Protokoll über Verkündungstermin gefälscht?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.08.2010
Rechtsgebiete: Familienrecht10|10962 Aufrufe

Der Verkündungstermin, oft bespöttelt, gerät nur selten in das Blickfeld obergerichtlicher Entscheidungen. Gemäß § 165 ZPO kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen seinen diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Genau über einen solchen Fall der behaupteten Fälschung hatte jetzt der BGH zu entscheiden.

VT war auf den 14.12.2007 bestimmt gewesen. Unter diesem Datum ist laut Protokoll "ein Urteil des aus der Anlage ersichtlichen Inhalts" verkündet worden. Das Protokoll ist von dem Abteilungsrichter M., der von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgesehen hat, unterschrieben. In den Akten ist nach dem Protokoll ein aus Rubrum und Tenor bestehendes Anerkenntnis- und Schlussurteil eingeheftet, das von dem Richter unterschrieben ist und den Vermerk "verkündet am 14. Dezember 2007, S. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle" trägt.

Das mit Gründen versehene Urteil ist am 26. Mai 2008 (!) zur Geschäftsstelle gelangt. Es wurde dem Beklagten am 29. Mai 2008 zugestellt.

Später kam es im Hinblick auf die Berufungsbegründungsfrist zum Streit:

§ 520 II ZPO: Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Der Beklagte behauptet: Am 14.12.2007 ist nichts verkündet worden, das Protokoll eine Fälschung. Der OLG Brandenburg verwarf die Berufung, der BGH hob den Beschluss auf die Rechtsbeschwerde auf.

Der BGH stellt  eine auffällige Ähnlichkeit  der Unterschriften von Richter und Urkundsbeamtin S. und einige merkwürdige Antworten des Richters auf telefonische Nachfragen des Anwalts fest.

Abschließend meint der Senat:

Insgesamt ist der Vortrag des Beklagten, das Urteil sei entgegen den Angaben im Verkündungsprotokoll nicht am 14. Dezember 2007 verkündet worden, so hinreichend substantiiert, dass das Berufungsgericht, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht geltend macht, dem Antrag auf Vernehmung der Justizhauptsekretärin S. und des Richters am Amtsgericht M. als Zeugen hätte nachgehen müssen.

Mir schwant Böses…

 

BGH v. 26.05.2010 - XII ZB 205/08

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10 Kommentare

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Welchen Anlass hätte denn ein Richter, ein Verkündungsprotokoll zu "fälschen"?

Falls der gute Mann tatsächlich eine Unterschrift des Geschäftsstellenbeamten gefälscht haben sollte, dürfte sogar eine Urkundenfälschung vorliegen. Wieso sollte ein Richter dieses Risiko eingehen? Spart das auf irgendeine Weise Arbeit? Und wieso dann ein fehlerhaftes Datum? Das Protokoll würde man doch zweckmäßigerweise fälschen und datieren, wenn man auch das Urteil unterzeichnet, oder sehe ich das falsch?

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Leser schrieb:

Welchen Anlass hätte denn ein Richter, ein Verkündungsprotokoll zu "fälschen"?

Man weiss es nicht.

Denkbar: Zwischen der mündlichen Verhandlung und dem VT dürfen normalerweise gemäß § 310 I 2 ZPO maximal 3 Wochen liegen, bei besonderer Schwierigkeit oder Umfang ausnahmsweise ein bisschen mehr.

Zum VT muss das Urteil dann in vollständiger Form vorliegen (§ 310 II ZPO).

Wenn man das nicht schafft, muss man den VT verschieben, was bei einer Beurteilung durch den Präsidenten nicht gut aussieht (die Einhaltung der Fristen des § 310 ZPO ist einer der wenigen Punkte, die der Dienstaufsicht unterliegen und die in eine Beurteilung einfliesen können).

Ah, das gibt wenigstens eine Idee, wozu dieses Manöver gedient haben könnte. Vielen Dank für die Aufklärung (und Nachhilfe im Zivilprozessrecht)!

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Ich halte die Annahme, ein Richter könne ein Protokoll gefälscht haben, für abwegig und die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für nicht überzeugend.

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Sehr geehrter Herr Werner, auch Richter fälschen Protokolle. Sollten Sie besser nicht, wird aber gemacht.

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@meditationsverweigerer

 

Woher nehmen Sie Ihre Erkenntnis "auch" (oha!) Richter fälschten Protokolle? Gibt es für diese Aussage belastbare Beispiele? Mit Ausnahme des kürzlich wegen Rechtsbeugung verurteilten Betreuungsrichters, der Anhörungsprotokolle gefälscht hat, ist mir kein Fall bekannt.

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@Dr. McCoy statistische Erwägungen? Richter oder Beamte oder Anwälte sind (als Personengruppe) weder per se moralischer noch unmoralischer, was den Schluss von meditationsverweigerer durchaus zulässt - auch wenn ich selber eine solche Beobachtung bisher nicht machen musste.

@Dr. McCoy:

Vielleicht suchen Sie mal auf der BGH-Homepage in den Entscheidungen unter Rechtsbeugung nach:

In den letzten 2 Jahren z.B.

- Verurteilung eines Betreuungsrichters, der Anhörungsprotokolle gefälscht hat (und sogar tote "Betreute" angehört hatte...)

- Verurteilung eines Richters, der über die Berufung gegen ein amtsgerichtliches Urteil entschieden hat, obwohl er für eine Partei Schriftsätze ans Amtsgericht mitverfasst hatte.

Einzelfälle, kommen aber vor.

Straftat Urkundenfälschung dürfte selbst bei Verurteilung zu weniger als einem Jahr im Disziplinarwege zu einer Entfernung aus dem Dienst führen.

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