Der Brief des Tischlers

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 20.09.2010
Rechtsgebiete: Verwirkungnachehelicher UnterhaltFamilienrecht7|3822 Aufrufe

Sie arbeitet in einem Landesministerium (bereinigtes netto 2.151 €), er ist selbständiger Tischler (bereinigtes netto 1135).

In einer Zeit, als es in der langjährigen Ehe schon kriselte, die Eheleute aber noch nicht getrennt lebten, richtete er an die Vorgesetzte seiner Ehefrau im Ministerium ein Schreiben, in dem er um die Versetzung seiner Frau bat, weil diese (was der Wahrheit entsprach) eine außereheliche Beziehung mit einem ihrer Kollegen aufgenommen habe.

Anfang 2007 kam es zur Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung.

Nachdem der (damalige) Partner der Antragstellerin bei dieser übernachtet hatte, durchtrennte der Antragsgegner am 11.4.2008 das Ehebett mit einer Stichsäge, heisst es im Tatbestand des Urteils, wobei im Dunkeln bleibt, warum das OLG diesen Umstand für erwähnenswert hält.

Mit Urteil vom 09.07.09 hat das AG die Ehe geschieden und seinen Antrag auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen.

Seine Berufung hatte teilweise Erfolg. Das OLG Braunscheig verurteilte sie zur Zahlung eines nachehelichen Aufstockungsunterhalts von 435 €, befristet bis Dezember 2012.

Der Unterhaltsanspruch des Mannes sei insbesondere nicht gemäß § 1579 Nr. 5 BGB wegen des Briefes an die Vorgesetzte der Ehefrau verwirkt. Wörtlich heisst es:

Es ist schon zweifelhaft, ob die Vermögensinteressen der Antragstellerin berührt wurden. Denn eine Herabsetzung ihrer Bezüge dürfte aus den in dem genannten Schreiben angeführten Gründen nicht gerechtfertigt sein. Die Antragstellerin ist auch nur, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat erklärt hat, von ihrer Vorgesetzten zu einem Gespräch gebeten worden, irgendeine nachteilige Folge ist nicht eingetreten. Jedenfalls entsprach die Behauptung einer außerehelichen Beziehung der Wahrheit, das Schreiben wurde, wie die Parteien dem Senat gegenüber übereinstimmend angegeben haben, im Frühjahr oder Sommers des Jahres 2006 verfasst und stammt damit aus einer Zeit, in der die Parteien noch nicht getrennt gelebt haben. Es stellt sich damit als Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Antragsgegner dar, der versucht hat, seine Ehe zu retten.

OLG Braunschweig v. 27.07.2010 - 10 UF 132/09

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7 Kommentare

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Soso, da schwärzt der liebende Ehegatte seine Frau beim Arbeitgeber an und das Ganze wird am Ende deklariert als Versuch, die Ehe zu retten? Also ich weiß ja nicht, ob das so im Sinne des Erfinders ist; hätte er doch besser mal mit seiner Frau selbst geredet und sich die Gründe darlegen lassen.

Dass man so eine Trennung forciert anstatt verhindert, sollte bekannt sein, aber gut...

Und als Dank darf sie noch zahlen, was für ein Urteil.

 

 

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@#/Lilly

Woraus kann man folgern er hätte nicht versucht mit seiner Frau zu reden? Oder ist das "Anschwärzen" übliches Mittel in ihrem Kreisen? Hätte er vielleicht noch den beiden ein Abendessen servieren sollen? Dann wären wir aber schnell bei "wer sich nicht wer ist einverstanden", oft genug als Argument gebraucht bei Gewalt gegen Frauen.

Ich verstehe auch nicht was an dem Urteil zum Unterhalt falsch sein soll. Sie war (und ist) diejenige mit einem sicheren und hohen Einkommen, groben Undank/Fahrlässigkeit mag ich nicht erkennen. Oder geht da die Gleichberechtigung zu weit?

 

#k.

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Unabhängig von irgendwelchen Anschuldigungen an sie oder ihn:

 

Warum wurde überhaupt nachehelicher Unterhalt ausgeurteilt?

 

Betreut er kleine Kinder?

Gab es Ehebedingte Nachteile?

Ist er ihretwegen Tischler geworden?

Hat er ihr den Weg ins Ministerium geebnet?

Warum ist Unterhalt solch ein Automatismus?

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Ohne Ehe wäre er jetzt sicher Tycoon in der Möbelindustrie. So hat er aber seine Frau unterstützt und sich schon mal moralisch auf die Vaterrolle vorbereitet. Da sind 435 Euro „Aufstockungsunterhalt" nur recht und billig. Die Befristung ist allerdings ein Frontalangriff auf Art. 6 GG.

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@2: Nicht drüber nachdenken. Lily ist in Wirklichkeit Alice Schwarzer und wenn das ganze Urteil umgekehrt gewesen wäre dann hätte sie damit auch kein Problem gehabt. Aber so ist das ganze ja schon fast ein Skandal, dass SIE zahlen muss.

@alle anderen: Weil das Besoldungsrecht den nachehelichen Unterhalt für den jenigen der weniger verdient nun mal so vorsieht, und hier war es halt mal der Mann und nicht die Frau.

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Muss eine ziemlich große Stichsäge gewesen sein.

@ Herrn Burschel: Ich liebe übrigens ihre Thementitel. John - Grisham - Like: kurz und prägnant :-) Weiter so!

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