Ein Vater, der es werden und einer, der es bleiben wollte

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 16.05.2010

Mann (M) und Frau (F) sind verheiratet, leben aber seit Februar 2006 voneinander getrennt, eine Scheidung ist nicht beabsichtigt. M lebt zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin.

Am 8.10.06 gebar F einen Sohn L als dessen Vater – da M und F verheiratet sind – M gilt.

Im Jahr 2008 erhebt V, der sich für den Vater des Kindes hält, Vaterschafts-anfechtungsklage gegen M und L.

Eine solche Vaterschaftsanfechtung des potentiellen biologischen Vaters ist nach § 1600 II BGB nur möglich, wenn zwischen  dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht.

Eine solche soz-fam. Bez. liegt vor, wenn der rechtliche Vater  für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater  mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.

Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 24. September 2009 - 21 UF 143/09 (BeckRS 2010 05729) festgestellt:

Der Beklagte zu1 (M) hat seit dem 3. Lebensmonat des Kindes und damit seit mehr als 2 1/2 Jahren regelmäßigen Kontakt mit ihm, nimmt Anteil an dessen Leben und ist in die alltäglichen Belange der Erziehung und Versorgung mit eingebunden. Auch wenn er freimütig einräumt, dass er mit der klassischen Grundversorgung eines Säuglings wie Windeln wechseln, Baden, An- und Ausziehen sowie dem Zubereiten des Essens weniger zu tun gehabt habe, so hat er das Kind aber gefüttert bzw. ihm sein Fläschchen gegeben und hat es im Kinderwagen mit spazieren geführt. Insofern hat er die bei vielen Vätern noch immer zu beobachtende typische Verhaltensweise an den Tag gelegt, die sich eher dem spielerischen als dem fürsorglichen Bereich der Kinderbetreuung zuwenden. Dies gilt auch für sein von der Mutter des Beklagten zu 2 geschildertes Verhalten, den Kinderwagen nicht selbst zu schieben, sondern dies der Mutter zu überlassen und nur mit einer Hand am Kinderwagen seine Zugehörigkeit zu dieser Familie zu zeigen. Der Beklagte zu 1 begleitet die Mutter mit dem Kind zum Kinderarzt, auch wenn ihm die Bezeichnungen für einzelne Vorsorgeuntersuchungen (U1 usw.) nicht geläufig waren, und konnte den Arzt namentlich benennen. An der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz hat er sich beteiligt und seine Unterschrift für den Aufnahmeantrag, der nach der regional üblichen Verfahrensweise erst bei einem freien Platz gestellt werden kann, bereits fest zugesichert.

Der seit Januar/Februar 2007 bestehende regelmäßige Kontakt mit dem Kind findet mehrmals in der Woche sowohl im Haushalt der Mutter als auch im Haushalt des Beklagten zu 1 statt. Nach bürgerlichen Maßstäben leben die Mutter und der Beklagte zu 1 sowie dessen Lebensgefährtin mit dem Kind ein ungewöhnliches Lebensmodell. L. hat einerseits im Haushalt seiner 29-jährigen Mutter und deren weiterer siebenjährigen Tochter N. aus einer anderen Beziehung seinen festen Lebensmittelpunkt, verbringt aber seine Zeit regelmäßig - alle zwei Tage - auch im Haushalt seines rechtlichen Vaters, der 32 Jahre alt ist, und dessen wesentlich älterer Lebensgefährtin, die er „Oma“ nennt. Auch im Haushalt seines Vaters wird er zum Mittagsschlaf hingelegt, betreut und versorgt. Sowohl in seinem eigenen Haushalt als auch im Haushalt der Mutter beschäftigt sich der Beklagte zu 1 intensiv mit dem Kind, indem er u. a. Fußball spielt oder auch Federballübungen versucht. Solche offenbar seinen Neigungen entsprechende Unternehmungen oder auch einfach das „Rumtoben“ mit dem immer älter werdenden Jungen schilderte er, um seine Kontakte und die Art der Begegnung mit dem Kind näher zu beschreiben. Dabei wird der Beklagte zu 1 von allen Personen in diesem „Lebensmodell“ als „Papa“ des Kindes bezeichnet. Auch das Kind spricht ihn mit „Papa“ an. In der Gesamtschau sprechen diese Umstände für eine Bindung von rechtlichem Vater und Kind. Mit dem Beklagten zu 2 wird durch die ihn betreuenden Erwachsenen ein Lebensmodell praktiziert, dass nach deren glaubhaften Angaben auf einem Grundkonsens beruht. Das Modell wird seit mehr als 2 1/2 Jahren gelebt und stellt sich als eine mit den Regelannahmen für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung gleichwertige Beziehung zwischen beiden Beklagten dar.

Die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des AG Zwickau wurde abgewiesen.

Für die Revision hat der BGH die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 17.02.2010 – XII ZA 40/09 (BeckRS 2010, 05574) abgelehnt.

 

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14 Kommentare

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Vermutlich ist diese Entscheidung nach der bestehenden Rechtslage „richtig“.
Mit gesundem Menschenverstand hat das aber nicht viel zu tun. Hier zeigt sich einmal mehr, wie hoffnungslos veraltet und wirklichkeitsfremd das Familienrecht in diesem Land ist. Wenn man über alle Kulturen und Länder hinweg eine Umfrage machen würde, wer in einer solchen Konstellation der Vater des Kindes ist, würde mit Sicherheit eine überwältigende Mehrheit den Erzeuger (hier Kläger) benennen. Letztlich ist es sein Sohn, dies ist unstreitig (ansonsten heutzutage problemlos nachweisbar) und dennoch bleibt er völlig rechtlos. Ich bin kein Betroffener, aber das widerspricht meinem Rechtsempfinden in eklatanter Weise. Meines Erachtens eine Konstellation für den EGMR.

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Letztlich ist es sein Sohn, dies ist unstreitig (ansonsten heutzutage problemlos nachweisbar)

Unstreitig ist es wohl nicht, da noch kein SV-Gutachten eingeholt worden ist. Vielleicht ist ja auch ein bislang unbekannter Dritter der biologische Vater

Hier zeigt sich einmal mehr, wie hoffnungslos veraltet und wirklichkeitsfremd das Familienrecht in diesem Land ist.

Wirklich?

Soll sich also tatsächlich ein Dritter in ein bestehendes Vater-Mutter-Kind-Verhältnis hineinklagen können?

Auch bei bestehender Ehe, wenn die Mutter z.B. ein Abenteuer hatte, der Ehemann ihr dies verzeiht und die beiden beschließen, das Kind als ihres groß zu ziehen?

Hat der soziale Vater keine Rechte?

Sollte bei jeder Geburt von Amts wegen (vom Staat) die biologische Vaterschaft überprüft und festgestellt werden?

 

Hopper schrieb:

Unstreitig ist es wohl nicht, da noch kein SV-Gutachten eingeholt worden ist. Vielleicht ist ja auch ein bislang unbekannter Dritter der biologische Vater.

Gut, aber das werden wir wohl niemals erfahren. Es kam dann wohl nicht darauf an, ob der Kläger der biologische Vater ist oder nicht. Das Ergebnis wäre in beiden Fällen dasselbe.

Hopper schrieb:

Wirklich?
Soll sich also tatsächlich ein Dritter in ein bestehendes Vater-Mutter-Kind-Verhältnis hineinklagen können?Auch bei bestehender Ehe, wenn die Mutter z.B. ein Abenteuer hatte, der Ehemann ihr dies verzeiht und die beiden beschließen, das Kind als ihres groß zu ziehen?

Hat der soziale Vater keine Rechte?

Sollte bei jeder Geburt von Amts wegen (vom Staat) die biologische Vaterschaft überprüft und festgestellt werden?

 

Selbstverständlich sollte der (biologische) Vater Rechte haben. Schließlich ist das Kind sein Abkömmling. Trägt seine Gene und wird einige Eigenschaften und Eigenarten des Vaters ausbilden. Wenn die Mutter eine außereheliches „Abenteuer“ hatte, wusste sie doch, was sie tut und muss die Konsequenzen für ihre Ehe tragen. Es kann doch nicht sein, dass die Mutter gottgleich darüber entscheidet, wer der Vater sein soll, indem sie – ggf. trotz besseren Wissens – den eigentlichen Vater nicht angibt.

Ich verstehe ehrlich gesagt Ihren Einwand einer Vaterschaftsfeststellung von Amts wegen nicht. Hier hat doch offensichtlich ein (vermeintlicher) Vater geklagt. Nur in diesem Fällen bräuchte man doch ein Gutachten einholen. Ist der Kläger nicht der Vater, hat sich der Rechtsstreit erledigt. Ist er es doch, ist die gesetzliche Vermutung, der Ehemann sei der Vater, offensichtlich widerlegt. Scheint mir recht simpel zu sein.

Wie gesagt Herr Burschel, ich bin nicht betroffen und kenne auch keinen Betroffenen. Ich finde aber den Gedanken, als Vater von meinem eigenen Kind völlig rechtlos ferngehalten zu werden für unerträglich. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies der Rechtslage in den meisten (zivilisierten) Ländern entspricht.

 

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GG Art 6 Abs 2 S 1 vermittelt dem leiblichen Vater kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Bei Zweifeln an der Vaterschaft verlangt das in GG Art 6 Abs 2 S 1 enthaltene Gebot, möglichst eine Übereinstimmung von leiblicher und rechtlicher Elternschaft zu erreichen, die Eröffnung eines Verfahrens, in dem die Vaterschaft überprüft und das Elternrecht gegebenenfalls rechtlich neu zugeordnet wird.

Die Abstammung wie die sozial-familiäre Verantwortungsgemeinschaft machen gleichermaßen den Gehalt von GG Art 6 Abs 2 S 1 aus. Fallen die leibliche und die rechtliche Vaterschaft auseinander, gibt die Grundrechtsnorm keine starre Gewichtung dafür vor, welchem der beiden Merkmale, die die Elternschaft ausmachen sollen, der Vorrang einzuräumen ist und bestimmt insoweit kein Rangverhältnis zwischen der biologischen und der sozialen Elternschaft.

aus BVerfG NJW 2003, 2151

Dieses Urteil war die Grundlage dafür, dass der leibliche Vater bei Nichtvorliegen einer soz-famBez. überhaupt anfechten kann - vorher war selbst das ausgeschlossen

Das war mir nicht bekannt, kann mich aber auch nicht überraschen. Das ledige Väter pauschal vom Sorgerecht ausgeschlossen werden, hat das BVerfG im Ergebnis auch für in Ordnung befunden. Ich hab ja auch nicht bezweifelt, dass die geltende Rechtslage die Entscheidung des OLG Dresden hergibt, bzw. sogar fordert. Der Rechtslage ist ja gerade der Skandal.

Falls es irgendwann mal so gewesen sein sollte, dass verheiratete Frauen ausschließlich Kinder von ihren Ehemännern bekommen haben (was ich persönlich ja bezweifeln würde) und dazu ein Abstammungsnachweis nicht möglich war, könnte man ja die gesetzliche Vermutungsregelung im Sinne der Rechtsklarheit noch nachvollziehen. Bei den heutigen Scheidungsraten, verbunden mit gesicherten Nachweismöglichkeiten der Vaterschaft, ist diese Regelung schlicht überholt. Dies erst Recht, wenn es Konstellationen geben kann, dass ein unbestrittener Vater (Erzeuger) gegenüber seinem eigenen Nachwuchs völlig rechtlos gestellt werden kann. Eine gesetzliche Vermutung, die man auch mit Tatsachen nicht widerlegen kann. Völlig absurd.

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Falls es irgendwann mal so gewesen sein sollte, dass verheiratete Frauen ausschließlich Kinder von ihren Ehemännern bekommen haben (was ich persönlich ja bezweifeln würde)

Ich auch. Kuckuckskinder hat es schon immer gegeben (vor Erfindung der Pille vermutlich sogar mehr als heute).

Bei den heutigen Scheidungsraten, verbunden mit gesicherten Nachweismöglichkeiten der Vaterschaft, ist diese Regelung schlicht überholt.

Also doch: Gentest für alle Babies?

Und wenn der biologische Vater garnicht Vater werden/sein möchte? Oder unbekannt ist (ONS) ?

Quote:

Also doch: Gentest für alle Babies?

Und wenn der biologische Vater garnicht Vater werden/sein möchte? Oder unbekannt ist (ONS) ?

 

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie sie auf einen Gentest für alle kommen.
In dem obigen Fall hat doch offensichtlich ein Mann versucht die Vaterschaft des Ehemannes anzufechten, weil er der Meinung war, der "richtige" Vater zu sein. Das Gericht hätte jetzt einfach ein Abstammungsgutachten einholen können und man hätte gewusst, wer der Vater ist. Diese sich geradezu aufdrängende Vorgehensweise gibt die Rechtslage anscheinend nicht her.
Ein Gentest für alle ist doch völlig unnötig. Es muss schon ein Mann (bei einer Frau ist es wohl normalerweise klar) die gesetzliche Vermutung, der Ehemann sei der Vater, anfechten. Wenn dies zumindest schlüssig vorgetragen wird, braucht es nur einen simplen Gentest. In den Fällen, in denen der (biologische) Vater kein rechtlicher Vater werden will, wird er kaum die Vaterschaft eines anderen anfechten. Ebenso, wenn ihm die Schwangerschaft eines ONS unbekannt ist. Im übrigen wird in anderen Konstellationen der biologische Vater auch nicht gefragt, ob er die rechtliche Vaterschaft annimmt und Unterhalt bezahlen möchte. Der Skandal ist doch, dass es einem biolgischen Vater, der die Verantwortung für sein Kind übernehmen will, nach unserer Gesetzes- bzw. Rechtslage jegliche Rechte gegenüber seinem Kind völlig verwehrt werden können, ohne das er oder das Kind irgendetwas dagegen tun könnten. Es liegt allein in der Hand der Mutter.

Ohne recherschiert zu haben - ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass es viele Länder gibt, wo das in gleicher/ähnlicher Weise geregelt ist. Es spricht eklatant meinem Gerchtigkeitsempfinden.

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Wie so oft fallen die rechtliche bewertung und das subjektive Rechtsempfinden auseinander. Bedauerlich. Ein Aspekt geht vollends unter. Was ist mit dem Kind und seine rechtliche Beziehung zu seinem (Erzeuger-)Vater. Wenn es nicht informiert wird über die Vaterschaft des anderen (und diese Fälle sind gar nicht so selten!) verliert es spätestens mit seinem 30. Lebensjahr das eigene Anfechtungsrecht und damit die Möglichkeit, selber für eine Klärung seiner Abstammung zu sorgen, was u.U. auch erbrechtlich von Bedeutung sein kann.

 

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Lieber Herr RA Stöcker,

wie soll der Gesetzgeber die (rechtlichen) Eltern zur Offenbarung zwingen?

Wollen wir das wirklich, dass sich der Staat (der Gesetzgebr) in die intimsten Dinge eines Paares einmischt und jedem Kind die genetischen Eltern zwangsweise als rechtliche Eltern vorschreibt?

Im Übrigen hat das Kind mit 18 die Rechte des §1598 a BGB und kann seine Abstammung (ohne einen Verdacht vortragen zu müssen) festtellen lassen und anschließend die anfechtungsrechtlichen Konsequenzen ziehen - oder auch nicht.

Und wenn Mama nicht weiss/ wissen will, wer der biologische Vater ist?

@HiG

Stellen Sie sich vor, zwischen Susi und Gerd passiert es nach der betrieblichen Weihnachtsfeier. Kurze Zeit später verlässt Gerd den Betrieb und so bekommt er nicht mit, dass Susi, die ihren "ehelichen Pflichten" vor und nach der Weihnachtsfeier immer nachgekommen ist, ein Kind gebiert. Susi lässt ihren Ehemann im unklaren/spricht sich mit ihm aus.

5 - 10 Jahre später erfährt Gerd von der Geburt des Kindes. Er entwickelt väterliche Gefühle und betreibt die Anfechtung.

Ist/wäre das im Interesse des Kindes?

Hopper schrieb:

@HiG

Stellen Sie sich vor, zwischen Susi und Gerd passiert es nach der betrieblichen Weihnachtsfeier. Kurze Zeit später verlässt Gerd den Betrieb und so bekommt er nicht mit, dass Susi, die ihren "ehelichen Pflichten" vor und nach der Weihnachtsfeier immer nachgekommen ist, ein Kind gebiert. Susi lässt ihren Ehemann im unklaren/spricht sich mit ihm aus.

5 - 10 Jahre später erfährt Gerd von der Geburt des Kindes. Er entwickelt väterliche Gefühle und betreibt die Anfechtung.

Ist/wäre das im Interesse des Kindes?

 

@Hans-Otto Burschel

Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass Sie für Ihre Sicht der Dinge hier ein Extrembeispiel gewählt haben, das einer dichotomen Denkweise entstammt.

Was ist aber mit folgendem Fall, der aus der Realität stammt?

Eine Frau führt parallel zu ihrer Fernbeziehung mit ihrem Freund noch eine weitere Beziehung mit einem anderen Mann und das über einen Zeitraum von anderthalb Jahren. Schließlich wird sie von diesem schwanger. Nachdem sie von der Schwangerschaft erfährt, beendet sie die Beziehung zu diesem Mann und heiratet noch vor der Geburt ihren zeugungsunfähigen Freund, der dadurch auch als rechtlicher Vater gilt. Die beiden ziehen zusammen und die Mutter verbietet dem richtigen (leiblichen) Vater ohne jegliche Begründung den Umgang zu seinem Kind. Dieser hatte schon vor der Geburt das Bedürfnis geäußert, dass er sein Kind sehen möchte und verständlicherweise auch ein rechtliches Verwandtschaftsverhältnis zu diesem haben will. Zwei Wochen nach der Geburt reicht er eine Vaterschaftsanfechtungsklage beim Familiengericht ein. Der Verhandlungstermin ist drei Monate später und wird wegen Verhinderung eines Anwalts vom Richter nochmal um drei! Monate verschoben. Das Kind ist inzwischen 6 Monate alt.

Allerdings liegt laut BGB hier eine sogenannte "sozial-familiäre Beziehung" vor, da die Mutter mittlerweile mit ihrem Partner zusammenlebt, den sie noch vor der Geburt geheiratet hat.

Und hierfür habe ich absolut kein Verständnis mehr. Und der EGMR anscheinend auch nicht (siehe Urteil vom 21.12.2010). Die Institution Ehe auf Kosten sowohl des Kindes als auch des Vaters zu schützen, dessen Menschenrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens laut EGMR dadurch massiv verletzt wird, ist in einem Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts nicht hinnehmbar. Vaterschaft ist doch kein Titel, den die Mutter nach Lust und Laune an ihren jeweils aktuellen Partner vergeben kann, nur weil sie nicht die Konsequenzen für ihr Handeln tragen will. Das Kind ist hier auch nicht aus einem One-Night-Stand entstanden, sondern durch ungeschützten Verkehr aus einer anderthalbjährigen Beziehung. Somit hat die Mutter hier eine Schwangerschaft bewusst in Kauf genommen und will dafür jedoch nicht die Verantwortung übernehmen. Zudem hat der Vater hier schon vor der Geburt ein ernsthaftes Interesse an seinem Kind bekundet. Und trotzdem ist er nach deutschem Familienrecht machtlos und kann seine Vaterschaft weder feststellen lassen, noch sein Kind sehen, weil ihm das BGB hier Steine in den Weg legt. Dem Vater wird also ohne weiteres sein Kind vorenthalten und dem Kind die verfassungsrechtlich geschützte Kenntnis seiner Abstammung genommen.

Entspricht das Ihrer Auffassung von Recht, Hr. Burschel?

Ohne jeden Zweifel.

Gerd ist der Vater, das Kind sein Abkömmling. Gerade von Kindern/Erwachsenen, die ohne Eltern oder ohne einen Elternteil (oftmals den Vater) aufgewachsen sind, hört man doch oft, dass sie sich selbst viel besser verstehe können, wenn sie ihre Wurzeln kennen. Wenn Gerd erst so spät von der Vaterschaft erfährt, hatte er auch keinerlei Möglichkeit, die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemannes früher anzufechten.

Die Anfechtung bedeutet doch nicht automatisch, dass das Kind zukünftig bei Gerd leben soll/muss. Aber ein Umgangsrecht für Gerd und das Kind ist aus meiner Sicht doch selbstverständlich. Wie kann es nicht im Interesse eines Kindes sein, wenn sich der eigene Vater darum kümmern möchte? Wie kommt der Staat dazu einem Vater zu sagen, dass er keinerlei Recht bezüglich seines eigenen Kindes haben soll?

Immerhin wären für Gerd auch Pflichten mit einer (rechtlichen) Vaterschaft verbunden. Und das ein Mann Vatergefühle entwickeln kann, wenn er unverhofft erfährt, dass er ein Kind hat, erscheint mir zumindest nicht abwegig und ist in den Anfechtungsfällen offensichtlich gegeben.

 

Letztlich spricht ja auch nichts dagegen dem Scheinvater, der zu dem Kind eine gute Vaterbeziehung aufgebaut hat, weiterhin Umgangsrechte zu gewähren, da natürlich auch dies im Interesse des Kindes ist.

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Ist/wäre das im Interesse des Kindes?

 

Ohne jeden Zweifel.

 

An dieser Stelle werden wir wohl keine Einigkeit erzielen können.

 

Ohne jeden Zweifel.

Gerd ist der Vater, das Kind sein Abkömmling. Gerade von Kindern/Erwachsenen, die ohne Eltern oder ohne einen Elternteil (oftmals den Vater) aufgewachsen sind, hört man doch oft, dass sie sich selbst viel besser verstehe können, wenn sie ihre Wurzeln kennen. Wenn Gerd erst so spät von der Vaterschaft erfährt, hatte er auch keinerlei Möglichkeit, die (rechtliche) Vaterschaft des Ehemannes früher anzufechten.

Die Anfechtung bedeutet doch nicht automatisch, dass das Kind zukünftig bei Gerd leben soll/muss. Aber ein Umgangsrecht für Gerd und das Kind ist aus meiner Sicht doch selbstverständlich. Wie kann es nicht im Interesse eines Kindes sein, wenn sich der eigene Vater darum kümmern möchte?

 

1. Das Kind im Beispielsfall IST aver mit einem Vater aufgewachsen und HAT auch eigene Wurzeln.

2. Wenn mein Vater (wohl auch gleich Erzeuger) sich ein Umgangsrecht mit mir hätte einklagen wollen, wäre das mit Sicherheit gründlich schiefgegangen.

3. Inwieweit man nach 10 Jahren kommen können kann/muss/darf und eine bis dato intakte Familie zerstören ist für mich eine äußerst zweifelhafte Frage. Da ist es ungefähr wie in den Adoptionsfällen: Manche Leute erleben es als traumatisierend und einen "Verrat" an ihren Wurzeln, wenn sie das nicht gesagt bekommen. Manche Leute erleben es als traumatisierend, wenn sie es gesagt bekommen und würden sich wünschen dass das nie herausgekommen wäre. Denkbar ist beides. Was davon wahrscheinlicher ist kann man nicht sagen. Daher müssen es wohl die beteiligten entscheiden. Und irgendeiner ist dann halt der Gekniffene.

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