Wenn sich der Familienrechtler in das Arbeitsrecht verirrt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 08.08.2010
Rechtsgebiete: Familienrecht1|2648 Aufrufe

Wenn man längere Zeit im Familienrecht tätig ist, bekommen Trennung, Scheidung und Wiederheirat  mit der Zeit etwas Alltägliches, das nicht der großen Rede wert ist (gelegentlich wundert/freut man sich allerdings noch über  das Bestehen der eigenen Ehe).

Die nachstehende Entscheidung des LAG Düsseldorf (Pressemitteilung) hat mich daher weniger im Ergebnis, sondern mehr in der Begründung überrascht:

Das LArbG Düsseldorf hat festgestellt, dass die Kündigung eines Abteilungsarztes (Chefarzt) eines Krankenhauses in kirchlicher Trägerschaft wegen dessen erneuter Eheschließung im konkreten Einzelfall unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hatte das Arbeitsverhältnis aus diesem Grund am 30.03.2009 zum 30.09.2009 gekündigt. Der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Arbeitsvertrag bedingt die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Der Kläger und seine erste Ehefrau lebten seit dem Jahre 2005 getrennt. Nachdem diese erste Ehe im März 2008 weltlich geschieden worden war, schloss der Kläger im August 2008 standesamtlich seine zweite Ehe. Anfang 2009 leitete er betreffend die erste Ehe ein kirchliches, derzeit noch nicht abgeschlossenes Annulierungsverfahren ein. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben.

Das LArbG Düsseldorf die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Zwar sei das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht der katholischen Kirche durch die staatlichen Arbeitsgerichte zu achten. Die erneute Eheschließung sei danach an sich ein Pflichtverstoß und als Kündigungsgrund geeignet. Zugleich müssten die Gerichte im Kündigungsschutzverfahren grundlegende staatliche Rechtssätze beachten.

Das Gericht sah den Gleichbehandlungsgrundsatz als verletzt an, weil das Krankenhaus mit protestantischen und katholischen Mitarbeitern gleiche Arbeitsverträge abgeschlossen hatte. Bei protestantischen Mitarbeitern griff sie bei einer erneuten Eheschließung aber nicht zum Mittel der Kündigung. Zudem kam das Gericht nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Arbeitgeberin bereits seit 2006 von dem eheähnlichen Verhältnis des Arztes wusste und keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen ergriff. Nach dem Arbeitsvertrag war bereits dies ein Pflichtverstoß. Es sei unverhältnismäßig, wenn das Krankenhaus bei längerer Kenntnis von der eheähnlichen Gemeinschaft im Falle der erneuten Heirat des Arztes sofort zum Mittel der Kündigung greift.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum BAG zugelassen

LAG Düsseldorf v.01.07.2010 - 5 Sa 996/09

Der Chefarzt hat wohl grad noch mal Glück gehabt.

Ein ungeahntes Beratungsfeld im familienrechtlichen Mandat!

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