Beschäftigtendatenschutz: Selbstbestimmt oder fremdbestimmt?

von Dr. Stefan Hanloser, veröffentlicht am 29.07.2010

 

Kann ein Beschäftigter gegenüber seinem Arbeitgeber in den Umgang mit seinen Beschäftigtendaten selbstbestimmt einwilligen oder fehlt im Beschäftigungsverhältnis stets die erforderliche Freiwilligkeit?

Während der Düsseldorfer Kreis noch ohne weiteres von „fehlender Freiwilligkeit einer solchen Erklärung im Arbeitsverhältnis“ ausging, stellte der Reformgesetzgeber wenig später zur BDSG-Novelle II klar: „Auch eine Datenerhebung oder -verwendung auf der Grundlage einer freiwillig erteilten Einwilligung des Beschäftigten (…) wird durch § 32 nicht ausgeschlossen“.

Der Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes“ will mit § 32l BDSG-RefE die Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis—selbst bei nachweisbarer Freiwilligkeit—nun wieder grundsätzlich ausschließen und eine informationelle Selbstbestimmung der Beschäftigten nur noch in sechs Ausnahmefällen zulassen:

#1:   gesundheitliche Untersuchungen, § 32a Abs. 3 Satz 2 BDSG-RefE, § 32c Abs. 3 BDSG-RefE,
#2:   Eignungstests, § 32a Abs. 4 Satz 2 BDSG-RefE, § 32c Abs. 3 BDSG-RefE,
#3:   Erhebung von Bewerberdaten bei Dritten, § 32a Abs. 8 Satz 2 BDSG-RefE,
#4:   Verzicht auf Löschung von Bewerberdaten bei Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses, § 32b Abs. 3 BDSG-RefE,
#5:   Lichtbilder für andere Zwecke als Autorisierungs- und Authentifikationszwecke, z.B. Unternehmens-Website, § 32h Abs. 1 Satz 2 BDSG-RefE und
#6:   Inhalte von zu beruflichen oder dienstlichen Zwecken geführten Telefonaten, § 32i Abs. 2 Satz 1 BDSG-RefE.

[Den Referentenentwurf finden Sie im neuen MMR-Forum zum Beschäftigtendatenschutz.]

Einmal abgesehen von #4 (Verzicht auf Löschung von Bewerberdaten bei Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses), wieso soll gerade in den übrigen Ausnahmefällen eine selbstbestimmte Einwilligung noch möglich sein, in allen sonstigen Fällen, etwa um eine Privatnutzung von TK-Diensten zu ermöglichen, aber—selbst bei nachweisbarer Freiwilligkeit—nicht?

 

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3 Kommentare

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Vielen Dank für diese nützliche Übersicht, Herr Hanloser.  Ich frage mich, ob es nicht ein eher aussichtsloses Unterfangen des Gesetzgebers ist, all die Fälle der erlaubten Einwilligung durch Gesetzestext umfänglich abzudecken. Wenn ich als Arbeitgeber z.B. die Privatnutzung von TK-Diensten gestatte, sollte eine Einwilligung des Arbeitnehmer zumindest in die Speicherung und die anlaßgebundene Überwachung freiwillig möglich sein. Manche Fälle der Speicherung von Arbeitnehmerdaten lassen sich vielleicht über §28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG im Rahmen des Arbeitsverhältnisses in den Griff kriegen.

Ich stimme Kollegen Spies zu, was die Notwendigkeit der Einwilligung in die Speicherung von Verbindungsdaten und bei schwerwiegenden Verdachtsfällen auch in die Inhaltsdaten aus privaten Kommunikationen betrifft. Die Einwilligung als Legitimiationsbasis fehlt bei dieser Regelung offensichtlich! Dabei ist sie gerade hier aus meiner Sicht möglich, weil die einzige Konsequenz der Verweigerung einer Einwilligung ist, dass der Betroffene nicht privat nutzen darf und daher seine Kommunikation als rein dienstliche gilt. Diese Konsequenz wird keinen Arbeitnehmer in eine abhängigkeitstypische Zwangslage bringen!

Aber noch einmal zu dem einführenden Beitrag von Kollegen Hanloser. Der Düsseldorfer Kreis hat ja nicht umstandlos jede Einwilligung im Arbeitsverhältnis als unzulässig bezeichnet. Das angesprochene Dokument betrifft vielmehr nur die Einwilligung in einen Datenabgleich zu Compliancezwecken. Dort wird m.E. zu Recht die Einwilligung verneint. Ein Arbeitnehmer, der bei einem solchen Ansinnen Nein zu einer abverlangten Einwilligung sagen würde, macht sich ja allein schon dadurch verdächtig.

Insofern ist die differenzierte Zulassung der Einwilligung durch den Entwurf nicht im Widerspruch zu den Äußerungen der Aufsichtsbehörden, wenn auch mit 6 Einwilligungsfällen der Bedarf nicht abgedeckt ist.

 

Liebe Frau Kollegin Breinlinger, vielen Dank für Ihren wichtigen Hinweis.  Der Düsseldorfer Kreis hat die freiwillige Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis für mindesten zwei Kernbereiche abgelehnt—neben den bereits zitierten Mitarbeiter-Screenings auch für Whistleblower/Hinweisgeber-Hotlines mit der grundsätzlichen Erwägung: "In einem Beschäftigungsverhältnis kann man regelmäßig nicht davon ausgehen, dass eine Einwilligung ohne Zwang abgegeben wurde, da zwischen dem Unternehmen und seiner Arbeitnehmerin oder seinem Arbeitnehmer ein hierarchisches Verhältnis besteht".  Ob man hier noch von Kasuistik sprechen kann oder von einer generellen Ablehnung der freiwilligen Einwilligung im Beschäftigungsverhältnis sprechen muss, soll hier dahinstehen.  Dies würde uns zu Ralf Abels Vorwurf, der Düsseldorfer Kreis betätige sich insgesamt als "Nebengesetzgeber" (FAZ v. 20. Juli 2010, S. 13) ableiten.

Entscheidend dürfte die praktische Handhabung durch die Datenschutzaufsichtsbehörden sein.  Liebe blog-Teilnehmer, Bühne frei für Erfahrungsberichte!

 

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