Juristische Blogs in Deutschland chancenlos?

von Dr. Michael Karger, veröffentlicht am 28.07.2010

Hat Henning Krieg Recht? In seinem (immer lesenswerten) Blog kriegs-recht.de stellt er mit dem Beitrag "5 Gründe, warum juristische Blogs keine Chance haben - eine Provokation" die Sinnfrage für die deutsche juristische Blog-Szene. Gehen juristische Blogs im allgemeinen digitalen Rauschen unter?

Erst jüngst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Beitrag "So wahr mir Blog helfe" über die unterschiedliche Online-Debattenkultur in den USA und in Deutschland zum Verfassungsrecht berichtet und - was auch sonst - für Deutschland grosse Defizite festgestellt.Wir sind einfach immer hinterher.

Doch kurz zu einigen der von Krieg genannten Gründe, warum es die juristischen Blogs in Deutschland so schwer haben:

  • "Es überwiegen Marketingveranstaltungen": Richtig, aber eigentlich kein Problem, wenn die veröffentlichten Inhalte dem Leser einen (zumindest kleinen zusätzlichen) Erkenntnisgewinn verschaffen. Die reine Wiederholung von Pressemeldungen bringt diesen Mehrwert nicht. Da ist der Leser bei den traditonellen Medien besser aufgehoben.
  • "Lawblogs decken nur ein kleines Themenspektrum ab": Richtig, bisher dominieren das Medien-, Internet und IT-Recht kraft Affinität der Autoren zum Medium. In anderen Rechtsgebieten, wie insbesondere im Verfassungsrecht gibt es da noch Nachholbedarf. Allerdings gibt es auch "Sammel-Blogs" mit breitem Spektrum. Beispiel: Das beck-blog.
  • "Juristische Blogs haben keine wissenschaftliche Relevanz": Da ist was dran. In guten juristischen Blogbeiträgen steckt viel Arbeit. Ich vermute, dass der Kollege Krieg in seinen Beitrag deutlich mehr als eine Viertelstunde investiert hat (wenn nicht, bin ich zu langsam). Aber anders als im Print-Bereich gilt im Web eben nicht: "Wer schreibt der bleibt." Das klassische Zitat im Print ist die Fußnote, die bleibt für immer, jedenfalls aber solange bis sich das Papier in Staub auflöst. Das digitale Zitat ist das Link, das bleibt zwar auch, verliert aber schnellstens an Aktualität. Was natürlich jeden Blogger freut, ist das Zitat in einer Print-Fußnote, aber - so Krieg zutreffend - die Autoren wissen nicht, wie man einen Blog-Beitrag überhaupt korrekt zitiert. Damit ist ein Zeitinvestment in einen Print-Beitrag für die Autoren noch immer lohnender.
  • "Juristische Blogs steuern kaum etwas zum politischen Diskurs bei": Wahrscheinlich schon richtig, dazu fehlt es den juristischen Blogs einfach am Gehör der Öffentlichkeit. Das mag teilweise an der juristischen Fachterminologie liegen, die von vielen Nichtjuristen als eine Art "Geheimsprache" wahrgenommen wird. Ein weiterer Grund mag darin liegen, dass Juristen traditionell selten klare Position beziehen - teils weil sie es nicht dürfen (Beamte, Richter), teils weil sie es nicht nicht wollen/sollen (Anwälte - es könnte ja gegenwärtige oder künftige Mandate gefährden). Besser haben es da schon die Hochschullehrer und da gibt es einige - um nur Prof. Thomas Hoeren zu nennen - die mit ihrer Meinung wahrlich nicht hinter dem Berg halten und dann auch gehört werden.
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6 Kommentare

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In erster Linie dürften derzeit in Deutschland strafrechtliche Blogs dominieren.

 

Vielleicht ist es auch ein großer Vorteil, dass dieser neuen, und leichter manipulierbaren, Kommunikationsform hier in Europa nicht so viel Geltung verschafft wird, sondern man sich auf sachlichere Abhandlungen in Online- oder Offline-Zeitschriften konzentriert, denn dass nicht alles, meist eher sogar weniger, gut ist, was aus USA kommt, ist wohl Keinem neu.

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Zumindest wissenschaftliche open-acces-Zeitschriften gewinnen in Deutschland an Fahrt, übrigens auch mit Beiträgen namhafter Verfassungsrechtler, wie etwa zuletzt von Prof. Ulrich Karpen "Die neuen Instrumente der Hochschulfinanzierung - Deutsche Universitäten und die Wissenschaftsfreiheit", hier in HFR (Humboldt Forum Recht)  http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/9-2010/index.html  zu lesen.

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Danke an Georg für den Hinweis auf das Humboldt-Forum-Recht. Hierzu stellt sich für mich die Frage, ob es einen Ubnterschied zwischen einem Blog oder einer Online-Zeitschrift gibt - wahrscheinlich sind die Grenzen fliessend.

Zu den 5 Thesen bei kriegs-recht.de hat es mittlerweile einiges an Echo gegeben:

  • Henning Krieg stellt klar, dass juristische Blogs natürlich schon eine Chance haben.
  • Telemedicus meint: Wer in Deutschland hochwertige Blogs sehen möchte, muss hier ansetzen: Bloggen muss sich lohnen.
  • Thomas Stadler  interpretiert Henning Krieg so: "Amerika, du hast es besser!" Krieg widerspricht in einem Kommentar dazu.
  • Kartellblog bringt ein "Literaturverzeichnis" zum Thema.
  • Martin Neldner meint, es gebe noch immer zu wenig Blogs.
  • Detlef Burhoff findet die richtig Mischung aus Marketing und Information ok.

 

Der Unterschied zwischen Blog und Zeitschrift ist natürlich gravierend, ob online oder offline ist dabei egal. Beide bedienen sich online nur des gleichen Mediums, unterscheiden sich jedoch maßgeblich in Anspruch, Umfang, Inhalt und Niveau, zudem gibt es keine Kommentarfunktion, so dass man nicht mit Redebeiträgen von "Hinz und Kunz" belästigt wird, wie meist in einem blog. ;-)

 

Der besondere Eigenschaft eines blogs ist jedoch gerade die offene und ungezwungene Diskussion, die zwar oft das Niveau reduziert, jedoch auch neue Impulse aus dem Dialog von Autor und Kommentatoren hervorbringt, mitunter eben auch mal von "Hinz und Kunz".

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Ich glaube Sie unterliegen hier einem Inhaltsirrtum und die Zielrichtung der Diskussion ist reichlich irritierend. Sie scheinen (wie Telemedicus ebenso) Blogs als Fachzeitschriften zu verstehen und das Bloggen als solches dann auch noch als "schwierig zu erlernende Kunst".

Ein Blog kann auch eine Fachzeitschrift sein. Das verhält sich jedoch wie ein Quadrat zu Vierecken. Man wird beispielsweise Udo Vetters lawblog schwerlich als Beispiel an Erfolglosigkeit in der jur. Blog-Szene oder als nicht-Juristen-Blog bezeichnen. Ebensowenig wie man alle Beiträge hier im Beck-Blog als tiefgreifende Juristendiskussion verstehen muss.

Ich verweise hierauf:

http://logicorum.wordpress.com/2010/07/29/kann-die-blogosphare-die-journ...

Gerade wenn man den Anspruch oder auch die Zielrichtung der fünften These sieht ("Juristische Blogs steuern kaum etwas zum politischen Diskurs bei") kommt man nicht umhin Bloginhalte anders zu sehen und auch anders aufzubauen als eine Diskussion unter Fachleuten. Politische Meinungsbildung läuft nur entlang und mit Hilfe der aktuellen gesetzlichen Vorgaben aber nicht innerhalb selbiger ab.

Ein Blog in welchem sich lediglich ein Fachjurist zu einem aktuellen Fall einer Steuer-CD auslässt und zwei andere Fachjuristen äußern ist m.E. wird keinen Erfolg im Sinne von Aufrufen oder politischer Wirkung erhalten. Man kann zwar im Netz schneller publizieren und hätte einen anderen Leserkreis als eine Veröffentlichung in einem Fachjournal zur Folge hätte. Aber eben nur ein Fach-Leserkreis und vielleicht ein paar welche lieber im Netz schauen als einen Juristen-Kommentar in der Tageszeitung zu lesen.

Ein erfolgreicher Blog ist interaktiv, authentisch, vermittelt Wissen und Diskussionsstoff an eine breitere Leserschaft als die eines Fachjournals ohne dabei oblerlehrerhaft zu wirken. Die fachliche Qualifikation sollte dem entsprechen, denn Unwissen wird im Netz schnell entlarvt. Es ist jedoch bei weitem nicht so wie Telemedicus annimmt das man dafür absolute Koriphäen benötigt.

 

Grüße

ALOA

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