, und die Stadt Duisburg hat für den Sektor V1 eine Prüfung nach Sonderbauverordnung schlicht unterlassen.

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Quote:
Oder haben Sie die Hoffnung, dass derjenige, der sie anordnete, darin namentlich genannt wurde?
nein, aber es kann festgestellt werden, ob die Auflösung der Sperre im Westtunnel eigenmächtig vor Ort angeordnet wurde (so wie die Sperre auf der Rampe) oder ob es eine Anordnung dazu gab - von wem auch immer.

Zum Thema "Betreiberverantwortung": welche juristischen Folgen hat diese Formulierung in der SBauVO eigentlich? 

Denkmodell:

- Betreiber des LOPA-Geländes ist der (damalige) Eigentümer, die Deutsche-Bahn-Tocher Aurelis GmbH, das Gelände selbst beginnt an der Straßeneinmündung (schließt also die komplette Rampe ein) - siehe http://www.duisburg.de/gis/bplan/data/1546/1129_u.%201009%20C%20_2010-01-26_Geltungsbereich.pdf

- Veranstalter ist die Lopavent

- Betreiber Aurelis überträgt die Verpflichtungen für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften (§ 38 SBauVO NRW) auf den Veranstalter, bleibt aber verantwortlich - was bedeutet, dass er die Ausführung dieser Verpflichtungen überwachen muss. Dies ist offensichtlich nicht geschehen, da sich die "Abdeckung" von schadhaftem Gullideckel und Baumwurzel als untauglich erwiesen und - mehr noch - als eigentliche Ursache für die Todesfälle herausgestellt hat (gestorben sind nach jetzigem Kenntnisstand nur die, die über den dort liegenden Bauzaun gestolpert und hingefallen sind oder von diesen mitgerissen wurden; die andere blieben trotz "Welle" stehen).

- Damit ist der Betreiber Aurelis auf jeden Fall zivilrechtlich haftbar und kann ohne weitere Klärung der strafrechtlichen Schuldfrage belangt werden. (siehe Rn 35 bei BGH, 2 StR 549/89 Ledersprayurteil, z.B: unter http://openjur.de/u/59498.html "Die Strafkammer leitet diese Schadensabwendungspflicht aus der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht, namentlich der Pflicht zur Produktbeobachtung ab, und stützt sich dabei unmittelbar auf die Grundsätze, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung (beginnend mitBGHZ 51, 91 - Hühnerpest - bis hin zu BGHZ 104, 323 - Sprudelflasche) entwickelt worden sind". Diese zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht ist auch in § 38 SBauVO NRW enthalten, die Grundsätze aus dem Urteil gelten dann analog: "In der Tat spricht manches dafür, daß dieselben Pflichten, die für die zivilrechtliche Produkthaftung maßgebend sind, auch die Grundlage strafrechtlicher Verantwortlichkeit bilden, zumal die Verpflichtung zum Ersatz produktfehlerbedingter Schäden als ein Fall deliktischer Haftung (§ 823ff BGB) begriffen wird. Andererseits dürfen die schadensersatzorientierten Haftungsprinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden. Ob und gegebenenfalls inwieweit die zivilrechtlichen Pflichten zur Schadensverhütung mit den die strafrechtliche Haftung begründenden übereinstimmen (vgl. dazu Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989 S. 148ff, 171ff; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.023ff), braucht aber nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls war hier auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch nach strafrechtlichen Grundsätzen eine zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung der Angeklagten gegeben. Diese Garantenstellung folgte aus vorangegangenem, pflichtwidrigen Gefährdungsverhalten (Ingerenz).")

 

- ebenso kann Lopavent belangt werden, weil sie den übertragenen Verpflichtungen zur Verkehrssicherung nicht nachgekommen ist (von einem derartigen Übertrag kann ausgegangen werden, auch wenn die Verträge zwischen Aurelis und Lopavent nicht öffentlich sind)

d.h. sowohl der Geschäftsführer der Aurelis als auch der Geschäftsführer der Lopavent können - wie auch die Verantwortlichen für die Rampensperrung und die Tunnelöffnung wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und evtl. verurteilt werden ...?


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Mein Name schrieb:

(gestorben sind nach jetzigem Kenntnisstand nur die, die über den dort liegenden Bauzaun gestolpert und hingefallen sind oder von diesen mitgerissen wurden; die andere blieben trotz "Welle" stehen).

 

 

Ist das so?

Ich dachte bislang, dass um den Bauzaun herum einige Tote lagen, so dass sich dort die meisten Todesfälle ballten, jedoch auch an anderen Stellen Tote aufgefunden wurden.

Was ist mit denen, die in der Masse ohnmächtig wurden und nach unten rutschten? Haben die alle überlebt?

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Diese gesellschaftliche Aufarbeitung gehört mit zur Gesamtaufklärung. Es genügt nicht, die Schuld an individuellen Verantwortlichen festmachen zu können.

http://studio2010loveparade.wordpress.com/

 

warum reicht kein einziger Polizist einen Gummiknüpel nach unten .?

damit sich jemand daran hochziehen kann.

am Kontainer oder an der Treppe.

schlechte Ausbildung ?

da war die Frage. benutze ich ein Messer zum Brot schneiden oder zu etwas anderem ?

mffffgggg

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@Die Leserin und @Mein Name,

in der Tat ist eine Übertragung der zivilrechtlichen Haftung (und nur diese ist erst einmal durch die SBauV auch für den Betreiber begründet) auf die strafrechtliche Fahrlässigkeitshaftung wesentlich komplizierter. Wie sich nämlich auch an dem von Mein Name zitierten Lederspray-Urteil zeigt, ist keineswegs eine unmittelbare Gleichsetzung zivil- und strafrechtlicher Haftung anzunehmen. Deshalb ja auch das Ausweichen des BGH auf die Begründung einer Garantenstellung aus Ingerenz: Weil die Lederspray-Verantwortlichen zuvor (pflichtwidrig) dieses gesundheitsgefährdende Spray in Umlauf gebracht hatten, hafteten sie strafrechtlich wegen Unterlassen des rechtzeitigen Rückrufs.

So einfach ist indes die Übertragung auf die Betreiberhaftung nach SBauV nicht. Von einem ingerenten Verhalten der Aurelis ist bislang nichts berichtet worden. Und die Vorschrift, die Die Leserin zitiert, begründet eine Haftung des Betreibers auf Schadenersatz, aber nicht auch eine Strafbarkeit des Geschäftsführers der Aurelis. Dass der Geschäftsführer der Aurelis angeklagt wird, halte ich momentan für recht unwahrscheinlich. Bei der Lopavent schätze ich das anders ein, aber auch dort hängt es von den (bislang) internen Vorgängen ab, ob ein strafrechtlicher Vorwurf gegen Scahller erhoben werden kann. Ich habe dies oben versucht etwasz u konkretisieren (#257).

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Mein Name, Die Leserin

Menschen sind auch im stehen durch Ersticken gestorben, wieder andere vor der Trepee, die herunterrutschten und vermutlich tot getrampelt wurden. Es gab aber auch Tote (mindestens einen) am Schluss des Westtunnels in Höhe des Straßenschildes, dort evtl. bedingt durch vorherige Ohnmacht, vermutlich aufgrund von Sauerstoffmangel.

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Der Ort, an dem die Verunglückten reanimiert wurden bzw. ihre Silhouette am Boden aufgezeichnet wurde, nachdem sie abgelegt wurden, muss nicht notwendigerweise mit der Stelle übereinstimmen, an der sie zu Tode kamen oder ihre tödlichen Verletzungen erlitten...

Ich habe bisher nur Augenzeugenberichte gelesen, in denen geschildert wurde, dass "unter mir" Menschen gestorben sind - von "neben mir" ist mir bisher nichts bekannt. 

Aber auch das Zulassen der Besteigung von Mast und Treppe (das laut Sicherheitskonzept von den Ordnern verhindert hätte werden müssen, ebenso von der dort anwesenden Polizei) fällt unter den Verstoß gem. SBauVO zur Sicherheit und Verantwortung des Veranstalters Lopavent und des Betreibers, also Grunstückseigentümers.

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Sehr geehrter Herr Licht,

wenn Sie solche Tatsachen schildern, sollten Sie einen Beleg dafür angeben. Ich höre bzw. lese dies zum ersten Mal. Unabhängig davon ist Ihre Ortsangabe (am Schluss des Westtunnels, Straßenschild) so unpräzise, dass sie wenig nachvollziehbar ist - ein Tunnel hat zwei "Schlüsse", es gibt zudem nicht "den" Westtunnel, sondern mehrere und es gab einen ganzen Haufen von Straßenschildern. 

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Vielleicht kann jemand die folgende Frage beantworten:

Wo ganz genau verläuft die Grenze der Eigentumsverhältnisse und damit auch die Grenze der unterschiedlichen Gehehmigungen, die für die Loveparade erteilt wurden?

Der Fuß der Hauptrampe kann ja dabei nicht bis zwischen die Tunnelausgänge verlaufend definiert sein, denn dort fließt normalerweise der Autoverkehr. Dieser Bereich gehört also zur Karl-Lehr-Straße und damit der Stadt.

Ab welchem Punkt kann also die Grenze der Karl-Lehr-Straße und der Beginn der Rampe konstatiert werden?

 

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Die Leserin schrieb:

Vielleicht kann jemand die folgende Frage beantworten:

Wo ganz genau verläuft die Grenze der Eigentumsverhältnisse und damit auch die Grenze der unterschiedlichen Gehehmigungen, die für die Loveparade erteilt wurden?

Der Fuß der Hauptrampe kann ja dabei nicht bis zwischen die Tunnelausgänge verlaufend definiert sein, denn dort fließt normalerweise der Autoverkehr. Dieser Bereich gehört also zur Karl-Lehr-Straße und damit der Stadt.

Ab welchem Punkt kann also die Grenze der Karl-Lehr-Straße und der Beginn der Rampe konstatiert werden?

Das Privatgelände beginnt jenseits des Bürgersteiges der Karl Lehr Strasse.
Also:
gegenüber dem Container des Crowd Managers mit dem Verlassen des Bürgersteiges und dem Betreten der Rampe. An der kleinen Rampe: entsprechend und auch an den später gestürmten ursprünglich eingezäunten Böschungen: Sobald ich den Bürgersteig der Karl Lehr Strasse verlasse betrete ich Privatgelände...

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ich werde jetzt auch Sicherheitsexperte...

Oberhagemann: ...Gegen 15.15 Uhr gab es eine große Lücke zwischen den Floats, vier bis fünf Festivalwagen kamen im kurzen Abstand oberhalb der Rampe vorbei - das führte zu einem großen Stau. Um 15.30 Uhr sind die Menschen auf der Rampe nach rechts und links ausgebrochen, weil sie nicht mehr länger warten wollten und weil von hinten immer mehr Leute ankamen.

WDR.de: Also wurde die Katastrophe durch die Floatsteuerung verursacht?

Oberhagemann: Ja, die Floats gingen zu nah an der Rampe vorbei.

Dass die Katastrophe zwischen 16.30 und 17.00 stattfand und zu diesem Zeitpunkt oben auf der Rampe genug Platz war, ist diesem "Experten" nach über 3 Monaten immer noch nicht bekannt? Das ist ja oberpeinlich, dass so jemand noch Geld vom Forschungsministerium bekommt ...

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Hallo Dein Name,

Ihnen ist schon klar, dass Herr Oberhagemann hiermit den direkten Kausalzusammenhang "Stau aufgrund der Floats" => "Polizeisperre zur Entlastung der oberen Rampe" => "Einkesselung der Menschen und deren (tödliches) Streben auf die Fluchtpunkte hin" gemeint hat?

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@ Heinz Schenk: so allgemein wie er sich äußert (z.B. über Besucherzahlen) bin ich mir da nicht so sicher, welche Zusammenhänge er überhaupt erkennt.

Es ist dem Veranstalter jedenfalls nicht anzulasten, wenn - abweichend vom beschlossenen Sicherheitskonzept - die Polizei eine Sperre unten auf der Rampe errichtet und darüber hinaus noch dafür sorgt, dass die, die das Gelände verlassen wollen, so lange aufgehalten werden, bis die von oben gestaute Menge ein unüberwindbares Hindernis für die wird, die aufs Gelände wollen. Tatsache ist jedenfalls, dass als erster Effekt der Sperre vor allem Gehwillige am Verlassen gehindert wurden (siehe Bilder z.B. auf http://www.bild.de/BILD/news/2010/07/29/loveparade-duisburg-beweis-fotos/so-lief-drama-wirklich-ab.html). Und dann noch (ebenfalls gegen das Konzept) die Sperren zum Tunnel öffnet und so das Fass zum Überlaufen bringt.

Ob es ohne diese Freigabe zu Toten an den "Vor-Sperren" / Vereinzelungsanlagen gekommen wäre, ist nach den Augenzeugenberichten möglich, aber wohl kaum beweisbar. 

 

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Mein Name schrieb:

dass als erster Effekt der Sperre vor allem Gehwillige am Verlassen gehindert wurden

bis 16:12 wurden Gehwillige von der Polizei nicht daran gehindert die Sperrkette nach unten zu den Tunneln zu passieren.

durch Ankommende die auf das Gelände wollten, wurden das aber immer mehr behindert .

und als einige versuchten sich nach oben durchzudrängeln (was zumindestens einem gelang) hat die Polizei die Kette bis 16:28 total dichtgemacht.

mit den bekannten Folgen.

mffffgggg

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@Heinz Schenk, @Mein Name,

um Ihre Auseinandersetzung in eine strafrechtliche Bahn zu lenken: Selbstverständlich sind die Handlungen verknüpft durch einen Kausalzusammenhang: Wäre "oben" genug Platz gewesen, um an den Floats vorbei zu kommen und hätten sich die Menschen deshalb auf dem Gelände noch gut verteilen können, wäre es - zumindest zu diesem Zeitpunkt - nicht zu einem Stau auf der Rampe gekommen, der dann Anlass war für den polizeilichen Versuch, durch Sperren die Situation zu verbessern. Die Einsatzleitung der Polizei wird wohl argumentieren (neben den Argumenten, wir wurden dazu vom Veranstalter aufgefordert, wollten nur helfen, waren gar nicht zuständig) : Wir haben so gehandelt, um Schlimmeres zu verhüten bzw. es wäre ohnehin etwas passiert, möglicherweise nur an anderer Stelle. Um es vorweg zu nehmen: Diese zuletzt genannte Argumentation beseitigt nach h.M. nicht die obj. Zurechnung eines Erfolgs. Es gibt zwar die in der Wissenschaft verbreitete Position, dass demjenigen, der ein schon bestehendes konkretes Risiko verringert, der konkrete Erfolg nicht zuzurechnen ist. Aber so war es hier nicht. Die Sperre auf der Rampe hat möglicherweise eine bestehende Gefahr woanders - und für andere Rechtsgutträger - entschärft, aber zugleich neue Gefahren geschaffen. Wenn diese sich im Erfolg realisiert haben (und dies liegt hier nicht fern), schließt die Annahme, anderswo seien aber Menschen gerettet worden, die zurechnung des konkreten Erfolgs nicht aus. Evtl. kann dann die Strafbarkeit noch auf der Ebene der Rechtswidrigkeit oder der Schuld entfallen, das sehe ich momentan aber nicht.  

Aber (zum wievielten Male sage ich das?): Es können strafrechtlich mehrere nebeneinander zur Verantwortung gezogen werden! Die evtl. Verantwortlichkeit von Polizeibeamten bedeutet also nicht etwa, dass dann die Stadt und der Veranstalter (wegen Planung und Genehmigung) "draußen" wären. Daher kann es durchaus sein, dass der Veranstalter wegen fehlerhafter zu enger Planung der Floatstrecke/Eingang ebenfalls strafrechtlich haftet - und dazu ist dann die Aussage von Oberhagemann durchaus sinnvoll.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Die fehlerhafte Planung ergibt sich ja schon aus den unterschiedlichen "Durchflussgrößen" für die Tunnel, mit denen in den unterschiedlichen Gutachten und Konzepten gerechnet worden ist (einmal 60.000 unidirektional, dann 100.000, dann 90.000+45.000 ...)

Vor dem Hintergrund von "falsch positiven" Gutachten (also der Rolle von Prof. Schreckenberg) und von Kollektiventscheidungen zur Gefahrenabwehr ist auch die Revisionsentscheidung des BGH zum Eishalleneinsturz in Bad Reichenhall nicht uninteressant

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&nr=50471&pos=0&anz=5

und

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2010&Sort=3&anz=5&pos=0&nr=51033&linked=urt&Blank=1&file=dokument.pdf

Rdnrn 56ff.

- wie lautete der Prüfauftrag an Prof. Schreckenberg genau? Ob das Entfluchtungskonzept insgesamt realistisch ist (also mit Prüfung auch der zugrunde liegenden Daten) oder nur, ob es "richtig gerechnet" ist (also ob die GIGO-Verarbeitung - garbage in, garbage out - in sich fehlerfrei ist)?

ein paar grundsätzliche Worte, die auch auf die Loveparade gut übertragbar sind, stehen ab Rdnr. 61

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Dass man Gehwillige eine Zeit lang noch durch die Polizeisperre auf der Rampe ließ, hatte zur Folge, dass die Leute zwischen den Tunnelausgängen feststeckten, da die Tunnel ja ebenfalls von der Polizei gesperrt waren.

Man ließ die Leute also wissentlich in einen Polizeikessel ohne Ausweg laufen.

Das ist einer der Punkte, aus dem sich m.E. nichts anderes schließen lässt, als dass die Polizeisperren nicht durchdacht waren.

Sie machen letztlich den Eindruck von blindem Aktionismus

- ohne Anbetracht der Folgen für die Personenströme und der Frage, wohin man denn dann die aufgestauten Menschen zu leiten oder wie man die Staus wieder aufzulösen gedachte,

- ohne Rücksprache mit dem Ordnungsamt bzw. Einberufung der vereinbarten Telefonkonferenz

- ohne funktionierende Kommunikation mit den Ordnern bzw. dem Veranstalter und offenbar sogar ohne funktionierende Kommunikation der Polizeikräfte untereinander.

Und dass alles, nachdem man - wie ich weiter oben ausführte -, obwohl längst Handlungsbedarf bestand, erst einmal den großen Schichtwechsel in Ruhe bzw. mit sehr viel Zeitaufwand (erhebliche Verzögerung notwendiger Maßnahmen) vollzogen hatte und dafür die Mannschaftswagen auf der überfüllten Rampe wenden und durch die zusammengeballte Menge fahren ließ.

Das alles kann nicht den Eindruck hinterlassen, als habe man sich allzu viele Gedanken über die Folgen für die wartenden und dann eingekesselten Raver gemacht.

 

Noch einmal zur Beauftragung von Prof. Schreckenberg:

Die Beauftragung erfolgte mündlich.

Es gibt dazu ein Schreiben vom 21. Mai von Ordnungsdezernent Rabe an Schreckenberg (Anlage 11 des Abschlussberichts), in dem zu lesen steht: "...wie wir bereits bei unserem gemeinsamen Termin am 12.5.2010 besprochen haben, bestätige ich hiermit Ihren Prüfauftrag für die bestehenden Planungen der Zu- und Abwege sowie des Veranstaltungsgeländes für die Loveparade 2010 in Duisburg."

Ebenfalls in Anlage 11 befindet sich eine Stellungnahme zum Verkehrskonzept von Schreckenberg. Diese Stellungnahme, die im Grunde genommen alles offen lässt, wäre allerdings für 20.000 € ziemlich überteuert.

Ansonsten äußerte er sich mündlich und in E-Mails.

Das Bauamt hatte ein Testat eines Experten gefordert, nachdem Lopavent nur ein Drittel der Fluchtwege auf dem Festivalgelände ab Rampe aufwärts einplanen wollte. Tja, und diese mündliche Vereinbarung mit der Folge einiger eher unverbindlicher Anmerkungen kam dann - zumindest von Seiten Schreckenbergs - dabei heraus.

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