Bundesländer können Glücksspiele weiterhin begrenzen.

von Dr. Ludger Giesberts, LL.M., veröffentlicht am 10.09.2010

Im Gegensatz zu ersten Stellungnahmen in den Medien brachten die beiden Urteile des EuGH vom 08.09.2010 (Carmen Media Group, Rs. 46/08; Markus Stoß u.a., verb. Rs. C-316/07, C-358/o7 bis C-360/07, C-409/ 07 und C-410/07) zur Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten keine völlige Freigabe von Glücksspielen in der Bundesrepublik. Vielmehr hat der EuGH seine bereits in der Rechtssache Gambelli (Rs. C-243/01) geäußerte Rechtsansicht bestätigt und weiter konkretisiert.

Bereits in dieser Entscheidung hatte der EuGH verdeutlicht, dass ein staatliches Glücksspielmonopol zur Bekämpfung der Spielsucht zulässig ist, wenn dieses Ziel in systematischer und kohärenter Weise verfolgt wird. In den konkreten Fällen, die dem EuGH von verschiednen deutschen Gerichten vorgelegt worden waren, hat der EuGH verdeutlicht, dass nationale Gerichte zu dem Ergebnis kommen können (nicht müssen), dass ein systematisches und kohärentes Verfolgen der Bekämpfung der Spielsucht nicht gegeben ist, wenn

  • private Veranstalter, die über Erlaubnisse verfügen, bestimmte, nicht dem Monopol unterfallende Glücksspiele betreiben dürfen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die zugelassenen Spiele ein höheres Suchtpotenzial aufweisen als die dem staatlichen Monopol unterfallenden. Das Gericht hat allerdings deutliche Differenzierungen zugelassen, da sich Arten von Glücksspielen deutlich unterscheiden. Auch seien kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten zu beachten;
  • die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um Staatseinnahmen zu generieren;
  • die staatlichen Monopole Werbung für die staatlichen Glücksspiele betreiben, die über das Maß hinausgeht, das erforderlich ist, um Verbraucher zu den genehmigten Glücksspielen zu lenken. Insbesondere könne nicht mit der Verwendung der vereinnahmten Spielerbeiträge für soziale Zwecke geworben werden.

Der EuGH sah die Möglichkeit, dass die deutschen Gerichte zu der Überzeugung gelangen könnten, dass die derzeitigen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages wegen Verstoßes gegen Art. 43, 49 EGV unwirksam seien, weil diese Voraussetzungen gegeben seien. Demnach ist aber das derzeitige Glücksspielmodell des Staatsvertrages grundsätzlich haltbar, wenn die Veranstaltung von Glücksspielen durch lizenzierte Unternehmen beschränkt wird, die bestehenden Spielmöglichkeiten beschränkt anstatt ausgeweitet werden (dies gilt insbesondere für Automatenspiele) und die Werbung für bestehende Spielmöglichkeiten zurückgefahren wird.

Darüber hinaus hat der EuGH festgehalten, dass die Erteilung einer Lizenz zum Veranstalten bestimmter Glücksspiele gesetzlich nicht in die Willkür der Behörden gestellt werden dürfe. Die Voraussetzungen einer Erteilung bzw. Versagung müssten voraussehbar gesetzlich geregelt sein. Die Urteile des EuGH haben den Bemühungen um eine weitere Freigabe von Glückspielen jedoch auch eine deutliche Abfuhr erteilt. Am wichtigsten erscheint hier, dass das Gericht entschieden hat, dass ein Staat die Veranstaltung von Glückspielen im Internet auch dann komplett versagen kann, wenn das Anbieten solcher Spiele auf herkömmliche Art und Weise zulässig ist.

Auch stellte der EuGH klar, dass eine Lizenz aus einem bestimmten Mitgliedsstaat keinesfalls dazu führen müsse, dass dem Inhaber der Lizenz in einem anderen Mitgliedsstaat ebenfalls eine Lizenz erteilt werden müsse. Dies gelte insbesondere für Mitgliedsstaaten, die rechtmäßig ein staatliches Monopol eingeführt hätten. Eine Anerkennung der Lizenz aus einem anderen Mitgliedsstaat ist daher grundsätzlich nicht gegeben.

Der EuGH hielt fest, dass staatliche Glücksspielmonopole grundsätzlich auch dann festgelegt werden dürfen, wenn diese durch transnational zugängliche Spiele im Internet umgangen werden könnten. Die Umgehungsmöglichkeit schließe eine effiziente und kohärente Durchsetzung des Schutzes vor Spielsucht nicht aus. Das Gericht stellte darüber hinaus klar, dass die Mitgliedsstaaten vor Festlegung eines staatlichen Glücksspielmonopols keine Untersuchungen erheben müssen, durch welche sich ergibt, dass ein staatliches Monopolmodell zur Bekämpfung derGgefahren der Spielsucht verhältnismäßig ist. Die Mitgliedsstaaten könnten entsprechende Regelungen auch ohne vorangegangene Untersuchungen erlassen. Die Verhältnismäßigkeit könne auch später belegt werden.

Im Ergebnis hat das Gericht damit an seiner bisherigen Linie festgehalten. Weder die Befürworter staatlicher Monopole noch die Befürworter der Zulassung privater, lizenzierter Glücksspielunternehmen dürften das Urteil als einen Sieg verbuchen können. Abzuwarten bleibt die Regulierung in Deutschland und anderen Ländern. Politisch dürfte sich dies als eine sehr schwierige Aufgabe herausstellen. Eine zeitnahe Regulerung ist aber wegen der Bedeutung der Sache für alle Beteiligten dringend anzuraten.

Rechtsanwälte Dr. Ludger Giesberts, LL.M., und Dr. Thilo Streit, LL.M., Köln

 

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