Telefonmarketing und Aidshilfe Dresden

von Prof. Dr. Thomas Hoeren, veröffentlicht am 27.07.2010

Der Sommer ist heiß und träge. Da bedarf einer Beck-Blog-Sommeraktion.

Meine Idee: In letzter Zeit häufen sich die Fälle unerlaubten Telefonmarketings. Ich bekam gestern einen Anruf von meinem langjähigen Tk-Anbieter 1&1. Man habe da jetzt so einen Sondertarif - auch meine Frage, wieso man mich anriefe, erklärte man mir, man habe keine Informationen, dass man das nicht dürfe. Jeder Versuch, der Call-Center-Dame zu erklären, was Opt-In bedeutet, schlug fehl.

Meine Strategie in solchen Fällen - und meine Idee für einen Sommerspass: Werden Sie privat angerufen von solchen Fräuleins, fragen Sie zunächst noch einmal nach Namen und Firma und notieren sich zusätzlich die Rufnummer (steht ja nach neuem Recht zwangsweise im Telefondisplay).

Dann geht der Spass los. Sie sagen: "Das ist heute nicht Ihr Glückstag - ich kenne mich im Marketingrecht aus. Ihr Verhalten verstößt gegen § 7 UWG. Ich kann Ihren Fall bei der Bundesnetzagentur und den Verbraucherschutzverbänden; dann drohen Ihrem Unternehmen hohe Bußgelder. Am besten einigen wir uns anders. Sie spenden 50 Euro an die Aidshilfe Dresden, Konto 3120 151 393 bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden (BLZ: 850 503 00). Sie schicken mir dann eine Kopie des Spendenbelegs und dann Schwamm drüber."

Ich habe auf diese Weise allmählich Ruhe vor diesen nervigen Anrufen.

Nun mein Angebot: Die ersten drei, die hier im Blog über ähnliche Erfolge positiv berichten können, bekommen ein Studentenbackbuch, das ich m,it Studierenden der Uni Münster erstellt habe und das demnächst erscheint.

Freuen Sie sich (endlich einmal) auf Spam-Anrufe und das Backbuch!

 

Einen schönen Sommer wünscht Ihr Thomas Hoeren

 

 

 

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16 Kommentare

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an sich eine schöne Idee, das Problem ist nur, dass viele Werbeanrufe mittlerweile automatisiert und mit unterdrückter Rufnummer erfolgen. 

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Klingt für mich (als nicht sonderlich juristisch geschulter) nach Erpressung oder wenigstens Nötigung: Du handelst nicht gesetzeskonform, aber ich zeige erstatte keine Anzeige, wenn du Geld in die Hand nimmst. Zwar nicht für mich, aber eben einen anderen Begünstigten.

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Dem ist beizupflichten. Es wird ein empfindliches Übel in Aussicht gestellt, das nur dadurch abgewendet werden kann, dass einem Dritten ein Vermögensvorteil gewährt wird, auf den dieser keinen Anspruch hat. Zwar ist weder das angedrohte Übel noch der Zweck der Erpressung für sich genommen verwerflich, doch es besteht keine Konnexität zwischen der abgenötigten Vermögensverfügung und dem angedrohten Übel, sodass die Erpressung auch verwerflich ist.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass das Ganze "einem guten Zweck" dienen soll, denn auch der mildtätige Erpresser bleibt ein Erpresser.

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Ach, das Verfahren wegen Erpressung wird sicherlich nach §153a StPO eingestellt gegen Zahlung von 1000 Euro an die Aidshilfe Dresden.

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Das mit der Nötigung sehe ich auf keinen Fall so. Denn ich zeige doch nur zwei Varianten des Vorgehens auf. Das eine ist eine informelle "Anzeige" bei der BNetzA - das andere ist die informelle Bitte um eine Spende. Es wird ja noch möglich sein, ganz einfach in einem Gespräch offen über das zu sprechen, was in dem Kopf des Betroffenen als Handlungsvarianten denkbar wären. Es geht ja schießlich nur um informelle Schritte. Liebe Grüsse TH

Das ist eine eher abwegige Schutzbehauptung. Der Mafiosi bittet auch nicht um Schutzgeld oder stellt eine "Handlungsvariante" in der Raum, sondern er erpresst Schutzgeld - egal, wie er das im Nachhinein rechtfertigen mag.

Insbesondere der Umstand, dass ein Spendenbeleg angefordert wird und dass dann "Schwamm drüber" sei, belegt doch, dass nicht bloß eine Spende angeregt, sondern konkret angefordert wird mit der Folge einer Anzeige bei Verbraucherschutzverbänden oder der BNetzA, falls dies nicht geschieht.

Dabei ist es auch unerheblich, ob es in den Fällen des Ausbleibens des Spendenbelegs zu einer solchen Anzeige gekommen ist, denn es reicht schon aus, dass nach Vorstellung des Täters die Ernstlichkeit der Drohung nicht verkannt werde.

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Ich habe wenig Lust (und Zeit), hier jetzt lange strafrechtliche Subsumtionen vorzutragen. Also zunächst einmal muß die Drohung mit einem künfigen Übel darauf bezogen, daß der Täter zumindest vorgibt , den Dritten beeinflussen zu können. Fehlt es an einer Einflußmöglichkeit, liegt nur eine Warnung vor (so mein alter Schönke/Schröder). Ich habe keine Einflußmöglichkeit auf die BNetzA und auch auf die Verbraucherschutzverbände. Im übrigen fehlt es auch einer Drohung, falls dem anderen eine Entschließungsfreiheit bleiben soll; so bei Vorschlägen, deren Ablehnung dem anderen freisteht (so mein Sch-Sch). Mehr mache ich auch nicht. Und so weiter und so fort. 

Nun, der Fall bietet Anlass zu strafrechtlichen Diskussionen. Natürlich zwingt Sie niemand, daran teilzunehmen.

Der Fall ist aber mE insoweit interessant, als dass ein eigentlich moralisch wertvolles Vorhaben unter Strafnormen fällt und somit das "Gerechtigkeitsgefühl" in Konflikt mit dem sozialethischen Unwerturteil gerät, das das Strafrecht für sich in Anspruch nimmt. Schon deshalb finde ich die Diskussion spannend.

Nun zu Ihren Einwänden:

Verlangt wird tatsächlich, dass der Drohende vorgibt, auf das Übel Einfluss zu haben. Gefordert wird aber nicht, dass der Drohende den Dritten derart unter Kontrolle hat, dass jederzeit den Eintritt des Übels hemmen oder befördern kann. Vielmehr ist es ausreichend, wenn er vorgibt, in irgendeiner Weise den Dritten hinsichtlich des Eintritts des Übels beeinflussen zu können (BGH NStZ 1996, 435).

Ihr zweiter Einwand verfängt hingegen nicht. Dass dem anderen noch Entschließungsfreiheit verbleibt, ist nach herrschender Auffassung in der Literatur nicht Hinderungsgrund der Erpressung, sondern vielmehr deren Voraussetzung, weil andernfalls eine Vermögensverfügung nicht möglich wäre. Die Nötigung oder Erpressung setzt nicht voraus, dass jemandem mittels vis absoluta jegliches andere Verhalten unmöglich gemacht wird.

Falls Sie hingegen darauf abheben wollten, dass von dem Anrufer erwartet werden kann, der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standzuhalten, so würde ich mich dem in Hinblick auf die hohen Kosten wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche und Bußgeldverfahren nicht anschließen.

 

Viele Grüße, MaM

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Lieber MaM,

einfache Rückmeldung. Ich behaupte nirgendwo, die Bundesnetzagentur hinsichtlich des "Eintritts des Übels" beeinflußen zu können. Der darüber hinausgehende Hinweis auf die Entschließungsfreiheit steht so bei Schönke-Schröder mit Verweis auf RGst 64, 381. Auch soll übrigens das Drohen mit Dienstaufsichtsbeschwerden zulässig sein (OLG Koblenz, VRS 1951, 208).

Lieber Herr Hoeren,

natürlich haben Sie Einfluss auf die BNetzA, denn Sie geben vor, den Beginn des Verfahrens durch Ihre Anzeige beeinflussen zu können. Mehr ist auch gar nicht nötig, andernfalls wäre die Drohung mit einer Strafanzeige niemals Nötigung oder Erpressung, denn die Staatsanwaltschaft hat es auch in der Hand, ob sie einem Vorwurf nachggeht, ihn mangels Tatverdacht oder aus Opportunitätsgründen einstellt oder anklagt.

Der Themenkomplex "Dienstaufsichtsbeschwerde" wird auch nicht unter dem Punkt "Einflussmöglichkeit und Dritte", sondern allein in der Empfindlichkeit des Übels diskutiert. Hintergrund ist, dass der rechtschaffene und besonnene deutsche Beamte einer Dienstaufsichtsbeschwerde standzuhalten hat.

Der von Ihnen mittelbar zitierte Reichsgerichtsentscheidung lässt sich auch zur Entschließungsfreiheit nichts anderes entnehmen. Dort grenzt das Reichsgericht zwischen Drohung und bloßer Handlungseröffnung auf eine sehr subjektive Weise ab, die in der heutigen Rspr mE keine Fortsetzung mehr findet. Aber selbst wenn wir die Maßstäbe des Reichsgerichts zugrunde legen, bleibt es hier beim Vorwurf der Erpressung. Denn dem Reichsgericht zufolge ist zu fragen, ob durch die Drohung auf die freie Willensbetätigung des Bedrohten dergestalt eingewirkt werden sollte, dass er zu einem anderen Handeln gezwungen werden sollte, als er es ohne die Drohung getan hätte (RGSt 64, 379, 381). Hier aber ging es ja nicht darum, dem Anrufer auf die Möglichkeit hinzuweisen, der Aidshilfe 50 EUR zukommen zu lassen, sondern er sollte selbstredend durch den Hinweis auf mögliche Bußgelder oder Abmahnungskosten zu diesem Verhalten gedrängt werden. Damit liegen die Voraussetzungen einer Erpressung nach der von Ihnen zitierten reichsgerichtlichen Rechtsprechung aber vor.

Dass der Anrufer es darauf hätte ankommen lassen können, steht einer Erpressung nicht entgegen, sondern ist in den allermeisten Fällen so.

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Lieber Herr MaM (ich kannte mal nen Jurastudenten aus dem letzten Semester, der seinen Namen so abkürzte),

ich werde dann mal bei Gelegenheit mal eine Selbstanzeige wegen Erpressung (wow - noch nicht mal nur Nötigung) machen (müssen). Ich halte Sie dann wegen der weiteren Ermittlungen auf den laufenden. Ihr Schwerstkrimineller TH

PS: Und wer weiß mehr über Erpressung als Karl Kraus; daher mein Lieblingszitat zur Erpressungsrabulistik:

"Durch diese rein dogmatische Analyse eines strafrechtlichen Begriffes, die die bestehende Rechtsordnung nicht negiert, sondern interpretiert, wollte ich deren Hütern zeigen, daß auch der juristische Dilettant in ihr Handwerk pfuschen kann. Führt man so den Sinn eines Gesetzes und die Autorität seiner Anwälte ad absurdum, so ist der Aufgabe, die Wertlosigkeit des Plunders zu erweisen, auch hier Genüge geschehen."

 

Dem Maxe daher die URL: http://www.textlog.de/38925.html

 

 

 

 

 

Lieber Herr Hoeren,

zunächst darf ich Ihnen versichern, dass ich weder "Ihr" Student noch anderweitig persönlich bekannt mit Ihnen bin. Dass die Erpressungsdogmatik in diesem Fall zu absurden Ergebnissen führt, da gehe ich mit Ihnen konform - das aufzuzeigen, war nicht zuletzt Zweck meiner Übung. Ich finde Ihre Idee auch sehr charmant und originell - nur leider strafbar.

Wenn Sie Selbstanzeige erstatten, so vergessen Sie nicht die erfolglose öffentliche Aufforderung zu Straftaten gem. § 111 Abs. 2 StGB. ;-)

Grüße, MaM

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Lieber Herr MaM,

schön, daß wir uns nun einen Tag lang begleitet habenb. Ihr ";-)" in der letzten Nachricht zeigt, daß Sie den Schmunzelcharakter der Blogaktion nicht verkannt haben. Das beruhigt mich. Lesen Sie mal den Kraus-Text dazu. Ihr Th

Lieber Herr Professor Hoeren,

ich habe das gerade mal ausprobiert (sehr höflich; keine Erpressung - keine Nötigung). Das hat funktioniert - eine Lottogesellschaft versprach zu überweisen.

Im übrigen zu MaM:

Bei der Zweck-Mittel-Relation hält die herrschende Meinung die Drohung mit einer begründeten Anzeige dann nicht für verwerflich, wenn der Täter diese davon abhängig macht, dass der Verletzte eine angemessene Geldbuße an eine Wohlfahrtseinrichtung zahlt bzw. freiwillig angemessene Sühne für einen guten Zweck leistet.

[1]

Auch das RG hat schon ausgeführt, dass in der Erklärung, auf ein dem „Täter“ zustehendes Recht zur Erhebung der Privatklage verzichten zu wollen, falls der „Bedrohte“ ein Opfer für einen guten Zweck bringe, in Wirklichkeit lediglich ein vom „Täter“ ernstlich gemeinter Vergleichsvorschlag lag, dessen Annahme ohne Beeinträchtigung der Entschließungsfreiheit in das Ermessen des „Bedrohten“ gestellt wurde.

[2]

 

Wenn man diese Ausnahme auf den hier vorliegenden Sachverhalt anwendet, ist festzustellen, dass keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit angezeigt werden soll. Demzufolge liegt hier nach dem Willen des Gesetzgebers ein niedrigerer Unrechtsgehalt vor. Daraus ist aber nicht zwingend zu folgen, dass die Drohung deshalb auf jeden Fall verwerflich sein muss. Dabei kann auch die Höhe der geforderten, „freiwilligen Geldbuße“ einbezogen werden. Diese beträgt lediglich 50 Euro, wohingegen der Gesetzgeber für den Verstoß gegen das UWG eine Höchstgrenze von 50.000 Euro festgelegt hat. Mithin macht das Telemarketingunternehmen, das einen Rechtsbruch begangen hat, sogar noch ein gutes „Geschäft“, so dass unter diesem Gesichtspunkt noch nicht von einer Verwerflichkeit auszugehen ist.

[1]

Vogel in Leipziger Kommentar StGB, Band 8, 12. Aufl. 2010 § 253 Rn. 39; Herdegen in Leipziger Kommentar StGB, Band 6, 11. Aufl. 2005 § 253 Rn. 26; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT 1, 10. Aufl. 2009 § 42 II Rn. 36; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, Nomos Kommentar Strafgesetzbuch Band 2, 3. Aufl. 2010 § 253 Rn. 42; Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch 27. Auflage 2006 § 253 Rn. 11; Rengier, Strafrecht BT I, 12. Aufl. 2010 § 11 Rn. 67.

[2]

RG 36, 384, 388.

 

 

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137 Rückmeldungen zu konkreten Telefonaten gabs! Und die Backbücher sind schon raus. Danke an alle Blog-Leser, die sich nicht von der bizarren Strafrechtshysterie haben irritieren lassen. Juristen sind halt so!

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