BVerfG zu Messfotos: 100h ok - also: Ende der Diskussionen?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 09.08.2010

Vor ein paar Wochen ist die Entscheidung BVerfG, 2 BvR 759/10, Beschl. vom 5.7.2010 veröffentlicht worden - hier der Link zur HP des BVerfG. Wie sicher mancher Blogleser mitbekommen hat, hat das BVerfG bei "Blitzern" keine verfassungsrechtlichen Probleme bei Anwendung von § 100h StPO als Rechtsgrundlage gesehen. Sicher werden hiermit noch nicht alle Diskussionen um das Thema verstummen.

Mich würde einmal interessieren, ob und ggf. wo Leser noch Klärungsbedarf/Diskussionsbedarf sehen. Oder ist die Entscheidung eine Art "Schlussstrich"?   

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4 Kommentare

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Ich finde es bedauerlich, daß nicht wenigstens die zahllosen wissenschaftlichen Mitarbeiter, die für das BVerfG solche Entscheidungen vorbereiten, einmal in eine schulmäßige Prüfung eingestiegen sind, wie wir es alle an der Uni gelernt haben.

 

Angefangenen mit Entstehungsgeschichte und Wortlaut der Norm des § 100h StPO hätte eigentlich schnell klar werden müssen, daß sie auf "Blitzerfälle" vorne und hinten nicht paßt. Statt einer Begründung liefert das höchste deutsche Gericht ebenfalls nur Verweise auf andere Gerichtsentscheidungen, die auch keine nachvollziehbare Begründung enthalten. Tenor: § 100h StPO ist deshalb die passende Rechtsgrundlage, weil das auch andere so sehen.

 

Die argumentative Krücke, der "Geblitzte" werde bereits vor der Messung und Ablichtung von jenem Beamten, der das Blitzgerät verwalte, für den Fall vorausschauend zum Beschuldigten bzw. Betroffenen gemacht, daß das Gerät eine Geschwindigkeitsüberschreitung feststelle, ist m. E. dogmatischer Unsinn und stellt grundlegende strafprozessuale Regeln auf den Kopf.  In Rechtsprechung und Literatur galt bisher einhellig die Meinung, daß man erst nach Begehung und Aufdeckung einer Tat durch eine individuelle Ermessensentscheidung eines Ermittlungsbeamten zum Beschuldigten/Betroffenen gemacht werden kann. § 100h StPO kann daher schon dem Wortlaut nach erst greifen und eine Maßnahme erlauben, wenn jemand bereits Beschuldigter ist (§ 100h Abs. 2 StPO).  Bei Blitzanlagen erfolgt jedoch erst die Maßnahme (Messung und Fotografieren) und danach die "Verleihung" der Beschuldigteneigenschaft.

 

Geht ja auch praktisch gar nicht anders, da der "Geblitzte" zunächst einmal ermittelt und indiviudalisiert werden muß, was in vielen Fällen aufgrund der schlechten Qualität der Blitzfotos, heruntergeklappter Sonnenblenden, Mützen, Hüten, Sonnenbrillen, usw., gar nicht möglich ist. Wird also zunächst ein Anonymus zum Beschuldigten gemacht? Das wäre eine ganz neue rechtliche Konstruktion, die sicher wegweisend ist. Mit der gleichen Argumentation könnte man erst einmal Hausdurchsuchungen beim Halter und beim Eigentümer des "geblitzten" Fahrzeugs durchführen und herauszufinden, ob es sich bei diesen Personen um den Fahrer handelt. Motto: Sie sind aufgrund des Blitzvorgangs bereits Beschuldigter. Ob Sie der "richtige" Beschuldigte sind, müssen wir allerdings erst herausfinden. Beschuldigter und Betroffener kann immer nur eine bereits individualisierte, namhaft gemachte Person sein und nicht eine abstrakte Person wie "der Fahrer des Wagens" oder "der Räuber auf dem Video".

 

Daß § 100h StPO vom Gesetzgeber für völlig andere Fälle gedacht war, keinesfalls jedoch für Ordnungswidrigkeiten, scheint bislang allen Gerichten entfallen zu sein. Wie war das mit der historischen und grammatischen Auslegung einer Norm? Offenbar nur etwas für Studenten...

 

 

 

 

 

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Ich bin zwar genau so der Meinung, dass 100h StPO für solche Zwecke nie gedacht und auch nicht tauglich ist, man sehe sich nur weiter die Formforschriften 101 ff an.

Anders sehe ich aber die Verdachtsgewinnung und Entstehung der Betroffenen- (Beschuldigten-)eigenschaft. Es ist durchaus ein Entscheidungsakt des Messbeamten, denjenigen zum Betroffenen zu machen, der einen bestimmten Geschwindigkeitsgrenzwert überschreitet. Hierzu bedient sich der Messbeamte eines Messgerätes. Völlig gleich ist das im Ablauf, ob der Fahrer nun angehalten wird wie beim Handlaser, oder später anhand des Messbildes identifiziert wird. Es ist ja gerade der Sinn und Zweck einer Rechtsgrundlage, den unbekannten Betroffenen zu identifizieren. Auch wenn es andere Ansichten gibt, aber hierfür ist m. E. 163b StPO gedacht und geeignet. Denn auch beim sofortigen Anhalten ist der Angehaltene (Betroffene) dem Beamten nicht bekannt. Das liegt doch wohl unbestreitbar in der Natur jeder Rechtsgrundlage zur Personenfeststellung. Wozu soll denn sonst eine Personenfeststellung dienen? Darf der Polizist den Betroffenen, den Räuber etc nicht anhalten, weil er dessen Name noch nicht weiß?

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Mit dem zweiten Nichtannahmebeschluss (2 BvR 1447/10) vom 12. August 2010 - diesmal zur Brückenabstandsmessung - dürfte die Diskussion nun tatsächlich für die Praxis beendet sein, auch wenn das Abstellen auf § 100h StPO aus den hier genannten Gründen nicht überzeugt.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20100812_2bvr144...

"Lichtbilder - weiter Fotos des Messfilms im Gutachten"

Das Verfassungsgericht mag zum Lichtbilder bei Geschwinigkeits-Überschreitungen

geurteilt haben, aber nicht im Gesamten Zusammenhang eines Gerichtsverfahren hieraus: Denn folgender Punkt ist nach meiner Ansicht rechtlich sehr  bedenklich !

Eine Messung wird angegriffen, ein Gutachter wird von Gericht bestellt, der Gutachter

erhält von der Behörde den Messfilm (Personen nicht geschwärzt) und wertet diesen in einem Gutachten aus.

Der beschuldigte gibt dieses Gutachten auch weitere Personen zur Überprüfung.

Im Gutachten finden sich Bilder von Messungen anderer Fahrzeuge  auch mehrfach mit  FFF   mit  Person und Nr.    (zb. FFF nicht verwertbar = Unschuldig)

Die informelle Selbstbestimmung dieser Unschulddigen Personen ist nicht gesichert.

Ein anderen nicht zur Anklage gehördenes Foto 38 wurde  vergrößert ohne Schwärzung der Person sowie Nr.  im  vom Gericht bestellten Gutachten, zur Erklärung einer Schrägfahrt mit  über nommen.  (Tatfoto ist jedoch  Nr. 11)   

Person  und Fahrzeug Nr. ist auf Foto 38 sehrgut zu erkennen.

Der von Amtsgericht Herford ausgesucht Gutachter ist nicht  ein öffentlich bestellt und

vereidigter Gutachter.  (Sachkenntniss  ??)

(Auch nicht für Geschwindigkeits Messung  und inbesondere der strittigen Aufstellung)

(Auswahl des Gutachter kann Erbebniss beinflussen (Gefälligkeits-Gutachten?)?)

 

Mit freundlichen Grüßen

JUW A-J

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