Kirsten Heisig "Das Ende der Geduld - Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter"

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 26.08.2010

Drei Tage nachdem am 30. Juni die Meldung aufhorchen ließ, die bekannte Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig sei vermisst, fand man ihren Leichnam in einem Waldstück. Die Motive für ihren Freitod sind unbekannt. Kurz zuvor hatte sie das Manuskript ihres Buchs „Das Ende der Geduld“ fertiggestellt, das seit seinem Erscheinen Ende Juli die vom SPIEGEL wöchentlich abgedruckte Sachbuchbestsellerliste anführt.

Für mich, der seit etlichen Jahren keine praktischen richterlichen Erfahrungen mit Jugendgewalt sammeln konnte, sondern darüber durch die spektakulären Fälle aus den Medien, aber auch durch Gespräche mit Jugendrichtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern erfährt, war es aufrüttelnde Lektüre, der ich auch künftighin einen breiten Leserkreis wünsche. Mit ihrer Streitschrift hat sich eine mutige Kollegin ihrer Empörung darüber Luft gemacht, dass  wir den Kampf gegen die Jugendgewalt verlieren, wenn wir nicht rasch und konsequent unsere Rechts- und Werteordnung durchsetzen; denn unsere Gesellschaft stehe am Scheideweg in „reich“ und „arm“, in „links“ und „rechts“, in „muslimisch“ und „ nicht muslimisch“ (S. 203). Etlichen türkischstämmigen und „arabischen“ Jugendlichen sei unsere Werteordnung gleichgültig; „westlichen“ Frauen gegenüber bestehe eine besondere Mißachtung (S.  79) – und Heisig erzählt die Geschichte einer grausamen Vergewaltigung nach, die junge arabische Männer an einem Mädchen begehen, über die Güner Balci in ihrem Buch „Arabboy“ berichtete (S. 72 ff).

Frau Heisig, die in  Berlin-Neukölln beruflich überwiegend mit jugendlichen Intensivtätern aus Migrantenfamilien befasst war, belegt anschaulich, wie in ihrem Zuständigkeitsbereich seit Jahren eine Islamisierung stattfindet, die auch zu einem parallelen Rechtssystem führt – und die Jugendgerichtsbarkeit an ihre Grenzen stoßen lässt; die Zusammenarbeit aller zuständigen Behörden sei ohne Beschränkungen durch einen übertriebenen Datenschutz erforderlich.

Zahlreiche erschütternde Fälle von Jugendgewalt in jüngster Vergangenheit haben die Gesellschaft wach gerüttelt. Wer sich für die Ursachen interessiert, wird das Sachbuch mit großem Gewinn lesen. Das ebenso engagiert wie kenntnisreich ausgebreitete Material gilt es nun in rechtspolitische Handlungsanweisungen umzusetzen, wollen wir den Kampf gegen die Jugendgewalt nicht verlieren – mit Empörung allein ist es nicht getan.

 

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3 Kommentare

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Die anhaltende Diskussion in zahlreichen Talkshows wie in der Presse um das Integrationsthema verfolgen viele mit großem Interesse. Einen genügenden Anstoß dazu hätte schon das Buch von Frau Heisig geben müssen, jedoch blieb dies Herrn Sarrazin vorbehalten. Zu seiner These, Deutschland locke Ausländer statt in Arbeit in seine Sozialsysteme und nehme die Integrationsverweigerung mancher islamistischer Immigranten tatenlos hin, empfehle ich bei Frau Heisig die S. 72 ff zu lesen ("Die Intensivtäter - und Jugendliche, die es werden").

Am vergangenen Mittwoch stellte der Berliner Innensenator Thomas Heilmann (CDU) eine Studie vor, die das von Kirsten Heisig entwickelte "Neuköllner Modell" grundsätzlich für gut befindet; allerdings würden die Verfahren immer noch zu lange dauern.

Kirsten Heisig hatte kritisiert, dass ihre Täter es als Schwäche der Justiz und der Behörden ansehen, wenn zwischen ihren Taten und der Strafe viele Monate lagen. Für Delikte, für die höchstens ein vierwöchiger Jugnendarrest in Frage kam, hatte sie ein zügigesVerfahren entwickelt, um eine rasche Aburteilung zu gewährleisten. Das Modell wurde 2008 im Bezirk Neukölln aiprobiert und 2010 auf ganz Berlin erweitert.

 

Manchmal dauert es eben, bis ein Umdenken einsetzt …

In Berlin-Neukölln trägt jetzt ein Platz den Namen der Jugendrichterin Kirsten Heisig. Er verstehe sich als Sachwalter des Erbes dieser engagierten Frau, erklärte Berlins Justizsenator Thomas Heilmann. Seine Vorgängerin hatte noch vor fünf Jahren, als Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky es ins Gespräch brachte, den Platz umzubenennen, davor gewarnt, das „Neuköllner Modell“ zu überschätzen. Jetzt sieht man das endlich anders. Wurde auch mal Zeit! (Quelle: FAZ vom14.3.2015 S. 11).

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